Neuer Nachbar

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Ich stöhnte leicht auf als ich das Durcheinander im Zimmer sah. Meine ganzen neuen Klamotten lagen im ganzen Raum verteilt herum. Ich hätte vielleicht nicht alles so durchwühlen sollen. Langsam machte ich mich dran das ganze Zeugs aufzusammeln und es wieder in die Tüten zu stopfen. Als ich damit fertig war, stellte ich sie in eine Ecke des Zimmers. "Naja viel Platz ist hier ja nicht mehr.", redete ich mit mir selbst. Die Tür wurde geöffnet und Erik trat ein. "Oh wow du hast dein Chaos endlich aufgeräumt.", sagte er erstaunt. "Naja so weit der Platz es zugelassen hat.", quasselte ich vor mich hin, meine Arbeit immer noch betrachtend. "Du könntest deine Sachen doch einfach in dein Zimmer tragen.", schlug er mir vor. Entgeistert sah ich ihn an. "Und was dann? Soll ich etwa in der Früh das halbe Gebäude durchqueren um mich in meinem Zimmer umzuziehen?", fragte ich scharf. "Hey das war nur ein Vorschlag. Außerdem könntest du doch dann mal wieder alleine schlafen." Das hatte er jetzt aber nicht gesagt oder? Nein, nein, nein. Was ist wenn meine Alpträume wieder zurück kommen? Er kann mich in der Nacht nicht alleine lassen. Niemals. "Gehts dir gut?", fragte er mich besorgt als ich keine Anstalten machte irgendetwas zu erwidern. Ich drehte mich ruckartig um und fiel ihn um den Hals. Er erstarrte vollkommen perplex. "Du kannst mich nicht alleine schlafen lassen, was ist wenn meine Alpträume wieder kommen. Bitte tu mir das nicht an. Bitteee.", flehte ich in sein Shirt. "Auf gar keinen Fall.", sagte er schockiert, "ich würde dich nicht alleine lassen, solange du es nicht ausschließlich von mir verlangst." Seine Stimme war so sanft wenn er mit mir redete. Am liebsten würde ich ihm den ganzen Tag zuhören, aber das ging nun leider nicht. "Dann bin ich aber erleichtert." Meine Stimme klang nicht mehr so hoch wie eben vor einer Minute. Ich löste mich geschickt aus seiner Umarmung und lächelte ihn an. Meine Augen strahlten. "Aber deine Sachen wandern trotzdem irgendwo anders hin. Meine Ecke ist nicht wirklich ein geeigneter Platz dafür." Er musterte die Tüten und dann mich. "Naja ich könnte die Sachen Jean zurück geben und einfach deine Sachen anziehen!", grinste ich ihn, wie ein Kleinkind, an. "Das hättest du wohl gerne. Aber nein. Ich habe eine andere Idee. Da du neben Jean wohnst und ich hier neben Scott, werde ich einfach fragen ob du und er nicht Zimmer tauschen wollt. Wir hätten glaube ich beide gewonnen." "Die Idee klingt gut. Ich hab ja so oder so nichts in meinem Zimmer, was ich umräumen müsste." Meine Miene nahm einen traurigen Zug an. Ich hatte nichts weil das Feuer mir alles genommen hatte. "Ähm Erik ich gehe nach draußen. Trainieren.", sagte ich und ließ ihn einfach stehen. Ich wollte nur für einen Weile alleine sein.

