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Es war nur ein kurzer Traum, den ich diese Nacht hatte.

Ich saß vor Ma und Sol, so wie so oft schon. Ich wusste nicht, wo ich war oder worauf ich saß, ob es Winter oder Sommer, kalt oder warm war, aber tatsächlich dachte nicht einmal daran. Wahrscheinlich wäre es nicht so, dass es mich nicht interessiert hätte, wenn ich es wüsste, aber so fühlte es sich nicht auch nicht an. Es war, als existierten diese Informationen nicht. Und wie kann man etwas, das nicht existiert, vermissen? Ich schüttelte den Kopf, verwirrt von meinen eigenen Gedanken und sah auf.

Sol lächelte eisig. Kein Ton verließ ihre Lippen und sie bewegte sich nicht. Nicht einen Millimeter.

Es war Ma, der verzaubernde kleine Junge, der die Stille brach.

Seine Stimme war ruhig, er wirkte ganz gelassen, doch seine Worte warnten mich.

"Sieh hinter dich.", sagte er. "Ach, Luna. Ich wünschte, du würdest es tun"

Ich seufzte. Diese Botschaft verfolgte mich. Ich hatte Stunden damit verbracht, zu rätseln, was es bedeutete, aber ich könnte noch so viele Male hinter mich schauen, dort würde nichts sein. Ich wusste, ich verstand es falsch.

"Luna?", Sol nahm meine Hand und umschloss sie mit ihren kleinen zarten Fingern. "Es ist deine letzte Chance"

Sie schluckte und ich ahnte böses. "Luna", ihre Stimme war streng. Sie urteilte über mich. "Die aller Letzte"

_____

Ich fühlte mich schrecklich, als ich aufwachte. Wann würden diese Träume endlich aufhören?
Aber wenigstens war es Freitag und ich müsste nur noch diesen Tag überstehen, dann wäre erst einmal Wochenende.

Doch schon als ich die Treppe hinunter lief, wusste ich, dass etwas nicht stimmte. Denn es war leise, nein, komplett still und das, obwohl ich mir sicher war, dass meine Eltern genau in diesem Augenblick wie an jedem anderen Morgen auch in der Küche saßen und frühstückten. Ich schluckte und ging weiter.

"Luna?", Mama sprach mich an, sobald ich den Raum betrat. Ihr ernster Blick sagte mir genau eine Sache. Ich war am Arsch.

"Setz dich zu uns"

Ich überlegte, mir eine Ausrede einfallen zu lassen. Vielleicht ein Block, den ich in meinem Zimmer vergessen hatte und unbedingt holen müsste. Aber ich hatte das Gefühl, ich würde es schlimmer machen, wenn ich mich jetzt widersetzte. Also nahm ich meinen Stuhl und setzte mich dazu.

Ich räsuperte mich leise.  "Was ist passiert?"

Papa sah mich einige Sekunden an, dann drehte er den Laptop, der auf dem Tisch stand, zu mir, sodass ich das Display sehen konnte. Ich sah mich. Und dann sah ich Matteo.

Papa klickte auf Play und ich wusste, was folgte. Wir begannen, zu singen. Es war das Video vom letzten Open.

Ich kniff meine Augen zusammen. Ja, definitiv. Ich war verloren.

Dieses Video war entstanden, als ich Hausarrest hatte. Meinen Eltern hatte ich erzählt, ich würde bei Nina schlafen, um für einen Test zu lernen. Nun ja, letztendlich hatte ich auf dieser Bühne gestanden.

"Möchtest du uns das erklären?", fragte Papa ernst.

Nein, nicht wirklich.

"Luna!"

Ich drückte meine Hände zu Fäusten zusammen, damit sie aufhörten zu zittern und biss mir auf die Lippe, suchte verzweifelt nach einer Antwort. Es gab keine, die etwas wieder gut machen würde.

"Woher habt ihr das?"

