42. Verkehrte Welt

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Alles war okay. Zwischen mir und Thomas war alles bestens. Zumindest sagte ich mir das, während ich schweigsam in der Ecke des Aufenthaltsraumes saß und die Latein-Hausaufgaben vor mir auf dem Tisch anstarrte. Mathe hatte ich schon aufgegeben, wieder einmal. Auf die nächste Prüfung freute ich mich überhaupt nicht. Seit Jenny und ich die nicht mehr gemeinsam machten, war meine Motivation so gut wie nonexistent. Aber wer braucht schon Gleichungen? Genau, niemand. Genau so wenig wie diese elenden Epigramme.

Wenigstens waren Jenny, Olivia und ihre Clique nicht hier. Das hätte mir bei all meinen Sorgen noch gefehlt. Meine Gedanken wanderten zurück zu Thomas, unserem Date... und unweigerlich zu der Tatsache, dass wir uns nicht geküsst hatten. Ich hatte einen perfekten Abend gehabt, viel Spaß, es war romantisch und etwas Besonderes gewesen, jedenfalls für mich. Aber ich hatte nicht einmal daran gedacht, dass etwas fehlte. Ich konnte nicht anders, als ständig daran zu denken. Wann hatte ich Thomas das letzte mal richtig geküsst, so, dass es mehr als nur eine kurze Berührung von Lippen gewesen war? Nicht nur ein flüchtiger Gute-Nacht-Kuss auf die Stirn? Ich konnte mich eigentlich nicht daran erinnern.

Ich kaute nachdenklich auf meinem Bleistift und blätterte verloren in meinem Wörterbuch. Woher sollte ich denn wissen, ob das normal war? Und was zu Hölle war ein „assis"?

Die Türe zum Aufenthaltsraum, der momentan ziemlich leer und dementsprechend leise war, wurde aufgerissen, und eine größere Gruppe von Schülern platzte herein.

Ihre Stimmen hallten im weitläufige Zimmer wieder, das nun plötzlich viel lebendiger war. Ich konnte Lou lachen hören, und blickte rechtzeitig über meine Schulter, um zu sehen, wie sie und ihre Freunde, darunter Valentin, Jamie und Maja, sich im Zentrum des Raumes um den neumodische gläserner Kamin in Sesseln fallen ließen.

Ich saß im hinteren Teil des Raumes, fast vollständig hinter der hohen Lehne eines Stuhls und den Büchern um mich herum verborgen. Für einen Moment überlegte ich, ob ich meine Aufgaben auf später verschieben und mich zu ihnen gesellen sollte, aber ich entschied mich dagegen. Sie wirkten glücklich, und ich war nicht wirklich in der Stimmung für Scherze und Smalltalk. Und Lous Fragen, das war etwas, das ich vermeiden wollte. Auch wenn sie es nur gut meinte. Ich musste erst einmal selber wissen, was mit mir los war.

Leise seufzend starrte ich in mein Heft. Die Sätze schienen einfach keinen Sinn zu ergeben, und konnte nicht anders, als den anderen zuzuhören, wie sie fröhlich miteinander plauderten.

„Hast du die neuen Gemeinschaftsküchen schon gesehen, Val? Sind nicht schlecht geworden, aber Mark und Lara haben es geschafft, den Feueralarm mit Popcorn in der Mikrowelle auszulösen, stell dir das einmal vor!"

„Oh, Maja, das steht dir super! Richtig gruselig, genau wie es sich gehört! Bloody Mary, richtig? Warte, bis du mein Kleid siehst. Weißt du was Lou tragen wird? Ist ja ihr Geburtstag, nicht wahr?"

Ich lächelte. Genau, es war bald Halloween. Nur noch eine Woche, dann würde das nächste große Event der Badboy Academy starten. Die Halloween-Party, für die Lou und ich schon vor Monaten unsere Outfits bestellt hatten. Ob die inzwischen schon da waren? Bestimmt.

Jemand tippte mir auf die Schulter, plötzlich, und ich zuckte zusammen. Klirrend landete mein Stift auf dem Boden, und mein Wörterbuch balancierte für einen Moment auf der Tischkante, bevor es ebenfalls abstürzte.

„Hallo Prinzessin, wie geht's?"; Fragte mich Jamie, lässig gegen das Regal hinter mir gelehnt, und für einen Moment blieben mir meine Worte im Halse stecken. Er trug ein weißes Hemd, das im Kontrast mit seiner braun gebrannten Haut fast zu strahlen schien. Die ersten paar Knöpfe standen offen, und man brauchte nicht viel Vorstellungskraft, um sich auszumalen, wie es darunter aussah. Mein Mund wurde trocken, noch während ich versuchte, mit dem Starren aufzuhören. Der Stoff ließ Jamies muskulösen Schultern und Arme noch beeindruckender aussehen, als sie es eigentlich... Halt, unterbrach ich mich innerlich selbst. Diese Gedanken konnte ich ganz schnell wieder vergessen,

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