Endlich! Es war Freitag, und ich hatte auch die letzte zähe Schulstunde hinter mich gebracht. Zufrieden warf ich mich auf mein Bett und atmete tief durch. Lou war zwar da, duschte aber gerade, was am lauten, französischen Gesang, der aus unserem Badezimmer drang, unschwer zu bemerken war.
Meine Schultasche hatte ich nur in eine Ecke geworfen, ich hatte jetzt wirklich keine Lust, mich mit irgendetwas zu befassen, das nur im entferntesten mit Schule zutun hatte, also schnappte ich mir meinen Laptop und Kopfhörer und begann, mir die nächste Folge Pretty Little Liars anzusehen. Ja, das war genau das richtige nach einer Woche, die mir so vorgekommen war, als würde sie nur aus Mathe-, Latein- und Physikstunden zu bestehen. Im übrigen alles Fächer, die ich nicht ausstehen konnte.
Ich hatte vielleicht zwanzig Minuten ferngesehen, als Lou gutgelaunt aus der Dusche kam, ein Handtuch um die noch nassen Haare gewunden. Außerdem trug sie einen flauschigen Rosa Bademantel und schien äußerst zufrieden mit sich selbst. Sie nickte mir lächelnd zu und ihre Lippen formten "Bonjour Cherié", bevor sie sich ihr Outfit zusammensuchte und wieder ins Bad verschwand. Wenig später verließ sie mit einer Sporttasche unter dem Arm unser Zimmer, und ich war alleine. Entspannt lehnte ich mich zurück. Manchmal war es einfach schön, ungestört und allein sein zu können.
Dreißig Sekunden nachdem ich mir das gedacht hatte klopfte jemand an die Türe. Ich hätte es wahrscheinlich nicht gemerkt, da ich ja Kopfhörer aufhatte, aber derjenige, der da vor der Tür stand hämmerte mit ziemlichem Nachdruck dagegen. Ein bisschen genervt - ehrlich, grade da, wo es spannend geworden war! - krabbelte ich aus meinem Bett und tapste ohne Socken - die hatte ich mir aus Comfortgründen im Bett ausgezogen - über den kalten Fußboden durch die offenstehende Türe vom Schlafzimmer in unser kleines "Wohnzimmer" und öffnete ein bisschen ungehalten die Zimmertüre.
Simon starrte mich mit großen Augen an. "Du bist nicht Lou", bemerkte er sofort, und blinzelte verwirrt. Irgendwie schien ihn das aus der Fassung zu bringen, aber ich wusste nicht, warum.
"Richtig", sagte ich, und ich konnte förmlich spüren, wie er sich krampfhaft an meinen Namen zu erinnern versuchte. Anscheinend vergeblich, denn Simon sagte nur, ein wenig verlegen: "Hi. Also, ist Lou da?".
Irgendwie begann mir die Sache Spaß zu machen. Warum suchten immer alle Leute nach Lou? "Nein, die ist gerade gegangen. Wohin weiß ich nicht." Simon schenkte mir ein gequältes Lächeln und fuhr sich mit einer fahrigen Bewegung durch sein schwarzes Haar. "Okay", sagte er nach einer kurzen Pause. "Danke. Bis später, ... Ani?". Er fragte meinen Namen mehr als er ihn sagte, aber wenigstens hatte er ihn sich gemerkt. Ich schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. "Bis später, Simon!". Zwei Mädchen, die gerade auf dem Weg in ihre Zimmer weite links im Flur waren gingen an uns vorbei, wobei sie Simon seltsam neugierige Blicke zuwarfen. Er winkte mir hastig und machte sich aus dem Staub. Ich stand noch einen Moment in der offenen Türe bevor mir einfiel, dass die Jungen ihre Zimmer ja in einem anderen Stock hatten und es deswegen eher ungewöhnlich war, dass sich einer von ihnen hierher verirrte.
*+*+*
Als es Zeit fürs Abendessen war machte ich mich allein auf den Weg zum Speisesaal. Lou war bis jetzt nicht zurückgekommen, und ehrlich, ich wollte Jenny auch irgendwie nicht fragen, ob sie auch schon Hunger hatte und mit mir gehen wollte. Essen gab es jetzt für die nächsten beiden Stunden, also war die Wahrscheinlichkeit, dass irgendwer, den ich kannte schon dort war ziemlich gering.
Dann, als ich schon auf halbem Weg dort war, kam ich auf den Gedanken, Thomas zu schreiben. Ehrlich, warum war mir das nicht früher eingefallen!
Hey, gehe grad zum Abendessen. Du?
Ich zögerte einen Moment, bevor ich auf senden drückte. War das zu direkt? Oder irgendwie komisch? Egal.
Als er antwortete war ich gerade dabei, mich am Salatbuffet zu bedienen. Beinahe hätte ich meinen Teller fallen lassen, als mein Handy vibrierte, so eilig hatte ich es plötzlich, zu sehen, was er geantwortet hatte.
Ebenso. Sitze am selben Tisch wie immer. Let's have dinner ;)
Ich schickte ihm ein lachendes Smiley zurück.
