Ich war gerade dabei, meine zweite Portion Hühnchen mit Reis zu verspeisen, als sich Lou kommentarlos neben mir auf einen Stuhl warf. Sie hatte nicht einmal alibihalber ein Tablett mit Essen bei sich, sondern war ganz offensichtlich da, um mit mir darüber zu reden, was passiert war. Ich schluckte meinen letzten Bisschen und legte dann meine Gabel zur Seite.
Die Französin trug ihre dunkelbraunen Locken heute in einer dramatischen Steckfrisur, und sie war in einen cremefarbenen, enganliegenden Rollkragenpulli und dunkle Jeans gekleidet, ein überraschend dezentes Outfit für ihre Verhältnisse.
Für einen Moment sagte sie nichts, und ich sah sie nur abwartend an. Es musste ihr ernst sein damit, was sie auf dem Herzen hatte, dass sie ihre quirlige Art dafür aufgab. Ich war Lou nicht mehr böse, durchaus nicht. Es war mir garnicht in den Sinn gekommen, dass sie denken konnte, dass ich nun einen langwierigen Groll gegen sie hegte. Aber das war es nicht, ich wollte einfach nicht Teil ihrer Racheaktion sein, das war alles.
"Je suis desolée, chérie, wirklich. Es tut mir leid", meinte die Französin schließlich, und sie klang, als würde sie es wirklich ernst meinen. "Ich... Maja und ich, wir wollten einfach... Simon hat uns beiden das Herz gebrochen, und wir waren beide nicht fair zueinander. Ich hätte nicht gedacht, dass ein Junge unsere Freundschaft so kaputt machen kann, tu vois? Aber ich wollte, wir wollten einfach nur etwas tun, irgendetwas. Uns wehren. Das war wohl eher keine so gute Idee".
Ich lächelte sie an. "Schon okay, Lou. Die Sache mit Simon war furchtbar, aber vielleicht können Maja und du drüber reden? Ich weiß nicht, aber ich glaube, wenn ihr jetzt ehrlich zueinander seid, vielleicht könnt ihr dann wenigstens einen gemeinsamen Punkt finden. So im Streit eine Freundschaft zu beenden, das ist doch..."
Lou unterbrach mich: "Typisch für die Badboy Academy, chérie." Sie lachte bitter auf, und fügte dann hinzu: "Ich weiß wirklich nicht, wie du hier her gekommen bist. Du passt gar nicht zu uns, zu den ganzen Intrigen und Hinterlisten und Betrügereien. Die ganzen Gerüchte!" Ich schüttelte den Kopf. Irgendwie hatte sie recht, diese Seite der Academy war mir fremd. Aber das hieß nicht, dass ich meinen Platz an dieser Schule nicht finden würde. Das hoffte ich zumindest.
Die Französin murmelte noch einmal "Desolée, Chérie", dann lehnte sie sich zu mir hinüber und umarmte mich ganz fest. Ich schlang meine Arme ebenfalls um sie, und war froh, dass wir uns wieder versöhnt hatten. Sobald die Zimmertausch-Aktion zu Ende war, würden wir uns schließlich wieder ein Zimmer teilen, und ich hatte keine Lust, gleich noch mehr Drama zu erleben. Davon hatte ich, so kam es mir jedenfalls vor, für mein ganzes Leben genug.
*+*+*+*
Simon wartete schon in unserem Zimmer auf mich, als ich vorsichtig die Tür aufschloss. Er saß auf der Couch, seinen Laptop auf den Knien, doch sobald er mich näher kommen hörte klappte er den Computer zu und legte ihn beiseite. Sein schwarzes Haar war wild und ungezähmt, und sein schelmisches, offenes Lächeln verlieh ihm eine ganz eigene Anziehungskraft. Ich konnte gut verstehen, dass sowohl Maja als auch Lou gerne mit ihm zusammengewesen waren.
Er wirkte müde, aber nicht schläfrig, so, als wäre er gerade eben erst aufgewacht, obwohl es schon später Nachmittag war. Er erinnerte mich entfernt an eine große Katze, die tut, was sie will, wann immer sie will. Simon hob langsam seine Arme und streckte sich genüsslich. Sein Shirt hob sich, und ich konnte einen schmalen Streifen seines Bauches sehen, von dem ich genau wusste, wie es sich anfühlte, die samtige Haut zu berühren und die Muskeln darunter zu spüren. Ich schluckte trocken, und wurde rot.
