Alte Freunde

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Stef war für einige Zeit weg. Ich hatte sie mit Müh und Not dazu überreden können mal wieder etwas zu essen und zu duschen. Sie hatte sich zwar sehr dagegen gewehrt, aber ich habe eben mehr Geduld bewiesen. Nur wenige Minuten nach denen sie gegangen war, kam Charles, um nach mir zu sehen. "Wie gehts dir?", war das Erste, was er mich fragte. Ich versuchte mich etwas aufzusetzen, was unter meinen Bedingungen nicht ganz so einfach war. "Es wird schon wieder, immerhin hab ich ja sie.", lächelte ich schwach. "Es tut mir leid, dass ich es soweit hab kommen lassen. Ich hätte Pyro schon viel früher zur Seite nehmen sollen.", meinte er etwas schuldig.  "Ich glaube nicht, dass du viel hättest ausrichten können. Du kennst Pyro, er hasst mich und es ist ihm egal, was du ihm androhst.", versicherte ich ihm. "Ja vielleicht, aber es hätte nie soweit kommen müssen." "Ist doch alles nur halb so schlimm. Ihr geht es gut und damit ist alles gesagt." Charles bewegte sich auf das Fenster zu und sah hinaus auf das Gelände. Sein Blick war traurig, aber es lag auch Freude darin. "Du weißt gar nicht wie froh ich bin, dass sie bei dir ist.", fing er plötzlich an. Verwirrt sah ich in seine Richtung. "Was meinst du damit?", fragte ich. Er hielt kurz inne, bevor er weiter sprach. "Seitdem sie bei dir ist, bist du viel ausgeglichener. Deine Wut und dein Zorn sind verschwunden, oder zumindest lässt du diesen nicht mehr freien Lauf. Du redest sogar mit anderen, wie zum Beispiel mit Jean. Früher hast du einfach jeden gemieden und nicht nur weil du keine Gesellschaft wolltest, sondern weil sie dich hassten. Aber wenn ich jetzt irgendeinen meiner Schüler frage, dann würde er sagen, dass du eigentlich ein herzensguter Mensch bist." "Hör auf damit, du weißt ich bin nicht herzensgut. Mag sein, dass ich netter bin, aber das ist doch nicht wegen ihr.", stritt ich ab. "Ach nein?", gab er belustigt zurück. "Nein.", erwiderte ich erneut. "Ach komm schon, Erik. Jeder bemerkt es. Du kannst mir nicht erzählen, dass es nicht stimmt. Seitdem du sie getroffen hast und mit ihr über eure Vergangenheit gesprochen hast, bist du anders. Du hast endlich jemanden, für den es sich lohnt zu kämpfen, jemanden für den du die Verantwortung trägst. Sie bringt das Gute in dir zum Vorschein, an das ich seit Jahren appelliere. Endlich kannst du deine Vergangenheit ruhen lassen, du kannst deine Dämonen begraben und nach vorne schauen. Außerdem lachst du wieder.", versuchte er mich zu beschwichtigen. "Hör auf Charles. Was willst du denn von mir hören?", sagte ich genervt. "Ich würde gerne von dir das hören, was du denkst.", gab er ruhig zurück. "Denn ich finde ohne sie wärst du sicher nicht mehr hier. Wahrscheinlich wärst du wieder abgehauen und hättest irgendwo dein Unwesen getrieben." "Als ob.", gab ich kurz angebunden zurück. "Sei doch nicht so stur, Erik. Was ist so schlimm daran zuzugeben, dass man weich geworden ist?", zog er mich auf. "Halt die Klappe, Charles, ich bin nicht weich geworden, vielleicht weniger mürrisch, aber mehr auch nicht.", grinste ich. "Komm, Erik, ich weiß du hast noch mehr zu sagen. Ich will hören, was du über sie denkst.", bohrte er weiter nach. "Verdammt, lies doch einfach meine Gedanken.", empörte ich mich. "Nein, zu privat." Er drehte sich zu mir um und grinste. Ich dachte nach. Was hielt ich von ihr? Diese Frage kam etwas überraschend. Wenn ich so darüber nachdachte, dann wurde mir klar, wie sehr sie mich wirklich verändert hatte. Ich hatte meinen Zorn und meine Wut auf die Menschen abgelegt, ich war zwar kein Menschenfreund, aber sie sind mir vollkommen gleichgültig geworden. Dank ihr lachte ich wieder und wenn sie bei mir war, war einfach alles perfekt. Sie war das Erste an das ich dachte, wenn ich aufwachte und das Letzte wenn ich schlafen ging. Es ist so als wäre sie schon immer da gewesen und ich wollte nicht, dass sie je verschwindet. Wenn sie lachte war ich überglücklich und wenn sie traurig war, war ich es auch. Ich würde sie mit meinem Leben beschützen und alles dafür geben, dass sie glücklich ist. Ich würde mich gegen die gesamte Welt stellen, nur damit sie wieder lachen kann. Sie ist wie ein wunderschöner Stern, der mir den Weg aus der Dunkelheit gezeigt hatte. Ich würde und wollte mir mein Leben nicht mehr ohne sie vorstellen, dass wäre das Schlimmste, was ich mir nur ausmalen konnte. Ohne sie wäre die Welt wieder schwarz-weiß, sie hatte meine Welt bunt gemalt und das wahrscheinlich ohne es zu wissen. Und plötzlich wurde es mir klar. Es traf mich wie ein Blitz, ganz ohne Vorwarnung. Wenn ich nun daran dachte, wie sie neben mir lag und ich ihren Atem auf meiner Haut spürte, schlug mein Herz schneller. Meine Gedanken begannen sich nur noch um sie zu drehen. Sie war alles was ich hatte, alles was ich wollte. Meine Stef. Ich würde für sie sterben. In genau diesem Moment wurde mir bewusst, dass ich sie liebte, dass sie die einzige war, mit der ich den Rest meines Lebens verbringen wollte. 