Mit höchster Konzentration trug ich wenig später das Tablett, auf dem mein Teller Ravioli, mein Salat und mein Glas Orangensaft standen. Das hört sich jetzt vielleicht nicht so schwierig an, aber mir kamen immer wieder andere Schüler entgegen, die nun auch Abendessen wollten, und das machte mir meine Aufgabe noch ein bisschen schwieriger.
Endlich kam ich bei Thomas' Tisch an. Die umstehenden Tische waren leer, und er saß quasi alleine in einer Nische am Rand des Speisesaals. Ich lächelte ihn an und stellte endlich mein Tablett ab. "Hi", begrüßte ich ihn. Er nickte mir freundlich zu, grüßte und fragte mich dann, wie ich die Woche überlebt hatte. Wir hatten uns kaum gesehen, nur ein- oder zweimal beim Essen mit den anderen. Während wir beide aßen jammerten ich ihn ein bisschen voll: Zuerst darüber, dass ich in einfach allen Fächern unendlich viel Hausaufgaben hatte, dann, dass Jenny sich seltsam benahm und zu guter letzt, dass einfach alles Schrecklich war.
Thomas war ein guter Zuhörer, auch wenn er sich manchmal ein Lächeln verkneifen musste. Nun gut, ganz ernst meinte ich meine Beschwerden auch nicht. "Na, deine Woche muss ja wirklich schrecklich gewesen sein", bemerkte er dann und zwinkerte mir zu.
Ich nickte, vergrub theatralisch meinen Kopf in meinen Händen und gab ein halblautes Geräusch von mir, das klang, als würde ich gerade ertrinken. Die Gruppe, die soeben am Tisch hinter unserem Platz genommen hatte, starrte uns - wohl eher mich! - entgeistert an. Gut, vielleicht hätte ich ein wenig leiser sein sollen. Jamie, der dabei war, grinste mich an und flüsterte dem Mädchen, das neben ihm saß - Nina? - etwas ins Ohr, worauf sie auch zu grinsen begann.
Thomas Gesicht verfinsterte sich, und selbst nachdem sich Jamie und seine Freunde ihrem Abendessen gewidmet hatten und uns keine ungebührende Aufmerksamkeit zukommen ließen blieb Thomas seltsam schweigsam, ein bisschen abweisend und einsilbig.
*+*+*
Als wir gerade den Speisesaal verließen, schlug Thomas leise vor, dass wir noch einen Spaziergang auf dem Schulgelände machen könnten, natürlich nur, wenn ich wollte. Ich stimmte zu, schon allein aus dem Grund, dass ich nicht unbedingt allein in meinem Zimmer hocken wollte.
Überraschender Weise führte er mich am Sportgelände, wo ich mich beim Volleyball spielen so blamiert hatte vorbei, weiter nach hinten. Dort gab es einen kleinen Teich, über den sich eine malerische Holzbrücke krümmte. Die Sonne warf ihre letzten Strahlen durch die Wipfel einiger Weiden, die am Wegesrand gruppiert waren und malte komplexe Muster und unkenntliche Formen auf die schimmernde Oberfläche des Wassers.
"Es ist wirklich hübsch hier", sprach ich meinen Gedanken laut aus. Ich hatte nicht geglaubt, dass es einen solchen Platz in einer Schule überhaupt geben konnte, denn damit verband ich eher betonierte Innenhöfe und hektisches Durcheinander, aber es war wohl etwas anderes weil die Badboy Academy ein Internat war, und noch dazu ein ziemlich großes.
Thomas lächelte mir zu, und ich bemerkte, dass er viel entspannter war als vorher im Speisesaal gewesen war. Eine Zeit lang gingen wir schweigend nebeneinander her, auf die Brücke zu. Niemand war hier, und es war still bis auf einen Vogel, der sein Lied pfiff.
Seine Hand berührte meine, sanft und fragend, und ich ließ zu, dass er sie in seine nahm. Meine Finger waren immer ein bisschen kalt, aber seine waren warm und stark, und ich wunderte mich ein bisschen über mich selbst, dass sich eine einfache Geste wie das Händchen halten so geborgen und gut anfühlen konnte. Ein Lächeln breitete sich über mein Gesicht aus, und ich fühlte mich plötzlich leicht und unbeschwert.
Als wir die höchste Stelle der Brücke, die sich in einem Bogen über den Teich wölbte, erreichten, blieben wir dort stehen. Die Sonne versank gerade vollends hinter dem Horizont, und ich trat einen Schritt näher zu Thomas, lehnte mich leicht an ihn, und er ließ meine Hand los, um seinen Arm um mich zu legen. Ich schmiegte mich an ihn und genoss den Moment, nicht wissend, welches Chaos schon morgen über mein Leben kommen würde.
DU LIEST GERADE
Badboy Academy
RomanceDie Badboy Academy - eine Eliteschule für die Reichen und Schönen des Landes. Annika weiß nicht wie sie hier gelandet ist. Und zwischen Badboys und schwarzen Kleidern, die bis zur Mitte der Oberschenkel reichen wird sie wahre Freunde finden - das, u...