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"Sag so etwas nicht", sagte ich leise. "Du bist nicht wie Ambar"

Einen Moment sah mich Matteo nachdenklich an, dann drehte er sich weg. Ich war mir nicht sicher, ob er es wirklich verstanden hatte. Er war nicht wie Ambar. Die letzten Wochen hatte ich ihn kennengelernt.

Ich hatte das Gefühl bekommen, dass Matteo eigentlich nur ein ganz normaler sensibler Junge war, der sich hinter seinem Grinsen versteckte.
Ich war da anders. Ich versteckte mich nicht. Ich verbarg mich nicht hinter etwas, das ich nicht war.

Mein Blick huschte zurück zu Ninas Tisch, doch die Stühle waren frei, Nina war nicht mehr da. Verwirrt sah ich mich um. Das konnte sie nicht machen. Ich schlief doch heute Abend bei ihr!

Nina war niemand der voreilig handelte, das wusste ich genau. Sicherlich hatte sie mir eine Nachricht hinterlassen.
Hektisch suchte ich meine Taschen ab. "Matteo? Matteo, hast du mein Handy gesehen?", fragte ich.

Matteo schnaubte belustigt und griff dann noch meiner Hand, damit ich nicht mehr mit dieser herumfuchtelte. "Hintere Hosentasche. Rechte Seite"

Erstaunt öffnete sich mein Mund. "Woher...?", stotterte ich. Prüfend sah ich ihn an, fand mein Handy dann aber tatsächlich in der rechten Hosentasche. Hatte er mir auf den Hintern geschaut?

Matteo sagte nichts dazu. Er sah mich nicht an, aber das fette Snob-Grinsen konnte er nicht verstecken. Ich hasste dieses Grinsen und jedes Mal wenn ich es in seinem freundlichen Gesicht sah, verabscheute ich es noch mehr.

Gaston und Jim waren fertig mit ihrem Song. Ich nutzte den Applaus, der folgte, aus, entschuldigte mich kurz bei Matteo und lief, ohne das es weiter auffiel, vor die Türen des Jam & Rollers.

Nina hatte mir keine Nachricht hinterlassen, aber das war nicht weiterhin schlimm, ich würde sie einfach anrufen.

Schnell suchte ich ihren Kontakt und tippte auf den grünen Hörer.

Nicht weit von mir entfernt ertönte eine bekannte Melodie und kurz darauf setzte der Gesang von Simon ein. Doch das war nicht live, es wurde angespielt.
Überrascht sah ich auf. Tatsächlich. Ein paar Meter weiter stand Nina an einer Säule gelehnt und wühlte in ihrer Tasche.

"Luna?", hörte ich Ninas Stimme, als sie abgenommen hatte. "Ich denke mal, du suchst mich", sagte sie. "Aber mach dir keine Sorgen. Ich hol mir nur kurz was zu trinken und bin gleich wieder da. Der Maracuja Shake hat mir nicht so gut geschmeckt, weißt du"

Ich presste meine Lippen auf einander. Wollte sie mich eigentlich verarschen? Das, was sie da machte, sah für mich nicht nach 'was zu trinken holen' aus. Was war denn los mit ihr? Wieso log mich Nina auf einmal an? Ich dachte, sie wüsste, dass sie mir immer alles erzählen konnte. Schließlich war ich ihre beste Freundin!

Ich legte sofort auf. Noch mehr Lügen würde ich mir nicht anhören.

"Du holst dir also was zu trinken, huh?", sagte ich mit lauter Stimme.

Sofort zuckte Nina zusammen und drehte sich schuldbewusst um.

"Ich kann das erklären", murmelte sie
zerknirscht.

"Dann mal los", antwortete ich eisig und ging ein paar Schritte auf sie zu. "Wieso lügst du mich an, Nina? Ich versteh das nicht"

"Mh,... Also .... also ich....", begann Nina zögernd. Stille. Dieses ekelhaftes Schweigen, das ich mindestens so sehr hasste, wie Matteos arrogantes Grinsen.

Ich sah sie erwartungsvoll an. Aber Nina sagte nichts mehr, sie starrte einfach nur zurück, als würde ihr Blick mir alles erklären.

Ich seufzte. Was wollte sie damit erreichen? Was erhoffte sie sich dadurch?

Tosender Applaus drang nach draußen, dann Tamaras Stimme. Ich wusste, dass ich gleich dran war.

"Ich muss rein", meinte ich.

Als Nina nicht antwortete, ging ich einfach. Langsam reichte es mir.
An der Tür drehte ich mich noch einmal um. Nina hatte sich umgedreht, lehnte wieder an Säule und schien nachzudenken. Es war nicht fair, was sie da tat, aber Nina war ein schlaues Mädchen. Ich war mir sicher, das wusste sie selbst.

Als ich mir endlich einen Weg durch die Menschenmenge gebahnt hatte, ging Matteo schon auf die Bühne und ich rannte die Stufen hinauf, um ihn einzuholen.

Matteo lächelte erleichtert, als er mich sah. "Ich dachte schon, du lässt mich hängen, Lieferfee", sagte er.

Ich schüttelte mit dem Kopf und stellte mich auf meinen Platz. Dann atmete ich tief durch. Ich durfte jetzt nicht an meine Probleme denken. Nicht an Nina, die sich seltsam verhielt, nicht an Ambar, die sich an meinem besten Freund ranmachte, nicht an meine Eltern oder daran, dass ich sie belogen hatte, nicht daran, dass alle dachten, Nina mochte Gastón und auch nicht daran, dass Ambar dachte, ich wäre in Simon verliebt. Jetzt zählte nur die Musik.
Meine Knie wurden ganz weich und die Nervosität packte mich plötzlich. Was war, wenn ich den Text vergaß?

Eine warme Hand umschloss meine. Ein überraschtes Lächeln bildete sich in meinem Gesicht, als ich aufsah.
Vorsichtig strich Matteo über meine Finger, fest verankerte ich diese mit seinen.
Matteo war da für mich. Er war immer da und gab mir unendliche Sicherheit, auch, wenn ich es mir nicht eingestehen wollte.

Die ersten Töne erklangen. Es ging los.

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Ein kleines Weihnachtskapitel für euch. Ich hoffe, ihr habt schöne Geschenke bekommen und hattet ein glückliches Weihnachten :)

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