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Und ich begann, Simon zu erzählen. Sagte ihm, dass ich mich mit Matteo angefreundet hatte, als ich versuchte, Nina zu helfen. Erklärte ihm, wie Ambar zu mir kam und mir drohte, Simon zu verletzten, weil sie dachte, ich würde ihr Matteo wegnehmen.

Und weil Simon es mir versprochen hatte, hörte er mir zu, zuckte nicht mit der Wimper. Das einzige, was er tat, war, hin und wieder zu nicken. Dann berichtete ich ihm von Nina, wie sie mich angelogen hatte und ich sie zur Rede stellte, aber keine Antwort bekam. Ich weiß nicht mehr, wann es passierte, aber die Tränen rollten ganz automatisch über meine Wangen. Ich fühlte mich so elendig. Immer und immer wieder warf ich mir vor, manipulierbar zu sein und fragte mich, wie ich nicht mitbekommen hatte, was vor sich ging. Wie konnte ein Mensch bloß so erbärmlich sein? Ich zog meine Knie an meinem Oberkörper heran und schlang meine Arme darum. Simon sah mich ernst an. Dachte nicht einmal daran, mich zu unterbrechen, aber er hob den Arm und strich mir die Tränen weg, während seine Augen besorgt funkelten.

Dennoch erzählte ich weiter. Ich ließ nicht Mal aus, dass ich meine Eltern angelogen hatte, um zum Open Music zu gehen. Ich wusste, Simon würde mich verstehen. Irgendwie würde er es tun.

"Ich wusste, dass ich nicht mehr hingehen durfte, aber ich wollte unbedingt deinen neuen Song hören, Simon", schluchzte ich und kniff meine Augen fest zusammen. Es viel mir schwer, nicht die Kontrolle zu verlieren. "Nina schlug vor, dass ich ihnen einfach erzählte, ich würde den Abend mit Nina lernen und danach bei ihr schlafen und da es um meine Noten ging, stimmten sie zu."

"Matteo...", fuhr ich fort, doch stoppte als ich nur seinen Namen aussprach. Es hinterließ einen bitteren Nachgeschmack in meinem Mund.

Ich holte tief Luft und brachte meine Geschichte zu Ende. Wie ich bei Nina schlief und sie mir sagte, dass sie die ganze Zeit nur mit mir gespielt hatten. Das einzige, was ich verschwieg, waren die ganzen Tränen.
Und meine Träume. Sol gehörte zu mir und ich hatte Angst, sie zu verlieren, wenn ich von ihr sprach. Erst wollte ich verstehen, was sie mir sagen wollte. Sie hinter dich! Und ich tat es ja! Immer und immer wieder ließ ich mir meine Träume durch den Kopf gehen und überlegte, ob ich etwas übersehen hatte. Aber da war einfach nichts. Rein gar nichts.

"Alles war eine Lüge. Die netten Worte, die Zeit, die er bei mir war", sagte ich erschöpft und meine Stimme zitterte. "Die Freunschaft."

Ich sah auf und beobachtete Simon, der mich anstarrte. Sein Kiefer war angespannt, seine Finger ballte er zu Fäusten und öffnete sie dann verkrampft wieder.

"Deswegen bist du heiser, Luna", murmelte Simon sauer und wurde dann lauter. Dieser wilde Blick, mit dem er mich ansah, war beängstiegend und ich traute mich nicht, etwas zu erwidern. "Bist du deswegen heiser?" Seine Augen durchborten mich förmlich. "Luna?!"

Ich schluckte. "Nein", log ich, doch Simon durchschaute mich sofort. Er hatte es wahrscheinlich so wieso schon gewusst, seitdem ich anfing, zu weinen.

"Ich kenn dich, Luna", sagte mein bester Freund verbittert. "Jede deiner kleinen, bescheuerten Macken". Simon seufzte frustriert und fuhr sich durch seine Haare. "Und ich weiß auch, dass du heiser bist, wenn du dich in den Schlaf weinst." Sein Blick durchbohrte mich förmlich und weil ich mich unwohl fühlte, sah ich weg.

Ich presste meine Lippen aufeinander und legte meinen Kopf auf meine Beine. Warum konnte ich nicht einfach wieder die lebensfrohe Luna sein? Die,  die immer positiv dachte und immer eine Alternative fand? Wohin war sie verschwunden? Besiegt, schoss es mir durch den Kopf. Sie wurde besiegt. Ihr Herz fing an zu bluten, als sie erfuhr, was Matteo getan hatte. Er hatte sie umgebracht.

Ich spürte wie Simon mich auf seinen Schoß zog und mir seiner Hand über den Rücken streichelte.

"Das Schlimmste ist, dass ich wusste, dass etwas schlimmes kommen wird", flüsterte Simon niedergeschlagen. "Ich hab es daran erkannt, wie deine Unterlippe angefangen hat, zu zittern, als du begonnen hast, mir davon zu erzählen. Aber damit habe ich nicht gerechnet."

Mein Körper bebte vom Schluchzen und meine Tränen machten Simons Hemd nass, doch er nahm es kommentarlos hin. Ich konnte mich nicht daran erinnern, mich jemals so erbärmlich gefühlt zu haben wie jetzt. Ein Mädchen, das vor den Problemen weglief und lieber weinte, als es in die Hand zu nehmen und etwas dagegen zu tun. So jemand war ich doch nicht. Matteo war immer nett gewesen. Er musste der geborenen Schauspieler sein. Jedes beschisse Wort hatte ich ihm geglaubt. Jedes verdammte Lächeln hatte ich ihm abgekauft. Aber alles war gelogen. Alles war nur ein Fake. Und viel schlimmer: Ein Spiel. Und ich schaffte es nicht, es zu kontrollieren. Ich wusste nicht, was ich tun könnte, damit alles besser werden würde. Dabei gab es nichts, was ich mehr wollte, als all das hier zu meinem Spiel zu machen. Mit meinen Regeln. Meinen Marionetten.

Was hatte Ambar an sich, das ich nicht hatte? Wieso hatte man mich verletzt und nicht ein einziges Mal das scheinheilige Blondlöckchen? Immer traf es mich. Ich fiel immer tiefer in dieses Loch, das mich runterzog, und hatte keine Kraft mehr, mich hochzuziehen.

"Weißt du was, Simon", sagte ich mir kratziger Stimme und hustete, denn mein Hals begann zu schmerzen. "Ich habe das Gefühl, dass ich nie jemanden genügen werde."

Simons Hand auf meinem Rücken verharte. "Wie bitte?"

Look behind you #LutteoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt