Neuanfang

737 48 4
                                    

"Soll ich dich noch herumführen?", fragte er mich während er mich wieder auf festen Boden absetzte. "Solange ich selbst laufen darf.", schmunzelte ich und grinste. Er warf mir einen gespielt enttäuschten Blick zu und musste selber grinsen. "Nagut dann lass uns am Eingang anfangen." So schnell konnte ich gar nicht reagieren, hatte er mich auch schon an der Hand gepackt und zog mich mit sich. Sein Enthusiasmus gefiel mir.  Der Eingangsbereich  war riesig und wunderschön. Das ist mir vorher nie aufgefallen. Der Raum an sich war nur spärlich eingerichtet. Der großen massiven und wunderschön verzierten Eingangstür stand ein kleiner Tisch gegenüber auf dem Blumen standen. Auf beiden Seiten führten Gänge fort zu mir unbekannten Räumen. Von der Decke hing ein wunderschöner Kronleuchter, der den ganzen Raum in ein warmes Licht tauchte. Links und rechts führte jeweils eine Treppe nach oben, die sich in der Mitte trafen und dann wieder auseinander gingen. Über diesem Mittelstück der Treppe ragte ein riesiges Fenster gen Himmel. Es beanspruchte fast die ganze Wand für sich. Das ganze hatte etwas sehr beruhigendes und altmodisches an sich. "Na genug gestaunt?", nahm ich seine Stimme von der Seite wahr. Ich nickte bloß und folgte ihm in den rechten Gang. "Hier sind eigentlich fast nur Klassenräume und irgendwelche Abstellkammern. Nichts besonderes, außer dass hier fast alles gleich aussieht." Er hatte recht aber die schiere Eleganz und dieses altertümliche Flair waren einfach umwerfend. Danach begaben wir uns in die anderen Gänge, in denen es ebenfalls nur Klassenräume gab. War zwar nicht so interessant, aber wenigstens wusste ich jetzt wo ich hin musste. Der Speisesaal war mir schon geläufig also zeigte er mir einige Aufenthaltsräume, die Wohnräume, Charles Büro, Badezimmer und alles was sonst noch so wichtig war. "Wir haben auch einen Bunker und Trainingsräume, wenn du willst kann ich sie dir auch noch zeigen. Mit der Voraussetzung du würdest nicht lieber schlafen. Es ist schon fast zwölf." Geduldig wartete er auf eine Antwort. "Nein schon gut. Ich bin nicht müde und es ist doch gerade so schön.", sagte ich etwas geistesabwesend. Er sah mich bloß an und lächelte. 