"Hi Simon", grüßte ich unsicher. Die Tatsache, dass ich mich nicht genau daran erinnern konnte, was letzte Nacht zwischen uns beiden passiert war, machte mich nervös. Ich legte meine Tasche ab und durquerte den Raum mit schnellen Schritten, um mich am anderen Ende der Couch niederzulassen.
"Hey", sagte er lässig. "Wie geht's?". Er war genau so gelassen und entspannt wie ich nervös war. "Ich... gut.", stammelte ich, und verfluchte mich für meine Unfähigkeit, einen klaren Gedanken fassen zu können. Ich musste mit ihm darüber reden, was gestern passiert war. Das schuldete ich ihm, und Valentin, und mir selbst. Dinge klärten sich schließlich nicht von selbst, egal, wie sehr man sie ignorierte. Das hatte ich in diesem Schuljahr schon gelernt.
Ich atmete also tief durch, dann nahm ich meinen Mut zusammen und sagte: "Wir müssen reden. Über gestern." Mein Herz pochte so schnell, als wäre ich gerade über das ganze Schulgelände gerannt, und das Blut rauschte in meinen Ohren. Meine Wangen mussten feuerrot sein, aber das war mir jetzt egal. Ich wollte das alles nur so schnell wie möglich erledigt haben.
Simon sah mich erstaunt an, nickte aber. "Klar, warum nicht. Also was ich dir gleich sagen kann ist, es war zwar sehr nett, aber ich bin momentan wirklich nicht auf der Suche nach etwas Fixem. Von einer Beziehung ganz zu schweigen." Sein Lächeln war bei den letzten Worten etwas gequält geworden, und ich wusste nur zu gut, warum. Die Geschichte mit Maja und Lou war noch viel zu frisch.
"Okay, ja.... Ich meine, ... ich suche auch nicht... Das heißt, es gibt da jemanden", stotterte ich vor mich hin. Ich wagte es nicht, Simon anzusehen. Jedesmal, wenn ich ich länger als ein paar Sekunden anblickte, erinnerte ich mich an ein anderes Detail unserer gemeinsamen Nacht. Nackte Haut auf nackter Haut. Meine Finger in seinen wilden, seidigen Haaren. Berührungen so leicht, dass sie fast kitzelten.
"Oh, Ani, das wusste ich ja garnicht!", rief er übertrieben überrascht aus. "Was, hast du einen Schwarm? Oder, noch besser, bist du der Schwarm von jemandem? Warum hast du mir nichts erzählt, ich hab dir gestern mein Herz ausgeschüttert und dir mein ganzes Liebesleben vorgejammert, und du hast solche Geheimnisse vor mir? Skandal!"
Er lachte, und ich konnte nicht anders, als miteinzustimmen. Die Spannung, die ich bis jetzt empfunden hatte, fiel langsam von mir ab. Simon erwartete nichts von mir, und das war gut so.
"Aber ehrlich jetzt, wer ist der Glückliche?", fragte mein Zimmerkollege mich, und ich konnte mir ein zufriedenes Lächeln nicht verkneifen, als ich ihm antwortete. "Valentin. Er hat mich heute gefragt, ob ich mit ihm zum Weihnachtsball gehen will, und... naja, wir haben uns geküsst. Ich meine, wir haben noch nicht darüber gesprochen, aber..."
Ich blickte zu Simon, der mir mit wohlwollender Miene zugehört hatte. "Also wenn er dich zum Ball einlädt, dann ist es ihm auf jeden Fall ernst mit dir. Der ist nämlich eine ziemlich große Sache hier, weißt du? Findet im Schlössel hinter dem Hauptgebäude statt, da, wo sonst keiner Zutritt hat. Und wie stehts bei dir, was sagen deine Gefühle?"
Für einen Moment herrschte Stille, während ich versuchte, meine Gedanken zu sortieren. Valentin war besonders für mich, soviel stand fest. "Ich glaube ... das heißt, ich empfinde schon etwas für ihn. Ich glaube, dass wir gut zusammen sein könnten. Ich hoffe es. Valentin... er ist einfach anders, weißt du?"
Simon nickte langsam, und ich glaubte, soetwas wie Wehmut in seinem Blick lesen zu können.
"Ich wünsche euch das Beste, Ani. Ihr seid wirklich ein schönes Paar."
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Badboy Academy
RomanceDie Badboy Academy - eine Eliteschule für die Reichen und Schönen des Landes. Annika weiß nicht wie sie hier gelandet ist. Und zwischen Badboys und schwarzen Kleidern, die bis zur Mitte der Oberschenkel reichen wird sie wahre Freunde finden - das, u...