Es war mittlerweile draußen dämmrig worden, und ich hatte kein Licht angemacht.
"Hallo?", fragte ich in die Dunkelheit. Meine Stimme klang brüchig, und ich räusperte mich hastig. Ich wollte gar nicht wissen, wie ich grade aussah. Nur so viel, mit Jennys puppengleicher Grazie hatte ich momentan wahrscheinlich kein großartige Ähnlichkeit.
"Darf ich reinkommen?", kam es von draußen. Es war Valentin. Ich seufzte leise, dann schälte ich mich aus meiner Decke und öffnete ihm die Schlafzimmertür, statt das Unvermeidliche noch heraus zu zögern. Er trug Sportklamotten, ein Shirt mit dem Logo der Academy und eine Jogginghose, und seine kurzen dunkelbraunen Haare waren nass, als hätte er gerade geduscht.
Mein Mitbewohner suchte sich frische Sachen aus seinem Schrank, und verschwand für einen Moment ins Bad. Ich zog mich wieder auf mein Bett zurück und lauschte seinen Schritten im Wohnzimmer. Ich seuftzte leise und zog mir meine Bettdecke zurecht. Dieses ganze Drama machte mir langsam wirklich zu schaffen. Klar, die Schule war toll, und prestigeträchtig und teuer, aber das hieß nicht, dass mir deswegen gefallen musste, wie die Leute hier miteinander umgingen. Ich hatte Jenny als ein freundliches Mädchen kennengelernt. Klar, es war auch ihre eigene Schuld, wen sie sich als Freundinnen aussuchte, und wie sie sich benahm, aber irgendwie glaubte ich nicht, dass sie von allein so gehässig und falsch geworden war.
"Hey", sagte Valentin, und ich blickte auf. Er stand etwas unschlüssig an den Türrahmen gelehnt, wie als wäre er nicht sicher, ob er reinkommen oder lieber im Wohnzimmer bleiben sollte. Ich lächelte ihn ein bisschen gequält an. "Wie war das Training?", fragte ich. Er hatte mir gesagt, dass er heute Sport machte, aber was genau hatte ich mir nicht gemerkt.
"Gut. Nach deinem Tag brauch' ich wohl eher nicht zu fragen", merkte er mit einem Blick auf meine Taschentücher, die Schokolade und meine wohl noch vom Weinen geröteten Augen an. Ich schüttelte den Kopf.
"Jamie hat mir deine Sachen gegeben. Er hat auch gemeint, dass du dir keine Gedanken über Jenny machen solltest. Sie ist nur so gehässig, weil sie neidisch ist", rezitierte er mit mehr als nur einer Prise Sarkasmus in der Stimme. Ich lachte trocken auf. Seine unglaublich nutzlosen Ratschläge hätte sich Jamie durchaus schenken können - jetzt war es sowieso schon zu spät. Wieder einmal.
In letzter Zeit schien in meinem Leben wirklich nichts nach Plan zu laufen. Ich schlang die Arme um meine Beine und legte mein Kinn auf meine Knie. Ich wollte dieses Zimmer nie wieder verlassen. Ich hatte genug von all diesen falschen Freunden, Gerüchten und Hinterlistigkeiten.
Valentin zögerte kurz, dann setzte er sich neben mich aufs Bett. Nicht zu nahe, so, dass eine Handbreit Platz zwischen uns blieb. Trotzdem, ich war nicht mehr allein, und das zählte.
Eine Weile herrschte Stille. Ich wollte nicht darüber reden, was heute passiert war. Die Kluft, die sich zwischen mir und Jenny aufgetan hatte war noch zu frisch. Valentin war nicht der Typ für Smalltalk und belangloses Geplauder.
Schließlich drehte ich mich zu meinem Mitbewohner. Ich hatte genug geschwiegen und mich in Selbstmitleid gesuhlt. Jetzt wollte ich einfach nur vergessen. Also brach ich die Stille.
"Hey, was hältst du davon wenn wir einen Filmabend machen? Ich hab auf jeden Fall keine Lust, heute nochmal da raus zu gehen", schlug ich vor, und deutete in Richtung Tür. Innerlich hoffte ich, dass er ja sagte - alleine sein stand momentan ganz oben auf meiner Liste, von Dingen, die ich nicht tun wollte.
Valentin sah mich überrascht an. "Klar, warum nicht", meinte er kurz angebunden und stand auf. "Ich hol' uns Snacks aus der Küche, dann kann's los gehen. Such du schon mal einen Film aus, mir ist ganz gleich, was wir uns ansehen". Einen Moment später fiel die Tür unseres Zimmers ins Schloss. Ich grinste in mich hinein, und schnappte mir meinen Laptop. Ich wusste schon genau, was wir zuerst schauen würden.
