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Simon nahm mich in den Arm, als ich wieder im Roller war und machte mich  für einen Moment zum glücklichsten Menschen der Welt, als seine Schicht endlich vorbei war.

Wir liefen die Straße entlang, als mir etwas einfiel.

"Simon, weißt du, wo ich heute Nacht Schlafen könnte?", fragte ich.

"Zuhause natürlich", er sah mich irritiert an.

"Nicht in einer Millionen Jahre", ich blieb stehen und zog an seinem Ärmel, sodass er auch stehen bleiben musste. Er konnte nicht von mir verlangen, nach Hause zu gehen. Nicht heute. Nicht nachdem, was passiert war.

"Ach, Luna", Simon seufzte und sah mich mitleidig an. "Bist du dir sicher?"

Ich schnaubte. "Ich werde nicht nach Hause gehen."

Er schwieg und ich nutzte die Gelegenheit und sah mich um. Ich erkannte, wo wir hier waren. Simons Wohnung war in der Nähe, das wusste ich genau. Ich wusste auch, dass er mich einen anderen Weg entlang geführt hatte als sonst. Wollte er nicht, dass ich bei ihm blieb?

Die Sonne ging unter und es wurde auch langsam kälter. Es müsste mir bald etwas einfallen. Nach Hause könnte ich nicht gehen, ich würde es niemals schaffen, meinen Eltern in die Augen zu sehen. Sie waren so enttäuscht von mir gewesen, als ich heute morgen das Haus verließ. Noch einmal würde ich das nicht ertragen. Zu Nina wollte ich auch nicht gehen. Sie hatte mir erst vor wenigen Tagen erzählt, dass ihre Mutter sich endlich einen Abend für sie frei nehmen wollte, da wollte ich ungern stören und das fünfte oder eher dritte Rad am Wagen sein.

"Luna, sieh mich nicht so an", sagte Simon klagend. "Ich spüre doch, dass du mit zu mir gehen möchtest, aber ich glaube nicht, dass das Nico und Pedro in den Kram passt."

"Dann frag sie doch"

"Nein", widersprach er.

Ich verdrehte die Augen und zog mein Handy aus der Tasche. Wenn er nicht anrufen würde, würde ich es eben tun.

"Luna, du kannst doch ni-...."

"Zu spät", unterbrach ich ihn und hielt mir den Hörer ans Ohr. Es piepte und piepte. Gerade als ich auflegen wollte, ging Nico ran.

"Luna? Entschuldigung, Pedro hatte mein Handy verlegt" ich hörte Protest aus dem Hintergrund und lächelte. "Was gibt es denn?"

"Hey, Nico. Ich habe ein Problem und zwar", ich stockte. Ja, was war denn mein Problem? Was gab es, dass nicht verdächtig klang? Nicht verdächtig für mich? Da fiel es mir ein. "...bin ich gestürzt und glaube, ich habe mir den Fuß verknackst"

Simon sah mich entrüstet an. Er wusste genau so gut wie ich, dass ich kern gesund war, aber vielleicht würde mir diese Lüge ein Bett für die Nacht bescheren und ich gab es ja zu, ein klein wenig Spaß hatte ich auch dabei.

"Man, das tut mir leid. Wie kann ich helfen?"

"Ich kann nicht auftreten. Simon ist bei mir und wir sind gerade auf irgendeiner Bank. Meine Eltern können mich nicht abholen und ich weiß echt nicht wo ich sonst hinkönnte, also..."

"Ach, das ist doch kein Problem! Natürlich kannst du bei uns bleiben bis dich jemand abholt", sagte Nico und ich biss mir auf die Lippe. Bingo.

Ich zeigte Simon einen Daumen nach oben, aber er verdrehte nur die Augen und marschierte einige Schritte auf und ab.

"Vielen, vielen Dank, bis gleich dann", sagte ich und tat noch so als würde ich Gähnen, bevor ich auflegte.

"Das hast du gerade nicht wirklich gemacht" ich sah seinen vorwurfsvollen Blick, aber zuckte nur entschuldigend mir den Schultern. "War ich überzeugend?"

Simon lachte. "Du lügst wie gedruckt, das ist das Erschreckende. Aber ich persönlich hätte es dir nicht abgekauft "
Ich lachte leise.

