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Schon als ich noch auf dem Weg nach Hause war, merkte ich, dass das Ganze doch nicht so einfach war, wie ich es mir vor ein paar Minuten eingeredet hatte. Was war mit der Tatsache, dass ich wusste, dass Matteo ChicoFresa war? Der Junge aus dem Internet mit dem Nina schrieb? Oder mit Rollertrack, hinter dessen Namen sich Gaston verbarg? Ich legte mir die Worte immer und immer wieder in meinem Kopf zurecht, aber fand keine, die Nina davon überzeugen würden, mir zu glauben, wenn ich sagte, dass das alles nur zu ihrem Besten war. Und so stand diese Lüge immer noch zwischen uns und egal, was ich versuchte mir einzureden, ich würde Nina nicht davon erzählen. Wann war ich bloß so egoistisch geworden?

Ich fuhr am Roller vorbei und sah wie Jim gerade hinein ging. Sie bemerkte mich nicht und ich rief auch nicht nach ihr. Ich wollte mich jetzt nicht unterhalten, wollte nur noch Hause und mir Matteo aus dem Kopf schlagen. Wer würde mir das schon verübeln?

So sehr ich mich auch danach sehnte, ein paar Runden im Jam & Roller zu fahren, ich durfte nicht. Mama hatte es mir verboten. Erst wenn sie den bestandenen Test gesehen hatte, war es in Ordung, wenn ich wieder hin ging. Es dürfte nicht mehr lange dauern, bis wir in wieder bekamen und vielleicht hatte ich ja doch mit Ach und Krach bestanden. Aber bis dahin sollte ich mich dort nicht blicken lassen.

Erst als ich kurz vor der Villa war, kam mir die nächste Sache in den Kopf, die ich Nina verschwiegen hatte. Es war mitten in der Nacht gewesen, als Matteo mich vor einigen Tagen besucht hatte. Ich hatte mich verwählt, wollte eigentlich nur ein paar beruhigende Worte von Simon hören, doch plötzlich war es Matteos Stimme im Telefon, die mir sagte, er käme vorbei. Wieso hatte ich Nina nicht davon erzählt? Ich schnaubte, machte mich über mich selbst lustig. Weil Nina dann sauer gewesen wäre, beantwortete ich mir die Frage. Weil sie es nicht verstanden hätte, wieso der Junge, in den sie verliebt war, mitten in der Nacht bei mir zu Hause war. Und um ehrlich zu sein, wäre es anderes herum gewesen, ich hätte es auch nicht verstanden.

Der Tag verging langsam, aber um so länger ich nachdachte, um so mehr Dinge vielen mir ein. Es kam nie einfach so etwas in meinen Kopf, ich hatte immer etwas gesehen, gelesen gehört, sodass sich eine neue Erkenntnis breit machte.

So sorgte der Gang am Morgen, bei dem ich an Ambars Zimmertür vorbei lief, dafür, dass ich bemerkte, dass diese dachte, ich sei in Simon verliebt, weil ich es als Ausreden benutzt hatte, damit sie mein Zimmer verließ. Und wie hätte es auch anders sein sollen? Nina wusste natürlich nichts davon.

Als ich mich mittags in einem Spiegel sah, der im Flur hing, erinnerten mich meine braunen Locken an Sol und Sol erinnerte mich an Ma. Diese seltsamen Träume hatte ich doch schon seit Tagen und hatte ich Nina je davon erzählt? Nein.

Am Abend saß ich dann am Tisch und aß mit meinen Eltern Abendbrot, als Ambar herein kam und nach etwas Pfeffer fragte. Augenblicklich verfinsterte sich meine Miene, denn es war ihre Schuld gewesen, dass Matteo mich benutzt hatte. Es war alles ihre Idee gewesen. Ambar war der Grund, wieso es mir jetzt so schlecht ging. Der Grund dafür, dass ich schon seit Stunden die Tränen zurück hielt, damit Mama und Papa nichts bemerkten. Der Appetiet war mir schlagartig vergangen und ich legte mein Besteck beiseite. Ich hasste mich dafür, dass Matteo mir überhaupt so wichtig gewesen war, dass er mich verletzten konnte. Was hatte ich da bloß zugelassen? Ohne das ich es wollte, bildete sich ein dicker Kloß in meinem Hals. Wie konnte ich einem Menschen so viel Bedeutung in meinem Leben geben, obwohl ich doch wusste, wie Matteo war? Ein Snob. Ein arrogantes Arschloch, das mit den Herzen der Mädchen spielte, weil es ihm Spaß machte. Ich wischte mir über die Augen, damit Mama nicht sah, wie sie sich mit Tränen füllten. Ich hatte da alles nicht verdient. Ich hatte nichts getan. Was hatte Matteo der lebenslustigen Luna bloß angetan?

Und wenn ich so wieso schon darüber nachdachte: hatte ich Nina von Ambars Spiel erzählt? Ihr gesagt, dass das mehr als eine Wette war? Nein. Vielleicht war ich einfach zu feige dafür. Aber viel mehr warf ich mir vor, egoistisch zu sein. Nina nicht zu gönnen, mit Matteo glücklich zu werden, wenn es mir so schlecht ging. Ich hob mein Kinn an. Die Tränen sollten nicht über meine Wangen laufen. Nicht jetzt. Nicht hier.

Hätte ich es doch von Anfang anders versucht! Warum hatte ich mich nicht mit Gaston anfreunden können? Ich fand es schrecklich, zu wissen, dass er mir sicherlich geholfen hätte, Nina und Matteo zu verkuppelt, wenn ich ihn darum gebeten hätte und jetzt alles anders wäre. Aber das Schrecklichste war immer noch, dass der Gedanke, ich hätte mich dabei in Gaston verlieben können, mich nicht störte. Gaston war ein guter Zuhörer und eine lustige Person, das wusste ich von Jim. Er konnte gut singen, war gut in der Schule, gut im Skaten und selbst mit Worten umgehen konnte er. Es wäre alles so einfach gewesen, so perfekt.

Aber stattdessen saß ich hier und versank in meinem Selbstmitleid. Fühlte mich verletzt und niedergemacht von Matteo und konnte trotzdem nicht aufhören, an diese wunschönen, braunen Augen zu denken. An seine geschmeidigen Bewegungen, an sein Lächeln.

Ich seufzte tief. Ich musste dringend jemanden davon erzählen, sonst würde mich das noch auffressen.

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Nach dem Essen schnappte ich mir mein Handy, warf mich auf mein Bett und tippte 'Brauche jemanden zum Reden. Kannst du morgen vorbei kommen?' ein.

Es dauerte keine Minute bis ich ein Antwort erhielt. 'Dachte schon, du meldest dich gar nicht mehr', schrieb Simon zurück. 'bin morgen um 13 Uhr bei dir'.

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Hatte vorhin Lust, noch ein Kapitel zu schreiben. Hoffe, es hat euch gefallen❤️

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