Neue Freunde

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Wir wurden von dem nervigen Klang des Weckers geweckt. Es war wieder Montag. 'Wie ich mich freue', dachte ich und verdrehte die Augen. Verschlafen rieb ich mir den Schlaf aus ihnen, während ich mich aufsetzte. Sollte ich Erik aufwecken oder nicht? Diese Entscheidung wurde mir abgenommen als ich merkte wie er sich neben mir im Bett aufrichtete. "Guten Morgen.", gähnte er schläfrig und lächelte mich an. "Gut geschlafen?" "Im Vergleich zu den letzten Monaten wirkt jede Nacht wie das reinste Vergnügen, also ja.", gab ich zurück. Er zog die Bettdecke beiseite und stand auf. "Wie wärs wenn du dir heute mal ein paar neue Freunde suchst? Du kannst doch nicht immer nur mit mir rumlaufen", versuchte er mir einen Vorschlag zu unterbreiten. Ich wusste im ersten Moment nicht recht was ich davon halten sollte. Fand ich diese Idee gut oder schlecht? Irgendwie hatte er ja recht, aber ich genoss seine Gesellschaft doch so sehr und außerdem hatte ich es längst verlernt wie man sich Freunde machte. Und die angst verletzt zu werden lag mir immer noch in Mark und Bein. Er sah mich abwartend an und verzog dabei keine Miene. "Ich weiß ja, dass du angst hast aber Jean ist wirklich nett und sie würde dir auch nie etwas tun. Keiner hier würde dir mit Absicht wehtun. Wir sind alle Mutanten, von den Menschen geächtet und verdammt ein Leben im Schatten zu führen. Niemand von uns ist scharf drauf auch noch untereinander Hass zu sähen...", er verstummte kurz um gleich darauf fortzufahren, "außer ich." Sein Blick wanderte beschämt zum Fenster und er schien nicht gerade erfreut über dass was er sich da selbst vorwirft. "Ich glaube du redest nicht gern drüber, also frag ich nicht nach." Stumm stand ich ebenfalls auf und tätschelte ihm den Rücken um zu zeigen dass alles OK war. Sein Ausdruck erhellte sich wieder und er fing an ein schöneres Thema anzuschneiden. "Also wie gesagt, du könntest dich mit Jean anfreunden. Ich weiß, dass du sie nett findest und das ist sie auch. Gib ihr ne Chance sie war sogar für dich einkaufen als ich sie darum gebeten hatte." In seinen Augen lag etwas Flehendes. Ich wusste ich war es ihm schuldig und er wollte doch nur das Beste für mich. Vielleicht half es mir ja wenn ich nicht nur mit ihm reden konnte. Außerdem war eine Freundin nie verkehrt. Mit ihr könnte ich über Dinge reden, mit denen ich mit Erik nicht mal im Traum sprechen würde. Mir gefiel diese Idee immer mehr, jedoch wurde ich zunehmend nervöser. Was sollte ich ihr sagen? Was ist wenn ich einfach zu große angst hätte? 'Nein, ganz ruhig Stef.', redete ich mir selbst ein. 'Es wird nichts Schlimmes passieren. Vertrau Erik einfach.' "Aber was ist wenn sie mich nicht leiden kann?", fragte ich Erik ängstlich. "Was wenn sie mich hasst." Betrübt und leicht entsetzt drehte er sich zu mir um. "Wieso sollte sie dich hassen? Du hast ihr nichts getan. Hör auf dir solche Gedanken zu machen. Glaub einfach an dich und dass alles gut gehen wird. Du hast schon genug durchlebt als dass du dir jetzt solche Gedanken erlauben darfst.", meinte er gelassen. "Aber sind meine Ängste nicht berechtigt? Immerhin weißt du genau so gut wie ich, dass man am besten nur sich selbst vertraut und anderen zuerst immer misstrauisch gegenüber stehen soll.", gab ich ebenso gelassen zurück und überspielte gekonnt meine Zweifel. "Ja aber das gilt nur den Menschen gegenüber. Was hätte ein Mutant davon dir weh zu tun? Wir sollten zusammenhalten, wir sind doch so oder so schon in der Minderheit, wozu sich gegenseitig fertig machen?" "Als ob sich Menschen nicht auch gegeneinander kämpfen würden und das weißt du auch. Sie kämpfen Kriege um Dinge um die es nicht mal wert wäre zu streiten. Wieso also nicht auch wir? Wieso sollten nicht auch Mutanten gegeneinander kämpfen.", fragte ich ihn etwas aufgebracht. Er gab einen tiefen Seufzer von sich. "Nagut du hast recht. Es mag sein dass wir auch untereinander kämpfen aber nicht hier an der Schule. Dafür sorgt Charles schon. Du glaubst doch nicht ehrlich dass Jean jemals die Hand gegen dich erheben würde? Und jetzt hör auf damit dir Gedanken darüber zu machen und mach dich einfach fertig.", sagte er genervt. Er hatte ja recht. Wieso sollte man hier an der Schule gegeneinander kämpfen oder jemandem etwas Schlechtes tun? Das wäre gegen jede Logik. Ich sah wie er angespannt Richtung Badezimmer ging, anscheinend gehe ich ihm schon ziemlich auf die Nerven. Ich grinste schelmisch vor mich hin und fing an die Sachen für den Unterricht zu packen. Als ich fertig war begutachtete ich die Tüten voll mit Kleidung, die Jean mir am Samstag vor zwei Tagen, gebracht hatte. Keiner von uns beiden hatte sich die Mühe gemacht sie auszuräumen oder sie wenigstens irgendwo hinzustellen, wo sie nicht im Weg standen. Ich durchforstete sie nach Unterwäsche und einem T-Shirt. Schnell wurde ich fündig und konnte nicht leugnen dass Jean echt Stil hatte. Sie würde sicher eine tolle Freundin abgeben, da hatte Erik vollkommen recht. "Hmmmm, aber ich nimm mir trotzdem eines seiner Hemden.", murmelte ich gedankenverloren vor mich hin. Die schwarze Jeans die ich am Samstag ausgezogen hatte, weil sie nass war, hing immer noch am Stuhl zusammen mit den restlichen Kleidungsstücken. Ich pflückte die Hose vom Stuhl und streifte sie mir über. Da ich eigentlich nicht unhöflich erscheinen wollte, wenn Jean schon für mich einkaufen war, zog ich eines ihrer T-Shirts über. Das hielt mich jedoch nicht davon ab auch noch eines von Eriks Hemden über die Schultern zu streifen. Zufrieden mit meinem Look klopfte ich an die Badezimmertür: "Kann ich reinkommen?" Ich hörte wie er ein 'Ja' vor sich hin nuschelte und öffnete die Tür.

