Hast

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Auch wenn ich im Moment so viele eigene Sorgen hatte, wie zum Beispiel Amber vollkommen aus dem Weg zu gehen, ging mir Sol das ganze Wochenende nicht aus dem Kopf. Dauernd tauchte sie vor meinem Inneren Auge auf. Ich rätselte, was den kleinen Jungen anging. Ich versuchte, ihn mir vorzustellen, mich an irgendetwas zu erinnern, aber da war nichts mehr. Nur ganz leise hörte ich seine Stimme. "Sol", hatte er sie genannt. Sol, Sonne, genau das Gegenteil von mir, Luna. Ob es wohl Zufall war, dass wir uns ähnlich sahen?

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Matteo hatte mir mein Medaillon nicht zurückgebracht. Ich hatte es nicht erwartet, aber trotzdem war ich enttäuscht. Und ich war wütend auf mich selbst, dass Matteo überhaupt die Macht hatte, Enttäuschung in mir auszulösen.

"Valente!", rief die Lehrerin laut und sah mich streng an. "Wenn Sie es schon nicht nötig haben, aufzupassen, dann nehme ich an, dass Sie es bereits verstanden haben und auch nichts dagegen haben, die Lösung für die Parabeln an der Tafel zu präsentieren."
"Entschuldigen Sie, Seniõra", sagte ich sofort und unterdrückte das Stöhnen. Nicht mal in der Schule konnte ich mich noch Konzentrieren. "Das wird nicht mehr vorkommen."
"Das will ich auch hoffen", erwiderte sie und gerade als ich dachte, sauber aus der Nummer rausgekommen zu sein, sagte sie: "Die Parabeln werden Sie trotzdem lösen"

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In der nächsten Pause saß ich neben Nina auf einer Bank im Flur und raufte meine Haare. Ich stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Die Lehrerin hatte beschlossen bei meiner Mama anzurufen, weil sie 'die mangelnde Aufmerksamkeit", wie sie es sagte, unerhört und absolut fehl am Platz fand. Am Ende würde mir Mama verbieten, auf die Bahn zu gehen, bevor ich den Test wiederbekommen hatte, der eigentlich darüber entscheiden sollte.
"Ich kann nicht mehr, Nina", sagte ich erschöpft.
"Ach Luna", tröstend strich sie mit ihrer Hand über meinen Rücken. "Was ist bloß im Moment los?"
Ich zuckte mit den Schultern. Wenn ich das bloß wüsste.
"Ich wollte dir noch was erzählen", sagte sie dann und ihre Augen leuchteten plötzlich.
"Um was geht es?"
Ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. "Matteo hat mich vorhin angesprochen"
Ich sah sie an. "Ja und?", dachte ich mir. Was konnte das schon bedeuten?
"Das ist ja wunderbar", spielte ich ihr meine Freude vor. Es ging einfach nicht. Auf Ninas Schwärmereien konnte ich mich nicht auch noch konzentrieren. So gemein ich auch war, mein Kopf drohte zu explodieren, wenn ich auch noch daran arbeite, Nina und Matteo zu verkuppeln. Ich versank doch selber schon in meinen eigenen Problemen!
"Luna, du musst mir nichts vormachen.", sagte Nina, als sie mich genau betrachtete. "Ich bin deine beste Freundin. Ich sehe doch, dass du keinen einzigen Gedanken daran verschwenden kannst. Aber das ist okay. Wirklich"

Ich ließ ihre Worte ein paar Sekunden auf mich wirken. Obwohl ich sie nicht ansah und sie das Gegenteil behauptet hatte, sagte mir mein Gefühl, dass sie enttäuscht war. Sie erwartete die Unterstützung ihrer besten Freundin.
"Und da du mir keine Antwort gibst, weiß ich, dass ich Recht habe", sagte Nina zerknirscht, bevor sie aufstand und ging. "Bis später"
Schuldgefühle machten sich in mir breit. Ich seufzte. Das konnte doch nicht wahr sein.
"Wenn ich doch wenigstens jetzt skaten könnte", dachte ich. "Vielleicht könnte ich dann endlich den Kopf frei kriegen"

"Lieferfee", hörte ich seine Stimme, bevor er sich neben mir auf die Bank fallen lies. Ich erkannte sie sofort. Ich würde sie unter Hunderttausenden wiederfinden können. Davon war ich überzeugt.

"Snob", antwortete ich und sah auf. Sofort erstarrte ich. Matteo sah ganz anders aus als sonst. Schlechter. Viel schlechter. Seine Augen waren ganz klein, die dunklen Schatten da unter waren ein weiterer Beweis dafür, dass er kaum geschlafen hatte. Seine Haare standen trostlos in alle Richtung ab. Außerdem war er blasser als sonst und wirkte erschöpft. Besorgt sah ich ihn an. "Was ist denn mit dir los?"
Er lächelte ein bisschen. Ich kaufte es ihm nicht ab. Das war keines dieser arroganten Matteo-Lächeln.
"Nichts. Nur ein bisschen müde"
"Snob", gespielt gekränkt sah ich ihn an. "Warum lügst du mir ins Gesicht?"
Diesmal erzwang er sich kein Lächeln. Stumm starrte er mich einfach nur an und da begann ich, mir wirklich Sorgen zu machen.
"Sag mir die Wahrheit.", forderte ich. "Was ist am Wochenende passiert, dass dich so mitgenommen hat?"
"Es ist nett, dass du dir Sorgen machst, Lieferfee", sagte er und eine Sekunde tauchte sein typisches Snob-Lächeln auf. "Aber das ist nicht nötig"
Ich seufzte und schlug dann leicht auf seine Schulter. So schnell würde ich nicht aufgeben. "Ich mein es ernst"
Matteo verdrehte seine Augen und hob theatralisch seine Arme. "Eigentlich geht es dich nichts an, aber ich habe wohl keine Wahl. Wieso bekommt ihr Frauen eigentlich immer das, was ihr wollt?"
"Lenk nicht vom Thema ab, Matteo."
Einen Moment schloss er seine Augen und holte Luft. Die Neugierde in mir brachte mich fast um.
"Es ... Es läuft nur nicht so gut im Moment", sagte er schließlich.
"Was läuft nicht so gut?"
"Meine Beziehung", antwortete Matteo bedrückt.
Überrascht sah ich ihn an. Was?
"Du hast dich mit Amber gestritten?"
Er nickte unentschlossen. "Das heißt es wohl, ja."
"Wow", kam es mir über die Lippen und ich lehnte mich an die Wand hinter mir. "Der König und die Königin der Bahn haben sich gestritten. Ich hätte nicht gedacht, dass das jemals passiert"
"Ich bin auch nur ein Mensch", sagte Matteo.
Darauf hatte ich keine Antwort, aber ich brauchte auch keine, denn die Schulglocke bewahrte mich davor.

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2. Dezember :D

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