26. Ein ereignisreicher Morgen

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Als ich aufwachte war ich für einen Moment völlig verwirrt. Es war noch viel zu früh, und normalerweise hatte ich kein Problem damit, mich am Wochenende einfach einmal so richtig auszuschlafen. Trotzdem war ich wach, und es war erst kurz vor sieben. Was hatte mich geweckt? Ich setzte mich in meinem Bett auf und bemerkte, dass ich definitiv nicht mehr müde war, noch einmal einzuschlafen stand also nicht auf dem Programm. 

Ich krabbelte also leise aus meinem Bett, um Lou nicht zu wecken, die tief unter ihrer Decke vergraben war, und trottete in Richtung Badezimmer. Da klopfte es an der Tür, leise, aber nachdrücklich. Ich stutzte. Welcher Irrer würde um so eine Uhrzeit bei uns vorbeischauen? Ob etwas passiert war? Schnell öffnete ich die Türe, und da stand Simon. 

Er sah so aus, als hätte er so gut wie gar nicht geschlafen, er hatte dunkle Ringe unter den Augen und seine schwarzen Haare waren wirr und zerzaust, als hätte er sich wiederholt die Haare gerauft. Ich hatte Simon bisher nur als einen fröhlichen, offenen Menschen kennengelernt und es überraschte mich, ihn so aufgekratzt und gleichzeitig so fertig zu sehen. 

"Simon, hi! Guten Morgen", sagte ich überrascht. Er nickte mir zu und trat zu mir ins Zimmer, wobei er die Türe hinter sich zuzog. "Ich muss mit Lou sprechen", murmeltet er und mit einigen schnellen und zielstrebigen Schritten war er in unserem gemeinsamen Schlafzimmer verschwunden. Ich hörte ihn fluchen, dann flog die Tür wieder auf und Simon stand wieder im Wohnzimmer, das wegen den zugezogenen Vorhängen immer noch im Halbdunkeln lag. "Wo ist Lou, Ani?", fragte er mich, und seine Stimme zitterte leicht, als müsste er sich beherrschen, ruhig zu sprechen. 

Ich zuckte die Schultern. "Keine Ahnung, ich hab eigentlich geglaubt, dass sie hier ist. Ich meine, ich bin ja nicht ihr Kindermädchen, ich passe jetzt nicht genau auf, wann sie das Zimmer verlässt und wann sie zurückkommt". Irgendwie war ich aber trotzdem beunruhigt. Lou und ich waren gestern zur selben Zeit zu Bett gegangen, und sie musste entweder danach noch einmal rausgegangen sein oder heute morgen wirklich früh das Zimmer verlassen haben. Aber warum?

"Warum schreibst du ihr nicht einfach und fragst sie wo sie ist?", schlug ich vorsichtig vor. Für einen Anruf war es wohl noch ein wenig früh, selbst für Lou, die eher eine Frühaufsteherin war, es war schließlich Wochenende, und wer wusste schon, wo und mit wem sie die Nacht verbracht hatte. 

Er schüttelte nur den Kopf. "Ich muss mit ihr reden." Dann ließ er sich auf das kleine Sofa fallen, das neben dem Fenster stand und sagte nach einer kleinen Pause, in der ich unschlüssig im Raum gestanden hatte: "Kann ich vielleicht hier warten, bis Lou zurückkommt? Ich hab nicht wirklich einen anderen Ort, wohin ich gehen könnte."

"Klar, gerne. Ich geh nur mal schnell ins Bad", antwortet ich ohne groß nachzudenken und schlug die Badezimmertür hinter mir zu. Meine Gedanken rasten geradezu, und das so früh am Morgen. Warum tauchte Simon ständig vor unserer Türe auf, um Lou zu sehen? Was wollte er von ihr? Hatte er wieder Probleme mit Maja und wollte, dass meine Zimmerkameradin ihm einen Rat gab, wie er diese lösen könnte oder, dass Lou bei Maja ein gutes Wort für ihn einlegte?

