Sobald die Türe hinter ihm ins Schloss gefallen war, brach die Hölle los. "Hast du das gesehen?", brüllte Jenny atemlos in mein Ohr, und sie war nicht die Einzige, die ihre Erstaunen und ihre Empörung über das, was gerade geschehen war, lautstark ausdruckte. Es war ein bisschen unheimlich, wie sehr alle sich aufzuregen schienen. Ich war nur vage überrascht - ich hatte zwar die Puzzelteile gehabt - den Lous Lippenstift an Simons Kragen, die Blicke zwischen den beiden, Simon, der bei uns im Zimmer duschte - lauter Hinweise, die ich zwar gesehen, aber nicht weiter beachtet hatte. Ich hätte es wissen können, ja, aber selbst wenn ich mir zusammengereimt hätte, dass die beiden eine Affaire gehabt hatten, was hätte ich denn schon tun können?
Maja flüsterte Hannah etwas zu, und dann verließen auch diese beiden eilig unseren Tisch. Jetzt waren nur noch Jenny und ich übrig. Ich starrte auf mein Frühstückstablett und musste feststellen, dass ich keinen Hunger mehr hatte. Ich kannte Maja zwar nicht wirklich, aber sie hatte dieses ganze Drama wirklich nicht verdient. Unwillkürlich musste ich an meine eigene Beziehung denken, die wohl auch vorbei war, wenn auch noch nicht offiziell. Wenigstens würde Thomas soetwas nicht machen, nicht vor allen Leuten. Jedenfalls glaubte ich das. Zumindest so weit vertraute ich ihm noch, trotz allem.
Jenny neben mir vibrierte beinahe vor unterdrücktem Enthusiasmus. "Wusstest da etwa davon, Ani? Warum hast du mir nichts erzählt! Was für eine Geschichte!" Als ich nur betroffen den Kopf schüttelte, zuckte sie mit den Schultern und sah mich mit Feuer in ihren Augen an. "Ehrlich, das ist doch Wahnsinn, dass wir das so live miterlebt haben! Ganz aus der Nähe! Ich muss das Olivia erzählen, bis später!"
Dann saß ich alleine da und rührte in meinem Kaffee. Es war immer noch laut, aber nicht mehr so ohrenbetäubend, wie es noch vor einigen Minuten gewesen war. Ich seufzte leise vor mich hin. Wenigstens war die Tatsache, dass Jamie mir meinen Freund ausgespannt hatte bestimmt nicht mehr Gesprächsthema Nummer Eins an der Badboy Academy. Ja, wenigstens das. Irgendwie fühlte ich mich schlecht, dass ich dem ganzen eine positive Seite abgewinnen konnte.
Ohne mich noch einmal umzusehen räumte ich die Reste meines Frühstücks weg und verließ den Speisesaal. Grauer Regen prasselte gegen die Fenster, als ich die Stiegen in den dritten Stock hinaufstieg. Vor meiner Zimmertür hielt ich kurz inne und atmete tief durch. Dann erst öffnete ich. Der Wohnraum sah dem, den ich mir die ersten Monate hier mit Lou geteilt hatte, eigentlich zum Verwechseln ähnlich. Ein großes Fenster an der Stirnseite, das einen ziemlich beeindruckenden Ausblick über das Gelände der Schule bot, schlichte, aber moderne Möbel, zwei Türen, die ins Bad und ins Schlafzimmer führten. Der einzige wirkliche Unterschied war, dass die Akzente in gelb und nicht in blau gehalten waren. Das, und der schwarzhaarige Junge, der auf dem Sofa saß und aus dem Fenster sah.
Oh.
Draußen regnete es immer noch, und für eine Weile was das leise Klopfen der Tropfen das einzige, was man in unserem Zimmer hörte. Ich wusste einfach nicht, was ich sagen sollte. Er trug noch immer das hellgraue Shirt, und die Ledejack lag neben ihm. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen, er hatte sich nicht einmal umgedreht, als ich herein gekommen war.
Schließlich hielt ich es nicht mehr aus, unschlüssig inmitten meines eigenen Zimmers herumzustehen. Ich würde die nächsten zwei Wochen hier leben, wohl oder übel. Im Stillen verfluchte ich die Zimmertausch-Aktion, und diejenigen, die sich diesen Schwachsinn ausgedacht hatten. Dann nahm ich meinen Mut zusammen.
"Hi, Simon", sagte ich vorsichtig. "Wie geht's?" Gleich nachdem die Worte meinen Mund verlassen hatten, wollte ich mir selbst eine Ohrfeige verpassen. Was sollte denn das für eine blöde Frage sein? Es war ja nicht so als hätte er sich gerade vor allen Leuten von seiner Freundin getrennt, und sich dann eine Abfuhr von seiner Affäre geholt.
