Durchhalten

140 12 6
                                    

Ich lag nach meinem erneuten Erwachen in einer Zelle, welche karg ausgestattet war. Ich lag auf dem provisorischen Bett, dass aus einem Holzbrett und einem Laken bestand. Mein Kopf dröhnte von dem Betäubungsmittel, als ich weitere Details zu bemerken versuchte. Langsam versuchte ich mich aufzurichten und wurde plötzlich in meiner Bewegung gestört, als sich ein brennender Schmerz einen Weg in mein Nervenzentrum bahnte. Ich zuckte zusammen und sah auf meine Hand hinab. Von dort aus ging der Schmerz hervor, der Verband war inzwischen dunkelrot und ich wusste nicht was ich tun konnte, um den Schmerz zu dämpfen. Ich versuchte mich abzulenken, indem ich mich weiter in der kleinen Zelle umsah. In einer Höhe von etwa drei Metern war ein Gitter angebracht, welches hinter ich den Lüftungsschacht verbarg. Unmöglich dort hinzugelangen, auch ohne meinem schmerzenden Arm. Meine Augen fixierten nun ein anderes Objekt, welches in der hinteren Ecke des Raumes stand. Zuerst konnte ich es durch das schummrige Licht, das hier herrschte nicht genau identifizieren, auch der Nebel der sich um meine Gedanken legte, machte es nicht leichter. Angestrengt kniff ich meine Augen zusammen, bis ich das Objekt nach einer gefühlten Ewigkeit erkennen konnte. Es war eine Toilette und wie ich erst jetzt zu bemerken schien, stank es daraus fürchterlich. Angeekelt rümpfte ich die Nase. Plötzlich meldete sich mein Magen mit einem Knurren. Ich seufzte entmutigt und wollte mich gerade wieder hinlegen, als ich etwas Metallisches in meinem Augenwinkel wahrnahm. Und siehe da es war ein Teller mit Essen, wenn man das, was darauf lag, als solches bezeichnen konnte. Ohne auf meine Schmerzen zu achten griff ich begierig nach dem Teller und schlang das Essen hinunter. Es schmeckte zwar scheußlich, aber ich spürte wie ein kleiner Teil meiner Kräfte wieder zurückkam. Der Nebel um meine Gedanken löste sich auf, was jedoch den Schmerz in meinem Arm nur noch schlimmer werden ließ. Ich legte mich hin und Verzweiflung machte sich in mir breit. Was hatten diese Typen als nächstes vor? Wieso konnten sie mich nicht einfach gehen lassen? Das war die dümmste Frage, die ich mir seit langem gestellt hatte. Natürlich konnten sie mich nicht gehen lassen, sie brauchten mich für Erik. Verdammt, wo war er nur. Ich begann mich verlassen zu fühlen, wieder von allen vergessen worden zu sein. Aber nein, Erik hatte mich nicht vergessen, das wusste ich mit solch einer Sicherheit, wie ich jetzt gerade hier lag und Tränen weinte. Ich konnte nicht mehr, obwohl ich erst seit etwa zwei bis drei Tagen hier war. Mich erfüllte die Angst an das, was noch mit mir passieren würde. Diese Angst ließ mich verrückt werden. Sie legte sich wie eine deckte um meinen Körper, der nicht aufhören wollte zu zittern. Ein Geräusch riss mich aus meinen Gedanken. Ein schreckliches Ächzen einer schweren Metalltüre. Ich horchte auf und versuchte auszumachen woher das Geräusch kam, da hörte ich auch schon einen verzweifelten Schrei, wahrscheinlich ein anderer Gefangener wie ich. Er schrie, er wolle nicht und dass sie ihn doch einfach umbringen sollten, um ihm die Schmerzen zu ersparen. Die Antwort der Männer konnte ich nicht verstehen, vielleicht sagten sie auch nichts. Mit einem weiteren Ächzen schloss sich die Tür wieder und ich hörte ihre Schritte näherkommen. Vor meiner Zelle verstummten sie. Die Männer waren stehen geblieben. ‚Nein. Bitte geht weiter.', flehte ich im Gedanken. Und als hätte mich jemand erhört, erhallten die Schritte erneut und entfernten sich langsam von meiner massiven Zellentür.