Nachdenklich stieg ich unter die Dusche und versuchte, zu einem logischen Schluss zu kommen, aber irgendwie leuchtete mir keine meiner Überlegungen ein. Ich hatte einfach zu wenige Infos. Klar, ich wusste, dass Maja glaubte, dass Simon sie betrog und Lou und Simon gut befreundet waren. Aber was bedeutete das für die drei?

Schließlich stieg ich aus der Dusche und wickelte mich in ein Handtuch, dann föhnte ich meine Haare. Planlos wie ich war, hatte ich natürlich noch kein Outfit für den Tag mitgebracht, also schlüpfte ich noch einmal in meinen Pyjama und vermied es so, nur mit einem Handtuch an Simon vorbei stolzieren zu müssen. Nun, da hätte ich mir aber auch keine Sorgen machen brauchen, denn er war so in Gedanken versunken, dass er mich nicht einmal wirklich bemerkte.


*+*+*


Schließlich war es schon halb neun, und Lou war immer noch nicht aufgetaucht. Simon war inzwischen auf dem Sofa eingeschlafen, sitzend, und so verdreht, dass ich mich wunderte, wie er in einer solchen Position überhaupt hatte einschlafen können. Ich hatte Lou geschrieben, nur, damit sie vorgewarnt war, falls sie vor dem Frühstück noch ins Zimmer wollte, aber sie hatte mir noch nicht geantwortet. 

Eigentlich war es jetzt Zeit, sich auf den Weg zum Speisesaal zu machen, andererseits wollte ich aber Simon nicht umbedingt allein in unserem Zimmer lassen. Ich nahm mir also vor, ihn noch ein bisschen schlafen zu lassen, er sah wirklich so aus, als würde er das brauchen, aber irgendwann hatte ich dann doch Hunger, und beschloss, ihn aufzuwecken. Es war ja nicht meine Schuld, dass er nichts geschlafen hatte.

Also schlich ich auf Zehenspitzen zum Sofa und stupste ihn versuchshalber mit einem Finger an. Keine Reaktion. Ich stupste seine Schulter noch einmal an, und diesmal verrenket er sich noch ein bisschen, immer noch schlafend, um eine bequemere Position zu finden. Ich musste lächeln. Es sah einfach zu komisch aus, wie er sich auf dem kleinen Sofa zusammengekrümmt hatte, und das noch dazu sitzend. "Simon, wach auf! Simooooooon!", versuchte ich es noch einmal, aber er reagierte nicht. Also rüttelte ich an seiner Schulter, zuerst sachte, und dann, als das keine Resultate brachte, fester. 

Plötzlich schlossen sich seine Finger fest um meine Handgelenke, und er zog mich in seine Richtung, sodass ich stolperte und neben dem Sofa ziemlich unelegant auf meine Knie fiel. "Hey!", protestierte ich, lachend. Das hatte ich jedenfalls nicht erwartet, aber wenigstens war er jetzt wach. "Sorry", murmelte er, und rieb sich verschlafen die Augen. "Was ist denn los? Ist Lou aufgetaucht?".

Ich schüttelte nur den Kopf. "Nein, aber ich will frühstücken, und du kommst mit", stellte ich entschieden fest. Er blinzelte verwirrt, wahrscheinlich war er noch ziemlich müde. "Du brauchst definitiv Kaffee, mit dir ist ja nichts anzufangen!", verkündete ich, und dann zog ich ihn mit auf den Flur.

Mittlerweile kannte ich mich in der Badboy Academy sogar schon soweit aus, dass ich den Weg zum Speisesaal und einigen Klassenräumen ihn Plan fand, und so packte ich Simon, der mehr schlecht als recht hinter mir her schlurfte, am Ärmel und schleifte ihn fröhlich hinter mir her in Richtung Frühstück. Ehrlich, manchmal überraschte mich meine Motivation selbst, aber ich war nun einmal schon länger auf und zweitens auch noch hungrig.

Was ich durch meine gute Laune nicht bemerkte war, dass nicht nur ein Augenpaar uns folgte als wir zusammen Richtung Frühstück zogen. 

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