Mir blieb vor Schreck der Mund offen stehen. Erik stand vor mir, mit nichts als einem Handtuch um die Hüften gewickelt. Mir stieg die Röte ins Gesicht, war jedoch unfähig meinen Blick von seinen Muskeln zu wenden. "Ähmmm es also...ich kann wieder gehen wenn du...wenn du dich anziehen willst", stammelte ich peinlich berührt vor mich hin. Aber er fing einfach nur an zu lachen. Ein heiteres, belustigtes Lachen. Hab ich was Falsches gesagt? Immer noch wie angewurzelt stand ich vor ihm. Ich wusste nicht was ich sagen sollte oder tun. "Hast du noch nie einen Mann mit nacktem Oberkörper gesehen?", fragte er sichtlich belustigt. Er drehte sich kurz zum Spiegelschrank um und holte seine Zahnbürste heraus. "Ach komm schon Stef. So besonders ist das nun auch wieder nicht.", er stupste mich lächelnd mit dem Ellbogen an. "Ich glaube ich gehe lieber.", brachte ich krächzend hervor. "Oh nein du wirst dir jetzt die Zähne putzen sonst kommst du noch zu spät.", tadelte er mich. Wiederwillig putzte ich mir neben ihm die Zähne. Die ganze Zeit über schwiegen wir und ich war froh als wir endlich das Bad verließen. Nachdem er sich ein Shirt über den Kopf gezogen hatte, ging ich auf ihn zu und klopfte ihm spielerisch gegen die Brust. "Mach sowas nie wieder!", empörte ich mich. Und ein breites Grinsen zierte seine Lippen. "Wieso? Macht es dich nervös?", zog er mich auf und sein Grinsen wurde noch breiter, wenn das überhaupt ging. Verlegen schaute ich zu Boden. 'So ein Idiot'. Plötzlich schlang er seine Arme um mich und flüsterte mir etwas ins Ohr: "Tut mir leid, kommt nicht wieder vor. Aber jetzt los sonst kommst du zu spät." Er küsste mich auf die Stirn, wie es ein Vater tat der sich von seiner Tochter verabschiedete und gab mich wieder frei. Nun lächelte ich ihn an und zum ersten Mal seit Monaten erreichte dieses auch meine Augen. "Ich beeil mich und ab heute habe ich einen Freund mehr. Versprochen!", grinste ich. "Genau das will ich hören.", lobte er und in mir machte sich ein wunderbares Gefühl breit. Ach Erik, wenn du doch nur wüsstest. "Womit habe ich dich nur verdient?", fragte ich ohne eine Antwort zu erwarten. "Das hatten wir doch schon. Du weißt du verdienst so viel mehr als ich dir je geben könnte.", sagte er etwas traurig. "Und du weißt dass du mir vollkommen ausreichst.", munterte ich ihn auf bevor ich das Zimmer verließ und mich auf den Weg zum Unterricht machte.

H.O.P.EWo Geschichten leben. Entdecke jetzt