Dieser Striker wusste, welche Angst ich hatte, ließ er mich deshalb solang auf die Folterspannen? Seitdem ich aufgewacht war und dem jetzigen Zeitpunkt sind an die zehn Stunden vergangen und es war nichts geschehen. Ich hatte nicht den blassesten Schimmer, ob es Tag oder Nacht war oder ob sie mich bald wieder holen kamen. Vor lauter Schmerzen im Arm konnte ich ihn schon kaum mehr spüren, er war wie taub, was mir etwas Linderung zugestand. Bei jedem noch so leisen Geräusch zuckte mein Körper automatisch zusammen. Wenn ich es nicht schon bereits war, dann wurde ich jetzt mit Sicherheit paranoid. Resigniert starrte ich hinauf auf die schäbige Decke der Zelle. Es stank mit jeder verstreichenden Stunde schlimmer und schlimmer. Es roch nach Verwesung und Blut und ich kam nicht um den Gedanken, wie viele Versuchsobjekte hier wohl schon ihren Tod fanden und ob ich hier drin auch sterben würde. ‚Absurd, Stef reiß dich zusammen.', dachte ich mir. „Erik kommt dich holen.", murmelte ich voller Überzeugung vor mich hin. Immerhin hatte er es mir versprochen. ‚Was ist aber, wenn er nicht kommt?', wurde eine Stimme in meinem Kopf laut. „Halt die Klappe.", gab ich zurück, mir vollkommen im Klaren, dass ich mit mir selbst sprach. Wieso zweifelte ich überhaupt an seinem Versprechen? Ich wusste, er würde es einhalten, bevor er es nicht tun würde, starb er lieber. Und wenn er wirklich bei dem Versuch starb, mich retten zu wollen? „Was ist, wenn er hier vor meinen Augen getötet werden würde und ich nur als Falle für ihn gedacht war? Was ist, wenn mich dann nie jemand hier rausholen würde? Werde ich hier drin etwa zugrunde gehen?", sprach ich erneut mit mir selbst. Wieder flossen Tränen meine Wangen hinab, wie sehr ich mir eine Ablenkung wünschte, um meine Angst abschwächen zu können, sie für ein paar Minuten zu vergessen. Ich griff mit meiner gesunden Hand an meine Brust und spürte etwas in meiner Brusttasche. Ich war überrascht, als ich Eriks Hemd an dem Tag der Entführung zum Training angezogen hatte, war mir das gar nicht aufgefallen und das bis jetzt nicht. Wahrscheinlich war ich einfach zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt gewesen, als dass ich einen Gedanken an so etwas Triviales verschwendet hätte. Zögerlich griff ich hinein und zog ein Blatt Papier heraus. Zumindest dachte ich das, bis mir auffiel, dass es ein Foto war. Auf der Rückseite stand etwas in krakeliger und kaum lesbarer Schrift. „Für meinen alten Freund. Dein Charles.", las ich laut vor. Schnell drehte ich das Bild um und lachte vor Freude. Das Bild zeigte Charles und meinen über alles geliebten Erik. Charles lachte glücklich auf dem Bild, wohingegen Erik eher so aussah als wurde er dazu gezwungen. Das sah ihm ähnlich. Ich betrachtete es genauer und erkannte, dass Erik auf dem Foto genau dasselbe Hemd trug, wie ich gerade. Ich musste lächeln, auch wenn es mir eigentlich nicht danach war. Ich sah mir sein Gesicht an, seinen Mund, seine Nase, seinen drei-Tage-Bart und zu guter Letzt seine wunderschönen blauen Augen. Auch wenn das Bild schwarz-weiß war, konnte ich dieses Blau sehen, denn es war das schönste, das ich je gesehen hatte und je sehen werde. Ich drückte das Foto an mein Herz, vielleicht wurde der Schmerz dann besser. Das Einzige, was ich mir jetzt wünschte, war noch ein aller letztes Mal in seine Augen zu sehen. Noch nie in meinem Leben hatte ich mir etwas sehnlicher gewünscht als das. Es vergingen etliche Minuten in denen ich still sein Abbild betrachtete. Da ertönten wieder Geräusche im Gang und ich schreckte hoch. Schnell ließ ich meine Entdeckung wieder in der Brusttasche des Hemdes verschwinden und hoffte, es würde niemand finden. Schritte ertönten und erneut betete ich, sie würden weitergehen. Dem war nicht so. Mit einem Knall öffnete sich meine Zellentür und ein mir unbekannter Mann zerrte mich am Handgelenk meiner gesunden Hand schmerzhaft aus der Zelle. Alles ging so schnell, ich hatte gar nicht die Möglichkeit nachzudenken, was nun passieren würde. Bloß die Angst war wieder allgegenwärtig. Ohne Rücksicht auf mich schleifte mich der Mann immer weiter. Ich wollte schreien und mich wehren, aber ich wusste nicht was es mir gebracht hätte. Still und mit Panik erfüllt, versuchte ich also dem großen, bulligen Mann zu folgen, darauf bedacht keinen Mucks von mir zu geben. Ein paar verwinkelte Gänge und Türen später, waren wir anscheinend am Ziel. Er öffnete eine massive Tür, welche mit einem quietschen einen bedrohlichen Raum hinter sich preisgab. Unsanft stieß er mich hinein. Vollkommen perplex sah ich mich um, während gleichzeitig die Tür wieder verriegelt wurde. „Guten Morgen, Fräulein McCoy, schön Sie wieder zu sehen."

H.O.P.EWo Geschichten leben. Entdecke jetzt