versuchen

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An diesem Tag hatte mich Matteo angestarrt, ja sein Blick hatte den ganzen Tag förmlich auf mir geklebt. Doch ich hatte ihn nicht beachtet. Ich hatte genug davon gehabt. Genug von all der Traurigkeit und den Zweifeln, die Matteo mit sich brachte.

Und ich hatte mit Simon am Nachmittag geübt. Wir hatten uns zusammen für den Skate-Wettbewerb eingetragen und hatten keine Minute mehr verlieren wollen. Auch Nina war auf der Bahn gewesen.

Sie verbesserte sich schnell und arbeitete hartnäckig. Und sie fand wieder Zeit für mich. Zwar lernten wir nur noch selten zusammen, aber sie wollte, dass ich ihr alles beibrachte, was ich über das Skaten wusste und ihr jeden Schritt genau zeigte, damit sie ihn auch richtig lernte. Wenn ich nicht mehr konnte oder keine Zeit mehr hatte, trainierte sie mit Gastón weiter. Ich wusste nicht, was ihr Ziel war, aber wenn sie so weiter machte, würde sie es sicherlich erreichen.

Ich sah die Beiden gerne zusammen, aber ich konnte mir nur schwer vorstellen, dass Gastón die traurigen Blicke entgingen, die Nina Matteo heimlich zuwarf, wenn sie dachte, sie sei unbeobachtet.

Mir waren sie nicht entgangen und Ambar auch nicht. Sie hatte mich ein paar Tage später darauf angesprochen, aber da sie sie sich nicht erklären konnte, waren sie schnell wieder vergessen gewesen. Im Gegensatz zu Matteo wollte sich Ambar den Wettbewerb nicht entgehen lassen. Erst wollte sie Simon überzeugen, mit ihr teilzunehmen, aber sah bald ein, dass das keine Zukunft hatte. Er würde seine beste Freundin nicht im Stich lassen. Im Endeffekt hatte sie sich Ramiro geangelt, der am Anfang nicht wirklich begeistert von Ambars Plänen war, sich dann aber eingestand, dass sie die beste Skaterin des Rollers war und seine Chancen, zu gewinnen, mit ihr am Besten.
Ansonsten verstand ich mich ungewöhnlich gut mit Ambar. Zwar sprachen wir nicht viel miteinander, aber sie war höflich und gnädig. Auch zu Simon war sie nett. Ihr Lachen wirkte ehrlich, ihre Freundlichkeit nicht vorgetäuscht. Was oder wer auch immer sie veränderte, ich hoffte, sie würde es gut festhalten.

Ich verbrachte also den halben Tag im Jam&Roller und trainierte mit Simon und Nina, die andere Hälfte war ich in der Schule und lernte. Einige Tage waren stressig, aber ich war zufrieden
mit dem, was ich tat.

Das "Hallo", das ich gelgentlich mit Matteo gewechselt hatte, wenn wir aneinander vorbei liefen, verstummte nach einer Weile und mehr als ein paar Blicke tauschten wir nicht mehr aus. Manchmal blieb er stehen und beobachtete mich, wenn ich mit Simon die Choreographie verbesserte. Er setzte sich einfach auf eine der Bänke und sah uns zu und manchmal, ja manchmal tat ich das auch. Gerade in den Abendstunden, wenn ich eigentlich nach Hause gehen sollte, dann setzte ich mich und sah ihm zu. Einfach so. Ohne Grund. Ohne eine schlechtes Gewissen zu haben und ohne jegliche Konsequenzen.
Es waren lautlose Gespräche, die wir führten und auch wenn ich das Gefühl haben müsste, weit entfernt von ihm zu sein, war es in Ordnung für mich. Mit der Zeit verging der Schmerz und ich begann, nach vorne zu sehen. Ich begann, ihm auf meine Weise zu verzeihen.

Ganze drei Wochen waren vergangen. Drei Wochen, in denen sich nicht viel veränderte, aber trotzdem alles anders war. Drei Wochen, als es plötzlich passierte.

Es war noch zwei Wochen, dann würde der Wettbewerb stattfinden. Der ganz Große. Der, der mein Leben verändern könnte.