*+*+*+*
Nach zwei Teilen "Natürlich Blond" ging es mir schon viel besser. Ich ließ mich zufrieden noch tiefer in mein Kissen sinken, während der Abspann über den Bildschirm lief. Valentin neben mir klaubte die letzten Popcorn-Reste aus der Schüssel, und grinste mich an
"Na, du siehst mir ja wirklich schon viel besser gelaunt aus, Blondie", meinte er und schnippte ein Popcorn in meine Richtung, das direkt in meinem Ausschnitt landete.
"Hey!", rief ich, und wollte eigentlich empört klingen, kicherte dann aber trotzdem. Aus Rache schnappte ich mir das nächstbeste Kissen, und warf Valentin damit ab - zumindest wollte ich das, aber ich verfehlte ihn um einiges, und mein Polster landete dafür irgendwo am Boden. Einen zweiten hatte ich auch nicht in Giffweite. Schade.
Valentin hatte sich inzwischen sein Handy geangelt und tippte darauf herum. "Weißt du was, wir sollten einen Kuchen backen", meinte er schließlich, nachdem einige Minuten lang Stille geherrscht hatte. Ich starrte ihn an. "Wie, meinst du jetzt?"
Valentin schenkte mir sein schönstes Lächeln, und schälte sich aus seiner Decke. Auffordernd hielt er mir seine Hand hin. "Komm' schon Ani, in der Küche ist bestimmt niemand mehr. Außerdem, überleg doch mal, Kuchen. Nur von Popcorn wird ja niemand satt."
Ich zögerte. Einerseits hatte mein Zimmerpartner recht. Aber... ich sah zu Valentin auf, und vergaß prompt, was ich eigentlich sagen wollte. Seine seelenvollen grünen Augen beobachteten mich aufmerksam, und seine lächelnden Lippen waren irgendwie verheißungsvoll - und ich fühlte mich an das erste Mal erinnert, als ich ihm begegnet war - auch da hatte ich meinen Blick kaum von ihm nehmen können.
Ich atmete einmal tief durch um mich zu beruhigen. Dann griff ich nach Valentins Hand und ließ mich von ihm vom Bett ziehen. Ich weiß nicht, ob er mit etwas mehr Wiederstand gerechnet hatte, oder es wieder einmal an meiner Ungeschicktheit lag, aber mein Zimmerkamerade half mir mit so viel Schwung auf, dass ich danach für einen Moment unsicher auf den Beinen war. Ich umklammerte seine Hand, und versuchte, mein Gleichgewicht wiederzufinden - zu spät. Irgendetwas kam zwischen mich und den Fußboden, und dann gab es kein Halten mehr für mich. Ich stolperte, und fiel.
Mir entfuhr ein halblauter Schrei, und ich schloss die Augen, während ich reflexartig versuchte, meinen Sturz noch irgendwie abzufedern. Doch der Aufprall kam nicht. Stattdessen schlossen sich starke Arme um mich, und ich konnte plötzlich ganz aus der Nähe bestätigen, wie hart Valentins Brust tatsächlich war.
"Hey, immer langsam, der Kuchen läuft uns schon nicht davon", meinte er amüsiert, und ich konnte spüren, wie sein Lachen den Körper unter mir zum Vibrieren brachte. Die das Blut rauschte in meinen Wangen. Warum musste sowas immer mir passieren? Das war doch nicht fair! Valentin ließ mich vorsichtig los, und ich trat einen Schritt zurück. Auf dem Boden lag das verräterische Kissen, das ich vorher nach ihm hatte werfen wollen. Was für eine Stolperfalle. Ich blickte es finster an. Valentin hatte noch immer nicht aufgehört zu grinsen, aber wenigstens war er weder mitleidig noch hämisch.
Sein Lachen war sogar ansteckend, und irgendwie hatte die Situation auch wirklich eine lustige Seite. "Sorry", meinte ich nur. "Kein Problem, aber vielleicht solltest du dich vom Backofen fernhalten, nur für den Fall", antwortete er, und ich nickte brav, während ich mir noch eine Strickjacke überzog.
Das Licht vom Wohnzimmer fiel in einem breiten Streifen ins halbdunkle Schlafzimmer, und beleuchtete Valentins Silhouette, der an den Türrahmen gelehnt auf mich wartete. Der Abend war noch nicht vorbei, und ihn mit meinem Zimmerpartner zu verbringen war bestimmt nicht das Schlechteste, was ich heute noch tun konnte.
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Badboy Academy
RomanceDie Badboy Academy - eine Eliteschule für die Reichen und Schönen des Landes. Annika weiß nicht wie sie hier gelandet ist. Und zwischen Badboys und schwarzen Kleidern, die bis zur Mitte der Oberschenkel reichen wird sie wahre Freunde finden - das, u...