Wir machten uns auf den Weg. Es dauerte nicht mehr lange, aber ich hatte dennoch ein wenig Durst und fror, als wir das Treppenhaus hinauf liefen.

"Warte", meinte ich, als Simon klingeln wollte. "Ich habe doch gesagt, ich könnte nicht laufen"

"Luna", seufzte Simon und sah mich mahnend an. "Mein Fuß ist verstaucht, ich kann dich unmöglich tragen"

Ich sah ihn an. "Bitte?"

Er seufzte noch einmal und im nächsten Moment hob er mich hoch. Fühlte es sich so als Braut an? Ich lehnte meinen Kopf an seine Schulter und schloss die Augen. Stellte mich im Brautkleid vor mit einem wunderschönen Schleier in meinem Haar und weißen, glitzernden Schuhen an den Füßen. Es wäre perfekt, aber etwas Entscheidendes fehlte: die Schmetterlinge in meinem Bauch.

Simon klingelte und es dauerte nicht lange, bis ich Schritte hören konnte.

"Simon, da bist du...- oh", Pedro, den ich sofort an seiner Stimme erkannte, unterbrach sich selber und sprach nun leiser. "Ist sie eingeschlafen?"
Innerlich grinste ich. Ich sollte Schauspielerin werden.

Ich spürte, wie Simon sich bewegte. "Ja", antwortete er grimmig. Das Lachen verkniff ich mir.

Er trug mich bis zum Sofa, das vermutete ich zumindest, denn es war weich und warm, als er mich auf etwas legte. Ich verbot es mir, die Augen zu öffnen. Ich wollte nicht riskieren, doch noch weggeschickt zu werden.

Etwas neben mir bewegte sich und im nächsten Moment streichelte eine Hand über meinen Kopf. Simon! Er wusste doch ganz genau, dass ich das nicht ausstehen konnte.

"Was ist denn eigentlich passiert?", hörte ich Nico fragen.

Mein schlechtes Gewissen machte sich bemerkbar, als ich realisierte, dass ich Simon in gewisser Weise dazu zwang, seine besten Freunde für mich anzulügen. Ich würde es wann anders wieder gut machen.

"Ach, Luna war total erschöpft, als wir aus dem Roller gekommen sind", erklärte er. Ach ja? "Sie war unaufmerksam und hat direkt vor meinen Augen einen armen Jungen umgefahren."

"Mh", meinte Pedro. "Das hört sich nach Luna an"

Etwas raschelte. "Aber sag Mal", Nicos Stimme klang undeutlich. Aß er etwas? "Hast du Luna den ganzen Weg bis hierher getragen?"

Simon lachte leise, aber es klang nicht wirklich glücklich. "Du hättest sie Mal sehen sollen. Luna konnte ja so kaum noch stehen, weil sie so müde war, aber nachdem das mit ihrem Fuß passiert ist? Sie wollte gar nicht mehr aufhören, zu weinen"

Wer lügt hier wie gedruckt, Simon?

"Oh, war es denn so schlimm?"

"Nein, ich denke nicht. Kein Blut, keine Schwellungen. Ich denke nicht, dass es überhaupt etwas ist. Vermutlich hat das das Fass einfach zum Überlaufen gebracht."

"Ach komm, das kannst du mir nicht erzählen, dass es dir nichts ausgemacht hat. Vom Roller bis hier her? Luna hin oder her, mit verstauchtem Knöchel hätte ich das nicht gekonnt ", sagte Pedro.

"Es ist alles gut, Jungs, ernsthaft.", versprach Simon. "Luna wiegt ja nichts" Fast hätte ich mich geschmeichelt gefühlt, hätte er nicht ein "Meine Bohnenstange kann ruhig mal etwas mehr essen" hinzugefügt.

Sie unterhielten sich noch eine Weile, aber ich hörte nicht mehr richtig zu. Ich war tatsächlich müde und spätestens als jemand eine Decke über mich legte, würde mich niemand mehr davon abhalten können, einzuschlafen.

"Ich glaube, ich sollte Miguel und Monica jetzt Mal anrufen, bevor sie vor Sorge noch durchdrehen", hörte ich Simon noch sagen, dann fiel ich in einen ruhigen Schlaf. Endlich.

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