Ich stand am Rand der Skatebahn und hielt mich an der Bande fest, während ich auf Simon wartete. Gaston stand neben mir, denn Nina war auch noch nicht da. Natürlich trainierten sie nicht für den Wettbewerb. So weit war Nina noch nicht.

Ich verdrehte die Augen. "Also heute lassen sie sich aber ganz schön viel Zeit"

"Aber so was von", bestätigte Gaston und seufzte. "Und eigentlich habe ich gar nicht so viel Zeit heute. Wir schreiben übermorgen eine Klausur, für die ich unbedingt noch lernen muss"

Weitere zehn Minuten vergingen. Immer wieder sah ich zur Uhr. Das konnte doch nicht wahr sein! Ungeduldig tippte ich mit meinen Fingern auf dem Metall.

"Weißt du was", sagte ich und verschränkte meine Arme vor der Brust. "Wenn er nicht kommt, übe ich halt alleine. Könntest du die Musik für mich anmachen?"

"Na klar", antwortete Gastón und ich fuhr ein Stück, damit ich mehr Platz hatte.

Als die ersten Töne erklangen, begann ich mit den Schritten. Gastón sah interessiert zu, aber ich sah ihm an, dass er sich immer wieder das Lachen verkniff. Kein Wunder, alleine funktionierte die Choreographie einfach nicht. Motivierend war das nicht wirklich, aber ich würde nicht aufgeben.
Ich war kein Mensch, der aufgab. Ich war ein Mensch, der für seine Träume kämpfte und wieder aufstand, wenn er fiel.
Doch spätestens als ich die Hebefigur versuchte und mich dabei fast überschlug, konnte Gastón sich nicht mehr halten und ich lachte mit ihm und verstand, dass es keinen Zweck hatte.

"Das ist nicht lustig", schmollte ich.

Gastón grinste. "Ich helf dir bei deinen Schritten und du mir bei meinen. Kein Abschauen, kein Konkurrenzdenken, nur sinnvoll vertriebene Zeit. Was meinst du?"

"Find ich gut", erwiderte ich zustimmend und probierte die Hebefigur noch einmal. Dieses Mal nicht alleine.

Gaston hielt mich tiefer fest als Simon es tat und erstaunter Weise stellte ich fest, dass es so besser funktionierte.

"Eine Stunde", sagte Gastón nach einer gefühlten Ewigkeit.

"Was?"

"Eine Stunde skaten wir jetzt schon", erklärte er. Ich sah zur Uhr. Tatsächlich. "Ich bezweifle, dass die noch kommen"

Als hätten wir nach ihnen gerufen, klingelte auf einmal mein Handy. Ich fuhr an den Rand und holte es aus meiner Tasche.

"Wer ist es?"

"Nina", antwortete ich.

Ich hielt mir das Handy ans Ohr. "Nina, wo bleibst du denn?"

"Luna, hör mir gut zu", ich konnte sie kaum verstehen. Ihre Stimme war hektisch, die Geräusche im Hintergrund waren laut. Die Panik war ihr anzuhören.

"Simon ist gestürzt, Luna." Stille. Mein Magen zog sich zusammen. "Es geht ihm zwar gut, aber er kann nicht richtig auftreten. Was ist mit dem Wettbewerb, wenn das nicht besser wird?! Ich flehe dich an, du musst herkommen, Luna, bitte. Wir sind im Park bei der Rutsche. Beeil dich!"

Und ich verlor keine Sekunde.

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Heute vor 7 Monaten habe ich das aller erste Kapitel dieser Geschichte veröffentlicht. Wahnsinn. 7 Monate.

Damals hatte ich keine richtige Idee, was in der Geschichte eigentlich passieren soll. Das einzige, was ich wollte, war eine dramatische Liebesgeschichte von Luna und Matteo.
Das Buch hatte auch ein anderes Cover und einen anderen Namen "Der Snob und ich".
Mittlerweile wurde daraus "Look behind you", das Ende und alle Kapitel, die dorthin führen, sind schon mindestens teilweise geplant und ich nehme sogar an einem Wettbewerb teil.

Also viiiiieeeelen Dank für die 7 Monate, in denen ihr mich unterstützt habt ♥️

Look behind you #LutteoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt