37. Schultage

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Wieder einmal stand ich vor einer geschlossenen Zimmertür und musste meinen Mut erst sammeln, bevor ich sie aufmachte. Dahinter lauerte schließlich mein neuer, mystriöser Zimmergenosse, der zu allem Überfluss auch noch heiß war, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Und er hatte mich einfach rein zufällig beim Umziehen beobachtet. Wenn ich gekonnt hätte, dann hätte ich einfach bei Thomas übernachtet.

Aber das ging natürlich nicht, und jetzt was ich hier, bereit, dem Typen wieder unter die Augen zu treten. Ich stand immer noch unschlüssig im Flur herum, als ich hinter der Tür Stimmen hörte, lachende Stimmen. Nanu? Hatte der namenlose Schönling etwa Besuch?

Schon hatte ich ein Bild vor Augen: Mein Zimmergenosse und seine Freunde, hämisch lachend und sich königlich amüsierend während sie meine - zugegeben eher langweilige -  Unterwäsche kommentierten und sich langsam durch meine Sachen wühlten! Oh nein, das konnte doch nicht war sein! Soetwas machte doch keiner. Oder? Irgendwie traute ich ihm das zu.


Entschlossen riss ich die Tür auf - und fiel beinahe Jamie in die Arme, der die Hand ebenfalls nach der Klinke ausgestreckt hatte und dem ich nur eine Sekunde zuvor gekommen war. Ich starrte ihn entgeistert an. "Prinzessin, schon zurück von deinem Ausritt?", begrüßte er mich mit einem so dreckigen Grinsen, dass allen klar sein musste, dass er alles andere als einen Ritt auf einem Pferd meinte. "Jamie? Was tust du denn hier?", brachte ich nur verdattert hervor.

"Hey, kann ich nicht einmal nach meinem großen Brüderchen sehen, ohne dass sich alle fragen, was ich plane? Ich fühle mich zu tiefst gekränkt von all diesen ungerechtfertigten Anschuldigungen! Vor allem von dir, Ani, hätte ich das doch nie erwartet!", entgegnete dieser, gespielt beleidigt und mit grandioser Geste.

Ich stutzte. Sein Bruder? Den hatte er nie erwähnt! Oder war das eine weitere von seinen Komödien, die kein Körnchen Wahrheit in sich hatten?

Jetzt meldete sich auch mein Zimmerkollege zu Wort, der sich auf der Couch ausgestreckt hatte und unseren Austausch mit Interesse verfolgt hatte: "So, James, kannst du dich jetzt endlich verziehen? Ich kann dir ja auch nicht mit deinen Jungs-Problemen helfen, so leid es mir tut."

"Aber Valiiiii", maulte Jamie, "Du bist mein großer Bruder, du musst versuchen mir zu helfen."

"Jaja, mach ich ja. Und nenn' mich nicht so!", rief ihm der noch hinterher, aber sein Bruder war schon dabei, sich an mir vorbei zu schieben und den Gang hinunter zu schlendern. Ich sah ihm  einen Moment nach, dann schloss ich die Türe.

"Was starrst du mich so an?", kam es da von dem Typen, der mir einen ungnädigen Blick schenkte. "Ich wusste nicht, dass Jamie dein Bruder ist, Vali "; sagte ich grinsend.

"Mein Name ist Valentin, und das weißt du genau. Vali ist ein kleines Mädchen!", empörte er sich und sprang von Sofa auf. "Ist ja schlimm genug, dass Jamie damit nicht aufhört, aber du hast überhaupt kein Recht, jetzt damit anzufangen!"

Hey, ich hatte seinen Namen. Perfekt! Ich kicherte ausgelassen: "Was auch immer du sagst ... Vali!"


*+*+*


Das Leben mit Valentin wurde von Tag zu Tag besser - oder wenigstens weniger nervig. Er sprühte immer noch Deo überall hin, als wäre es lebensnotwendig, und zweilen landete seine schmutzige Wäsche nicht im Wäschekorb, sondern auf dem Boden, wo ich dann darüber stolpern konnte, aber sonst war es definitiv nicht schlecht. Er war eher schweigsam und gab nur von Zeit zu Zeit trockene Kommentare von sich, und manchmal fühlte ich, dass er mich beobachtete, wenn ich meine Hausaufgaben machte oder meine Wäsche in den Kasten räumte. Er war ein passabler Zimmerkammerade, aber Lou fehlte mir trotzdem. 

Jamie hingegen war ein ganz anderes Problem. Ihn konnte ich einfach garnicht mehr einschätzen.

Mittwoch Morgen ließ ich mich neben Jenny auf meinen Platz im Matheklassenzimmer fallen - und wurde sofort von meiner Freundin ins Visier genommen. "Du", zischte sie als Begrüßung. "Was zum Teufel hast du mit Jamie gemacht?"

Ich war ehrlich verwirrt, bis mir einfiel, dass Lou beim gestrigen Frühstück angedeutet hatte, dass ich nächtlichen Besuch gehabt hatte. Stimmte ja auch - nur nicht so, wie die Gerüchteküche das interpretierte. Irgendwer hatte wohl Jamies Abgang mitbekommen, und das nicht für sich behalten. Die Story war eben zu gut - nicht nur Simon, sondern auch Jamie in meinem Bett, und das so kurz nacheinander, und während ich auch noch Thomas um meinen kleinen Finger gewickelt hatte.

Und Jenny wollte nun wissen, was los war. Mist.

Während ich nach einer befriedigenden, kurzen Antwort suchte, die dann auch noch keine große Lüge war, wurde mir nur zu deutlich bewusst, wie sich die anderen Schüler, die um uns an den Tischen saßen, bemühten, unser Gespräch mit anzuhören. Es war gerade zu verdächtig still. Egal, was ich sagen würde, späterstens morgen würden alle davon wissen, sogar Jamie selbst.

"Ich weiß auch nicht was mit ihm los ist, wir wollten bloß die Latein-Hausaufgaben zusammen machen, und dann haben wir halt noch geredet. Es war schon spät, und dann ist Lou heimgekommen und er ist gegangen. Das ist alles", sagte ich mit gedämpfter Stimme. Das war ja nicht einmal gelogen, da konnte mir Jenny hoffentlich keinen Strick draus drehen.

Sie lächelte mich schmallippig an und dann fragte sie pickiert: "Und wenn ihr nur gelernt habt, warum hat er dann geduscht? War das soooo anstrengend? Oder ist das eher eure "Sportliche Aktivität" des Tages gewesen? Was würde denn Thomas zu eurer privaten Lerngruppe sagen?".

Ich wollte am liebsten meinen Kopf gegen den Tisch schlagen. Das war der dümmste pseudo-fiese Kommentar über mein Liebesleben, den ich seit längerem gehört hatte. "Komm, Jenny, das ist einfach nur dämlich", versuchte ich, das Thema zu wechseln.

Sie schüttelte ihren Kopf, dass ihre kurzen braunen Haare nur so um sie flogen, und schenkte mir einen undeutbaren Blick. "Wenn du meinst...", sagte sie verschnupft, und ich atmete erleichtert auf. Sie war so auf Jamie fixiert, selbst nach der Party des Kennenlernwochenendes, wo er sie hatte einfach so sitzen lassen. Das konnte unmöglich so weiter gehen. Vielleicht kannte Thomas irgendeinen netten Typen, der sich mit ihr treffen würde.

Die Türe öffnete sich, und die Lehrerin betrat den Raum. Wenigstens blieben mir weitere Konversationen mit Jenny einstweilen erspart.


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