55. Von Dreiecksbeziehungen und Drama

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"Es tut mir echt leid, Ani. Alles okay?", murmelte Jenny, und legte einen Arm um mich. Wir saßen nebeneinander auf den Stiegen in den dritten Stock, und ich starrte an die in einem freundlichen Gelb gestrichene Wand und fragte mich, was ich nur falsch gemacht hatte, um das alles zu verdienen. Ich war in eine Sache geraten, die ich nicht verstanden hatte, zwischen zwei Typen, die ihre eigenen Spielchen spielten, und hatte die ganze Zeit über keine Ahnung gehabt.

Ich weinte nicht. Wozu auch? Ich fühlte mich nicht wirklich traurig, nur verletzt. Ich hatte Thomas gerne gehabt, selbst wenn ich ihn vielleicht nicht wirklich geliebt hatte. Er war immer so nett gewesen! Stark, freundlich, zuvorkommend und ein echter Gentleman. Jemand, dem man vertrauen konnte. Unwillkürlich fragte ich mich, ob auch er sich verstellt hatte, so wie Jamie es immer tat. Ob ich den wahren Thomas überhaupt kennengelernt hatte.

Es half alles nichts. Meine Gefühle waren verletzt, Jamie und Thomas hatten mich beide gleichermaßen als Mittel zum Zweck gebraucht, und ich hatte nichts geahnt, bis ich die beiden auf frischer Tat ertappt hatte. Soviel dazu.

"Danke, dass du mir das erzählt hast, Jenny. Aber weißt du was, ich will jetzt wirklich nicht drüber reden. Können wir einfach meine Sachen raufbringen und dann frühstücken gehen? Ich bin ziemlich hungrig." Das war eine Lüge, aber das beste, was mir gerade einfiel. Sie hatte sich zwar entschuldigt, und ich hatte ihr auch ein Stück weit vergeben, aber trotzdem vertraute ich Jenny nicht genug, um ihr sofort wieder alles zu erzählen. Außerdem, ich sollte vielleicht vorher offiziell mit Thomas Schluss machen. Wenigstens das schuldete er mir.


*+*+*+*


Im Speisesaal war erstaunlich viel los, dafür, dass es schon recht spät für ein Frühstück war. Jenny und ich brauchten eine Weile, bis wir unsere Tabletts gefüllt hatten. Ich steuerte zu meinem üblichen Tisch, an dem Maja, Lou und Hannah saßen. Keiner der üblichen Jungs, weder Simon noch Thomas, Jamie oder Valentin waren da, und das war mir eigentlich nur recht - das einzige, was ich jetzt wollte, war ein ruhiges Frühstück. Wenn ich gewusst hätte, was sich hier in den nächsten Minuten alles abspielen würde, dann hätte ich aufs Essen verzichtet und wäre gleich wieder gegangen.

So aber machte ich mich mit Enthusiasmus über mein Rührei her. Heute schmeckte es mir noch besser als sonst, wahrscheinlich einfach, weil ich hungrig war. Meine Portion war riesig, jedenfalls im Vergleich zu dem Häppchen, dass sich Jenny gegönnt hatte, aber das war mir im Moment einfach egal.

Maja, Lou und Hannah redeten schon über Weihnachten, und was sie in den Ferien alles machen würden. Ehrlich, wir hatten doch quasi gestern erst Halloween gehabt! Die Deko war noch nicht mal wirklich weggeräumt, und trotzdem planten die Mädchen schon die nächste Party, den "Weihnachtsball". Jenny klinkte sich sofort in die Konversation ein, während ich nur halb zuhörte, ohne meiner Umgebung besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

Plötzlich wurde es beinahe still in der weitläufigen Halle, die der Badboy Academy als Frühstückssaal diente, und ein Raunen ging durch die Menge, das mir seltsam vorkam. Alamiert sah ich auf, und bemerkte sofort, was, oder besser wer, alle so in Aufruhr versetzt hatte.

Sein schwarzes Haar war wild und ungeordnet, aber auf eine Art und Weise, die gewollt aussah. Er trug ein enges hellgraues Shirt mit V-Ausschnitt, drüber eine schwarze Jederjacke, und Jeans in der selben Farbe. Sein Gesicht war ernst, aber seine Augen strahlten etwas aus, so eine Art von Entschlossenheit und Sicherheit, und allein die Art, wie er sich seinen Weg zwischen den Tischen hindurch bahnte, ließ keinen Zweifel zu, dass er wusste, was er wollte. Das allein wäre aber an der Academy nicht so erstaunlich gewesen.

Nein, was seinen Auftritt so auffallend machte, das war der riesige Strauß tiefrote Rosen, die er in seinen Händen trug. Und er kam direkt auf unseren Tisch zu.

Maja schlug die Hände vor den Mund, soetwas wie Panik in ihren Augen, und Hannah an ihrer Seite wirkte mindestens ebenso überracht wie sie. Lou lächelte nur geheimnissvoll in sich hinein, vielleicht ein bisschen wehmütig. Jenny packte mich am Arm und wisperte in mein Ohr "Was soll das? Hast du davon gewusst? Das ist ja so süß." Ich schüttelte stumm den Kopf.

"Maja", sagte Simon, und seine Stimme war kühler und gelassener, als ich das erwartet hatte. "Ich glaube, wir müssen reden." Mir stockte der Atem. Er würde doch nicht...?

"Als wir uns kennen gelernt haben, an diesem einen Abend, da habe ich mein Glück garnicht fassen können. Wir hatten uns so viel zu sagen, so viel gemeinsam. Für die ersten Monate waren wir ein Herz und eine Seele. Du hast mir vertraut, und ich dir. Wir hatten eine schöne Zeit. Aber in den letzten Monaten haben wir selten die Dinge mit den selben Augen gesehen. Wir haben uns eins ums andere Mal versöhnt, aber es war nicht mehr so wie früher. Und ich glaube, das wird es auch nicht mehr. Dafür sind wir zu unterschiedlich geworden. Wir haben uns auseinander gelebt, und ich bin daran mehr schuld als du."

Ich sah zu Maja. Sie weinte nicht, wie ich das getan hätte, sondern sah ihn nur aufmerksam an. Abwartend. "Sie hat geahnt, dass Simon ihr nichts Gutes sagen wird", fuhr es mir durch den Kopf.

"Wir hatten eine schöne Zeit", sagte das rothaarige Mädchen sanft, und Simon nickte. "Es tut mir leid, Maja, dass sie so enden musste." Ich war irgendwie erschüttert, fühlte mich aus der Bahn geworfen. Ja, ich hatte gewusst, dass sie Probleme gehabt hatte, und nicht alles so Friede-Freude-Eierkuchen-mäßig war zwischen den beiden, aber dass sie sie trennen würden, und noch dazu so öffentlich? Nein, das hatte ich nicht erwartet. Auch nicht, das Maja, die so sehr an Simon gehangen hatte, ihn so einfach ziehen lassen würde. Als ich sie jetzt aber so betrachtete, war sie eher erleichtert als traurig, dass es aus war.

Simon sah sie noch einmal an, lange und durchdringend, dann atmete er tief durch, und ein anderer Ausdruck trat in seine Augen. Schärfer, und vielleicht ein bisschen verzweifelt. Er sah für einen Moment auf den perfekten Rosenstrauß in seiner Hand und atmete tief durch.

Sein Blick suchte unseren Tisch ab, und blieb dann an Lou hängen, die zwischen Hannah und mir saß. Sie hatte immer noch dieses leichte, stille Lächeln auf den Lippen, und ein leiser Verdacht machte sich in mir breit.

"Ich liebe eine andere", brach es da aus Simon heraus. "Schon seit Jahren, vielleicht schon immer. Ich wusste solange nicht was ich wollte, aber ich weiß jetzt, dass eine Affäre nie genug sein kann. Es war ein Fehler, eine Beziehung zu beginnen. Mir war nicht klar, wie unmöglich es war, ohne dich. Es war ein Fehler, und ich will es jetzt besser machen. Louanne, ich liebe dich. Ich kann mir keine andere an meiner Seite vorstellen."

Das Murmeln der anderen Schüler schwoll an zu einem alles übertönenden Rauschen. Ich starrte überrascht zu Simon, während Jenny mir irgendetwas zuflüsterte, das ich garnicht wirklich hörte. Lou lächelt immer noch. Maja hingegen schien aus allen Wolken zu fallen. Ihr Freund, mit dem sie Jahre zusammen gewesen war, hatte mit ihr Schluss gemacht, aber der Verrat, den ihre beste Freundin begangen hatte, wog ungleich schwerer. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie sie sich fühlte.

Die Französin stand langsam auf, und ich rutschte schnell zur Seite, damit sie an mir und Jenny vorbei konnte. Sie trug einen kurzen schwarzen Bleistiftrock und ein schwarzweiß gestreifte Bluse mit herzförmigem Ausschnitt, und der tiefrote Lippenstift komplettierte ihr Outfit. Zwei Schritte, in denen ihre High Heels auf dem Boden klackerten, dann stand sie vor Simon.

"Du denkst, es ist so einfach? Du machst eine große Geste, und dann gehöre ich dir? Vraiment? Ich hätte besseres erwartet." Simon öffnete den Mund, wohl um etwas zu sagen, aber Lou lächelte nur süßlich und hielt warnend den Zeigefinger hoch. Sie war noch nicht fertig, und würde sich nicht unterbrechen lassen.

"Du hast mich schon einmal verlassen. Für meine beste Freundin, tu te souviens? Du hast deine Wahl getroffen, du kannst nie wieder mehr als ein Lover sein, mein Badboy, nichts weiter. C'est logique, non? Du kannst mir meine Nächte versüßen, aber nicht mein Freund sein, nie wieder, jamais. Das war klar, als du dich für Maja entschieden hast. Du hast deine Wahl getroffen, und ich meine. Leb damit. Ich werde es auch tun. Au revoir, mon cher. Au revoir." Lou warf ihre kastanienbraune Haarmähne über die Schulter, lächelte ein letztes, sarkastisches Lächeln und verließ dann mit langen Schritten die Halle.

Es herrschte Totenstille. Maja hatte Tränen in den Augen, Hannah neben ihr sah genau so wütend wie entsetzt aus.

Simon ließ den Rosenstrauß fallen, drehte langsam um. Dann ging auch er.

Übrig blieb nichts, als die blutroten Blüten, die sich über den Boden des Speisesaals verteilten.

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