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Simon strich mir die Haare aus dem Gesicht. Er zog mich auf seinen Schoß, nahm meine Hand und küsste sie dann. Er hätte alles tun können und ich es hätte es zugelassen. Es war nur dieser Schmerz in meiner Brust, auf den ich mich konzentrierte.

Simon legte seine Hand auf meine Wange und strich die Tränen aus meinem Gesicht, dann zog er mich in seine Arme und ich schmiegte mich an ihn.

"Danke", flüsterte ich schließlich.

Simon lächelte kurz und löste sich etwas, sodass er mich ansehen konnte.

Seine Haare standen in alle Richtungen ab, als wäre er aus dem Bett gefallen und war das nicht ein T-Shirt von Nico, das er da trug?

"Simon, sie hassen mich"

"Wer hasst dich?", fragte er.

"Meine Eltern"

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Es waren einige Minuten vergangen und ich saß mittlerweile neben Simon auf einer versteckten Parkbank. Ich hatte ihm erzählt, was passiert war. Aber da ich irgendwie alles durcheinander gebracht hatte, was man durcheinander bringen konnte, war ich mir nicht sicher, ob er es wirklich verstanden hatte.

Was er aber verstanden hatte, war, dass ich nicht zur Schule gehen würde. Nicht in einer Millionen Jahren.

Und da er mich niemals zwingen würde, rief er Ambar an und bat sie, mich zu entschuldigen. Ich wusste, für ihn würde sie es tun. Für ihn würde sie wahrscheinlich alles tun.

Ich band meine Locken zu einem Zopf zusammen, dann stand ich auf.
Ich lief mit Simon umher, einfach so, ohne ein Wort zu verlieren. Irgendwann nahm ich seine Hand. Ohne, dass es eine Bedeutung hatte. Wir waren beste Freunde. Und er gab mir die Sicherheit, die ich brauchte.

Der Tag verging langsam. Wir waren schließlich ins Jam & Roller gegangen, da Simon arbeiten musste. Ich saß auf einer der Bänke und sah ihm zu. Ertrug den Schmerz jetzt nur noch still und heimlich.

Es gab kaum einen, der nicht zu mir kam und fragte, ob alles in Ordnung sei, aber jeder von ihnen bekam nur die selbe, gelogene Antwort.

"Mir geht es gut"

Einige gingen zu Simon, als sie dachten, ich würde nicht schauen und fragten bei ihm nach, was los wäre. Einige gingen auch einfach wieder.

Es war kein schöner Tag.

Nina blieb länger, aber ihre Mama rief irgendwann an und ich glaubte nicht, dass sie nicht froh war, als sie einen Grund hatte, zu gehen, denn eine halbe Stunde lang hatten wir uns angeschwiegen. Man hatte die angespannte Luft förmlich anfassen können. Ich hatte mich gefragt, wie lange sie das noch aushalten würde.

Nein, es war ein schrecklicher Tag.

Nur kurze Zeit später setzte sich Jim zu mir. Sie war wohl die einzige, die nicht fragte, was los sei. Ich verübelte es ihr nicht, denn ich sah das Strahlen in ihren Augen. Sie erzählte mir, dass sie mit Nico ausgehen würde. Sie schien, tausende Dinge zu planen. Ich hörte nur halbherzig zu.

Gegen halb fünf betraten Gaston und Matteo das Jam & Roller. Ich beachtete sie so wenig, wie alle anderen auch. Ich steckte meine Hände in die Taschen und beobachtete Simon. Er räumte einige leere Gläser auf sein Tablet.

Tatsächlich war es sogar ein grausamer Tag.

"Luna?"

Neben mir bewegte sich etwas und schon hatten sich Gaston und Matteo zu mir gesetzt. Der Teufel wäre mir wahrscheinlich lieber gewesen.

"Ist alles okay?"

Fast hätte ich gelacht.

"Mir geht es gut"

Ich hatte mich geirrt. Dieser Tag war die Hölle auf Erden.

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Einige Zeit hatten sie versucht, ein Gespräch aufzubauen, aber als ich es nicht mehr ertragen konnte, ging ich einfach. Simon sagte ich, dass ich etwas frische Luft bräuchte und später wiederkommen würde.

Ich lief im Park auf und ab, nahm jeden Weg, Hauptsache nicht stehen bleiben.

Zwei Runden war ich gegangen, als Matteo mich schließlich rief.

"Warte Mal, Luna"

Aber ich wartete nicht. Es war hoffnungslos, denn Matteo war so oder so schneller als ich und einen Augenblick später lief er auch schon neben mir her.

"Ich möchte alleine sein", sagte ich.

Bleib bei mir, dachte ich.

"Das glaube ich nicht", antwortete er.

Ich blieb stehen. "Und warum nicht?"

"Weil du seit einer Ewigkeit im Jam&Roller sitzt und darauf wartest, dass Simons Schicht zu Ende ist. Du möchtest, dass er bei dir ist und dich tröstet und nicht alleine sein"

"Du scheinst dir ja sicher zu sein, was ich möchte und was nicht", antwortete ich bitter.

"Ach, Luna", seufzte Matteo und fuhr sich durch die Haare. "Was machst du nur mit mir?"

Ich schluckte und sah weg. "Wie meinst du das?"

Er lachte rau. "Machst mir Hoffnung und lässt mich wieder fallen wie ein Stein. Jedes Mal aufs Neue. Ich glaube nicht, dass ich das noch lange ertrage"

"Hoffnung?", fragte ich.

"Ja, dass du dich nicht wieder von mir abwendest.", erklärte er. "Von einem Tag auf den anderen, hast du mich gehasst. Kaum war das Open Music vorbei, hast du mich behandelt, als wäre ich dein schlimmster Feind, hast mit mir geredet, wenn es dir in den Kram gepasst hat und mir nie erklärt, was eigentlich passiert ist. Ich verstehe nicht einmal, warum ich das Gefühl habe, ich müsste mich entschuldigen, denn mir fällt nichts ein, was ich getan habe."

Oh, Matteo, dachte ich enttäuscht. Du hast mich hintergangen. Hast mich so verletzt, als du dieses Spiel mit Ambar gespielt hast, um mich unglücklich zu machen.

"Du hast also keinen Grund, dich zu entschuldigen?", fragte ich trocken.

Er hielt eisern daran fest. "Nein"

"Dann hast du es wahrscheinlich verdient, fallen gelassen zu werden", sagte ich und sah in seine Augen. Ich konnte Schmerz sehen. Sah er auch den Schmerz in meinen Augen?

Er hatte mich hintergangen, mich enttäuscht, obwohl ich ihm vertraut hatte.

War es nicht das Selbe, was ich mit meinen Eltern getan hatte? Sie hintergangen und enttäuscht?

Waren sie genau so verletzt wie ich?

Ich lief davon, als ich erkannte, dass ich nicht besser war als er.

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