Mama stand rückartig auf und warf dabei ihren Stuhl um. Ich hatte sie noch nie so wütend gesehen. Ihr Gesicht war rot angelaufen und sie klopfte mit ihren Fingern unruhig auf dem Tisch.

"Das ist doch nicht der Punkt!", ich wollte mir nur die Ohren zuhalten, ich wollte nur, dass sie nicht weiter schreite. Tränen sammelten sich in meinen Augen. "Du. Hattest. Hausarrest! Und wir haben eine Ausnahme gemacht, weil wir dir vertraut haben. Nur deswegen haben wir dir erlaubt, zu Nina zu gehen."

Nun mischte sich auch Papa ein. "Du hast unser Vertrauen missbraucht, Luna. Bist zu diesem Open Music gegangen und hast sogar die Frechheit besessen, mit diesem Jungen zu singen."

Tränen liefen über meine Wangen und ich schluchzte. Das hatte ich nie gewollt.

Mama schüttelte kurz den Kopf, dann atmete sie tief ein. "Es gibt keine Worte diese Welt, die beschreiben könnten, wie enttäuscht ich bin. Ich hätte nicht gedacht, dass meine Tochter es wagen würde, mich so zu hintergehen. Ich dachte wirklich, ich hätte sie besser erzogen."

Sie verließ ohne Halt den Raum und es wurde still.

Es fühlte sich an, als wäre mein Herz in tausende Teile zersplittert. Was hatte ich angerichtet?

Und schließlich hob ich meinen Kopf. Papa sah mich eisern an, fast so wie es Sol in meinem Traum getan hatte. Er würde niemals die Worte aussprechen, die Mama gesagt hatte, aber in seinen Augen sah ich, dass es das selbe war, was er dachte.

Seine Enttäuschung nahm mir die Luft zum Atmen. Ich hielt es keine Sekunde länger aus.

Sofort schnappte ich mir meinen Rucksack und verließ das Haus.

Ich zog mein Handy aus der Tasche, während ich mir mit der anderen Hand ein paar Tränen aus dem Gesicht strich. Und während ich wartete, dass er ran ging, begann ich zu rennen. Ich wollte nie wieder anhalten.

Es lag eine Last auf meinen Schultern, die ich kaum ertragen konnte. Es zerriss mich. Und mit jedem Schritt, brach mein Herz noch ein weiteres Mal.
Ihre Worte halten unerbittlich in meinem Kopf. Immer wieder und wieder, wie ein Echo, das niemals verstummte.

"Luna?", murmelte Simon.

"Hab ich dich geweckt?", schluchzte ich.

"Irgendwas stimmt doch nicht bei ...-"

Und noch bevor er aussprechen konnte, wurde es zu viel für mich.

Mich verließ die Kraft, weiterzulaufen und ich ließ mich auf den Bordstein fallen. Ich umklammerte mein Bein mit meinem Arm und versuchte hektisch, Luft zu bekommen. Panisch krallte ich meine Hand in mein Bein und spürte nicht einmal Schmerz dabei. Simon sagte Dinge, aber sie schienen weit entfernt zu sein. Ich verstand kein einziges Wort.

Es gab nur eine einzige Sache, die ich hörte. Die mich verschlang.

"Es gibt keine Worte diese Welt, die beschreiben könnten, wie enttäuscht ich bin", die Worte verhöhnten mich, verspotteten mich.

Und ich hörte sie immer und immer wieder. Es nahm kein Ende.

Mir ging die Luft aus.

"Hilf mir, Simon"

Ich legte meinen Kopf auf meine Beine und ließ alles geschehen, dass ich versucht hatte, aufzuhalten.

Ließ all die bittere Enttäuschung, die ich in ihren Gesichtern gesehen hatte, in meinen Kopf.

Ließ die Schuldgefühle mich übermannen.

Ich konnte nicht genau sagen, was mit mir passierte oder wie lange ich dort saß, aber das Entscheidende war, dass sich schließlich Arme um mich schlossen und mich die Last nicht mehr alleine tragen ließen.

Simon.

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