"Ich wusste es doch.", schmunzelte Charles. "Sie hat dir total den Kopf verdreht." "'Zu privat'?", spottete ich und versuchte mich wieder zu konzentrieren.  "Ich wollte dir nur zeigen, wie wichtig sie dir ist." "Wolltest du mich mit ihr verkuppeln?", fragte ich entgeistert. Mein alter Freund fing an zu lachen. "Nein, das ganz bestimmt nicht, aber ich wollte dir einfach etwas klar machen. Du hast in deinem Leben soviel falsch gemacht und jetzt ist der Augenblick gekommen, in dem du alles richtig machen kannst. Du hast nicht sie gerettet, sondern sie dich, auch wenn du es nicht zugeben willst, es ist die Wahrheit." "Warum sagst du mir das alles? Ich meine, auch wenn ich sie liebe, woher soll ich wissen, dass sie es auch tut? Und wieso interessiert es dich eigentlich so sehr, was ich über sie denke?", fragte ich. Langsam aber sicher machte sich Stefs Abwesenheit bemerkbar und meine Schmerzen kamen wieder. Ich zuckte kurz zusammen, ehe ich mich wieder zusammen riss. "Ich bin einfach nur froh, dass ihr beide glücklich seid, außerdem bist du mein bester Freund, da will ich doch alles wissen.", sagte er und für ein paar Minuten war es still zwischen uns. "Hast du eigentlich mal gesehen, wie sie dich ansieht? Wie ihr ganzes Gesicht sich aufhellt, wenn sie dich sieht? Oder wie sich ihr ganzer Körper wieder beruhigt, wenn du sie in den Arm nimmst. Sie lächelt nur wenn du da bist und am liebsten würde sie nie von deiner Seite weichen. Du bist ihr ein und alles, wie könnte sie dich nicht lieben?", warf er die Frage in den Raum. "Ich bin für sie so etwas, wie ihr Retter. Da ist es doch nur logisch, dass sie mich anhimmelt.", stellte ich etwas betrübt fest. "Hast du keine Augen im Kopf? Du bist so ein Idiot, Erik. Wenn du nicht verletzt wärst, würde ich dich jetzt schlagen.", lachte er. "Lachst du mich etwa aus?" "Nein, nur über deine Dummheit. Das was sie macht, ist doch keine Schwärmerei oder sonst irgendetwas. Ich weiß zwar, dass du denkst, du hättest sie nicht verdient, aber ich weiß auch, dass du für sie alles bist, was sie je wollte. Und bitte glaub mir nur einmal, wenn ich sage, dass du sie verdient hast." Sein Grinsen war wie weggeblasen und stattdessen wurde sein Ausdruck wieder total ernst. Ich sah ihm in die Augen. Er meinte es wirklich ernst, aber ich war trotzdem nicht überzeugt und er konnte mich nicht umstimmen. "Nein, Charles, ich verdiene sie nicht. Was ist wenn ich ihr weh tue? Wenn ich sie enttäusche? Das könnte ich nie ertragen. Jetzt ist alles perfekt, ich habe keine Erwartungen zu erfüllen, also auch keine Chance irgendetwas zu vermasseln." Er wandte sich bereits zum Gehen, als er noch ein paar letzte Worte an mich richtete: "Die Frage ist dann nur die eine, willst du, dass sie dich nur als ihren Retter sieht oder willst du mehr? Du solltest es ihr sagen." Ohne auf meine Antwort zu warten, war er verschwunden. 'Stef', war mein letzter Gedanke, bevor meine Schmerzen mit voller Wucht zurück kamen.

H.O.P.EWo Geschichten leben. Entdecke jetzt