"Ani, hey", antwortete er einen Moment später, und seine Stimme klang brüchig. Weinte er etwa? Ich trat ein bisschen näher und ließ mich auf der Lehne der Couch nieder. Er wischte sich eilig mit der Hand über die Augen, dann drehte er sich zu mir. Sein Blick war merkwürdig leer.
"Was willst du, dass ich dir sage? Dass es mir leid tut? Weißt du was, das wäre eine Lüge. Ich hab soviel Scheiße gebaut, in den letzten beiden Jahren. Soviel Zeug gemacht, dass ich jetzt bereue. Aber wenigstens ist es jetzt vorbei. Jetzt ist alles heraußen. Keine Geheimnisse mehr."
Keine Geheimnisse mehr. Ich fragte mich, ob Thomas das wohl auch so sah. Ob er erleichtert war. Kein Verstecken mehr, keine falsche Zuneigung, kein gespieltes Vertrauen, sondern endlich die Wirklichkeit. Ich wusste, dass Jamie es so sah. Er hatte gewonnen, endlich. Wenn Jenny recht gehabt hatte, dann hatte er jahrelang versucht, den Blonden zu verführen. Bei Simon lag die Sache gerade andersherum: er hatte auf einen Schlag alles verloren.
Er lachte bitter auf. Eine Träne lief über seine Wange, und er wischte sie eilig, fast ärgerlich weg. "Das ist doch gut, oder?", meinte ich und versuchte, beruhigend zu klingen.
"Das glaubst du doch wohl selber nicht. Das ist das Schlimmste", brachte er trocken hervor. Der Wind peitschte den Regen für einen Moment stärker gegen die Fensterscheibe.
Simon hatte gewusst, dass es dazu kommen konnte. Er hatte sich nicht sicher sein können, ob Lou ihn zurücknehmen würde, oder ob Maja ihm verzeihen würde. Die beiden Mädchen hatten offensichtlich beide nichts von seinem Plan geahnt. Er hatte nicht gewusst, was passieren würde, aber er hatte trotzdem alle Karten auf den Tisch gelegt - und verloren.
Ich hatte Thomas gern gehabt, aber ich hatte ihn nicht geliebt. Ich hätte es wohl noch gelernt, wenn wir mehr Zeit miteinander verbracht hätten. Vielleicht war es deswegen einfacher, zu akzeptieren, dass er jemand anderes gefunden hatte. Trotzdem, ich fühlte mich gebraucht und einsam, wie eine billige Tarnung, die er, sobald er etwas anderes, besseres, gefunden hatte, aufgegeben hatte. Ich war genau so allein, wie Simon es jetzt war.
Eine Weile schwiegen wir uns an. Ich stand auf und holte eine Packung Taschentücher, bevor ich es mir wieder auf dem Sofa bequem machte. Wortlos hielt ich sie meinem neuen Zimmerkameraden hin.
Er nahm sie dankbar an. "Du siehst auch nicht gerade glücklich aus", bemerkte er abwesend. Jetzt lag es an mir, eine Grimasse zu ziehen. "Thomas hat mich betrogen. Wir haben noch nicht geredet, aber... ich glaube, es ist aus." Das auszusprechen tat weh, ein scharfes Stechen in meiner Brust. Irgendwie kamen mir jetzt doch die Tränen. Fantastisch, dabei hatte ich mich bis jetzt eigentlich ganz gut unter Kontrolle gehabt, aber jetzt wollte ich mich einfach nur noch auf mein Bett werfen und in mein Kissen weinen. Oder einen richtig schönen Wutanfall bekommen.
"Oh. Sorry, dass ich gefragt habe", sagte Simon mitleidig. Ich fischte die Taschentuchpackung aus seinen Händen, nahm eines heraus und schneutzte mich geräuschvoll. Jetzt, wo ich einmal angefangen hatte, konnte ich garnicht mehr aufhören. "Wow, wir sind vielleicht ein trauriges Duo", murmelte ich zwischen zwei Schluchzern. "Ja voll, wir sollten einen Club der gebrochenen Herzen aufmachen", stimmte mir der Schwarzhaarige zu. Auch er weinte.
"Wie seltsam", dachte ich mir, während Simon und ich so nebeneinander saßen, jeder mit den eigenen Tränen befasst. "Eigentlich ist er der Böse in der Beziehung gewesen: Er hat Maja betrogen, nicht sie ihn." Und trotzdem empfand ich so etwas wie Mitleid für ihn. Ich hatte keine Worte für diese schräge Situation, in der ich mich befand. Die Grenzen zwischen richtig und falsch waren verwischt, eigentlich unkenntlich gemacht. In Wirklichkeit wusste ich ja selber nicht, was ich noch glauben sollte.
Aber wenigstens war ich nicht allein.
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Badboy Academy
RomanceDie Badboy Academy - eine Eliteschule für die Reichen und Schönen des Landes. Annika weiß nicht wie sie hier gelandet ist. Und zwischen Badboys und schwarzen Kleidern, die bis zur Mitte der Oberschenkel reichen wird sie wahre Freunde finden - das, u...