Die Trainingsräume waren nichts Besonderes und der Bunker war mir etwas zu deprimierend. Viel lieber wollte ich den Garten sehen. Mit seinen vielen Bäumen und dem Teich. Mit den Wiesen und den wunderschönen Blumen. "Erik?", fragte ich und blieb stehen. "Was gibts?" "Könnten wir nicht den Garten besichtigen? Ist doch viel schöner als der Bunker." Ich sah ihn mit großen Augen an und hoffte einfach er würde ja sagen. "Es ist doch  schon dunkel draußen. Du würdest nicht viel sehen.", gab er zurück. Enttäuscht ließ ich den Kopf hängen und murmelte ein 'Ok' vor mich hin. "Aber," fing er voll Begeisterung an und ich horchte auf, "ich kenne den besten Platz um sich die Sterne anzusehen. Dort gehe ich normal immer hin wenn ich nicht schlafen kann. Und dort findest du mich auch wenn ich alleine sein will. Nicht mal Charles hat herausgefunden wo ich bin. Liegt aber vielleicht auch daran dass er mir diesen Ort lassen will." Meine Augen fingen an zu Funkeln, wie es die Sterne ober uns wahrscheinlich gerade taten. "Dann komm, in ein paar Stunden geht die Sonne auf. Außerdem hast du morgen Unterricht und du solltest noch etwas schlafen." Er nahm erneut meine Hand und zog mich mit sich. "Du hast etwas vergessen. In den letzten Monaten habe ich gelernt wie man mit höchstens drei Stunden Schlaf pro Tag auskommt. Ich glaube nicht dass mich eine Nacht ohne Schlaf um meine Konzentration morgen bringen wird.", beschwichtigte ich ihn. "Mir ist es aber wichtig dass du schläfst. Ich habe die Verantwortung für dich und ich nehme das auch ernst. Okey?" Ich nickte und stolperte hinter ihm her. Er führte mich die langen Korridore entlang und die Treppen in den letzten Stock hinauf. Am Ende eines langen Ganges war eine Tür in die Decke eingelassen. Ich vermutete es war der Dachboden. Mit einer Handbewegung öffnete Erik die Tür und brachte eine Leiter zum Vorschein. "Nach ihnen Madame.", sagte er und machte eine einladende Handbewegung. Langsam kletterte ich nach oben, dicht gefolgt von ihm. Oben angekommen fragte ich: "Und was jetzt?" "Nur Geduld, Kleines.", grinste er und öffnete ein Dachfenster. Er stieg hinaus und reichte mir seine Hand. "Komm schon nimm meine Hand. Du warst doch so erpicht darauf die Sterne zu sehen." Ich zögerte und plötzlich spürte ich wie mich eine unsichtbare Kraft zu ihm zog. "Hey!", rief ich empört als ich bemerkte dass er dies mit seinen Kräften bewerkstelligte. Einen Augenblick später  lag ich in seinen Armen. Er hatte mich aufgefangen und setzte mich auf einem kleinen Vorsprung ab. Ich war dankbar für die Dunkelheit die uns umgab, so konnte er die Röte nicht sehen die sich auf meinen Wangen breit machte. "Na los ein kleines Stück noch, dann sind wir da und keine Sorge ich hab dich wenn du fallen solltest." Ich konnte sein Gesicht zwar nicht gut sehen aber ich glaubte ein schelmisches Grinsen auf seinen Lippen wahrzunehmen. Das dritte mal an diesem Tag nahm er mich bei der Hand und brachte mich auf ein Plateau, das sich unter dem größten Turm erstreckte. Für meinen Geschmack bewegten wir uns etwas zu schnell und etwas zu nah am Abgrund in die Tiefe. Aber er schien genau zu wissen wo er hintrat, deshalb beschloss ich ihm einfach zu vertrauen und ich tat recht daran. "Nun sind wir da." Sein Körper schien vor Freude zu beben. Verdammt er musste diesen Ort lieben und dennoch wollte er ihn mit mir teilen. Ich konnte nicht anders als zu lächeln. Dieser Mann war ein Geschenk des Himmels. "Sieh mal nach oben.", sagte er und zeigte mit seinem Finger gen Himmel. "Wow", brachte ich erstaunt heraus. Die Schönheit der Sterne war atemberaubend. Noch nie hatten sie so gestrahlt wie jetzt. Sie waren heller denn je. "Gefällts dir hier?", fragte er neugierig. Eifrig nickte ich ohne den Blick von den strahlenden Objekten des Himmels abzuwenden. Ich spürte seinen Blick auf mir und wie er mich von oben bis unten musterte. "Ich bring dich gern wieder mal nach hier oben, aber jetzt bring ich dich ins Bett.", durchbrach er die Stille zwischen uns. Ich konnte meine Enttäuschung nicht verbergen und ließ meine Schultern hängen. Aufmunternd klopfte er mir auf den Rücken. "Hey wenn du willst, können wir am Wochenende wieder hochkommen, dann bleiben wir auch die ganze Nacht." Meine Schultern gingen wieder nach oben und eine Genugtuung machte sich in mir breit. "Einverstanden und jetzt hilf mir bitte hier wieder lebend runter zukommen." 

Auf unserem Weg ins Zimmer fragte er mich, ob ich alleine schlafen konnte oder nicht. Ich wusste nicht was ich antworten sollte. Einerseits wusste ich, dass ich es nicht konnte aber andererseits wollte ich  nicht aufdringlich sein. Also schwieg ich einfach. Er blieb vor mir stehen und hob meinen gesenkten Kopf mit seinen Händen hoch. Mir blieb nichts anderes übrig als ihm direkt in seine schönen blauen Augen zu blicken. "Ich schätze, dass ist ein 'Nein'.", sagte er bestimmt und grinste. "Keine Sorge es macht mir nichts aus. Immerhin kann ich so auch schlafen und wir haben beide gewonnen." Ich lächelte zurück. Er ließ von mir ab und ging wieder voran. Als wir in seinem Zimmer waren, zog er sich im Bad um und machte sich fertig. Inzwischen zog auch ich mich um, hatte jedoch keine Kleider bei mir. Kurzerhand öffnete ich seinen Schrank, nahm mir eines seiner T-Shirts, zog es mir über und just in dem Moment kam er aus dem Bad. "Schick.", sagte er mit hochgezogener Braue. "Sorry hatte nichts anderes." "Schon gut, aber jetzt mach dich fertig und leg dich dann schlafen." Gesagt getan. Als ich wieder zurück kam lag er bereits im Bett und ich schmiegte mich an seine Brust. "Danke, dass ich hier bei dir schlafen darf.", murmelte ich in sein T-Shirt und schloss die Augen. "Ist mir ein Vergnügen.", war das Letzte was ich noch mitbekam, bevor mich die Dunkelheit  umgab.

H.O.P.EWo Geschichten leben. Entdecke jetzt