Eriks POV:
Ich konnte es nicht glauben. Sie ließ mich einfach stehen. Ich verstand, dass sie Zeit brauchte. Der Gedanke an das was sie verloren hatte, liegt nun mal tief und ist verwurzelt mit dem Schmerz. Zuerst wollte ich ihr nachlaufen, aber ich glaubte jetzt wollte sie nicht mal mich bei sich haben und ich akzeptierte es einfach, wenn auch widerwillig. 'Dann werde ich eben mal produktiv', dachte ich und begab mich auf die Suche nach Jean. Das kam mir vor wie ein Deja vu. Da ich es nicht wirklich eilig hatte, schlenderte ich langsam zu ihrem Zimmer und klopfte dreimal an ihre Tür bevor sie sie öffnete. "Erik?", sagte sie überrascht. "Ja. Also ich...", fing ich an. "Sag nichts. Es geht um Stef hab ich recht?" "Du liest wohl gerne Gedanken. Da hab ich wohl recht oder?", stellte ich eine Gegenfrage. "Recht schon aber diesmal war es nur besonders gut geraten.", lächelte sie. "Und das soll ich dir glauben?", sagte ich mit hochgezogener Braue. "Hey du willst doch etwas von mir, mein Lieber.", empörte sie sich und streckte mir die Zunge heraus. Ich schüttelte den Kopf. "Was geht in euren Köpfen nur vor?", grinste ich. "Das würdest du jetzt wohl gerne wissen, hmmm? Aber um auf das Thema zurück zukommen: Ich glaube Scott hat kein Problem mit dem Tausch." "Was? Ohh du warst in meinem Kopf.", leuchtete es mir ein. "Dann hab ich zu danken und wärs ein Problem wenn..." "Nein wäre es nicht. Ich vertseh dass du alles erledigt haben willst wenn sie zurück kommt." "Es ist immer wieder eine Freude Geschäfte mit dir zu machen."

Gesagt getan. Jean, Scott und ich machten uns sofort an die Arbeit und in weniger als dreißig Minuten war alles arrangiert. "Ich habe nochmal zu danken. Wenn ihr mal was brauchen solltet, dann keine Scheu, fragt mich einfach okey?" Beide nickten mir zu und verabschiedeten sich. "Dann hab ich nur noch eine Sache zu erledigen." 'Bitte klappt das', betete ich im Stillen vor mich hin. 'Bitte'. Ich war gerade so verwirrt, dass mir erst kurz vor meinem Zimmer einfiel dass ich zu Charles wollte. Und sein Büro war auf der anderen Seite. Ich bin so ein Idiot. Hoffentlich war alles erledigt bis sie wieder da war, ansonsten wäre alles umsonst gewesen. Diesmal konnte ich es mir nicht leisten langsam den Gang entlang zu schlendern. Ich musste mich beeilen. Mit einem Ruck öffnete ich Charles Tür. "Hast du etwas gefunden?", fragte ich hoffnungsvoll. "Seit wann bist du denn so enthusiastisch?" "Charles bitte.", drängte ich, "ich habe keine Zeit mehr." Er sah mich an und schüttelte lächelnd den Kopf. "Das ich das noch mal miterleben darf." "Charles.", sagte ich ungeduldig. Er drehte seinen Kopf nach rechts und deutete in die Zimmerecke. "Da steht der Karton.", sagte er. "Ich bin dir was schuldig. Danke.", sagte ich gehetzt und griff mir die Schachtel. Ich war schon halb aus dem Zimmer getreten als Charles mir noch zurief: "Ich werde darauf zurückkommen." Jetzt muss ich mich aber beeilen. Ich glaubte noch nie schneller das Gebäude durchquert zu haben als jetzt. Schnell öffnete ich die Tür zu Stefs neuem Zimmer und stellte den Karton ab. Ich öffnete ihn und förderte einige Dinge zu tage über die Stef sich sicher freuen würde. Als ich alles fertig ausgeräumt hatte, verräumte ich die Schachtel und ging in mein Zimmer zurück. "Phuuu das wäre geschafft.", stöhnte ich. Anscheinend war meine Eile etwas unnötig gewesen. Stef schien noch nicht wieder da und so legte ich mich aufs Bett und angelte mir ein Buch vom Nachttisch. Der Raum wirkte plötzlich so groß nachdem alle Tüten und Klamotten nun in ihrem Schrank verstaut worden sind. Gerade als ich die zweite Seite umblättern wollte, öffnete sie dir Tür. "Hey.", sagte sie betrübt. Sofort sprang ich auf und ging auf sie zu. "Wie gehts dir?", fragte ich sie besorgt. Sie schien geweint zu haben und das brach mir das Herz. Ich nahm sie in meine Arme und versuchte einfach nur für sie da zu sein. "Wie wärs, lass uns dein neues Zimmer begutachten. Was sagst du dazu?" "Was soll ich groß sagen? Es ist doch nur ein leeres Zimmer, mit Klamotten im Schrank.", schluchzte sie. "Das bezweifle ich stark. Ich hab nämlich eine Überraschung für dich. Komm mit." Ich nahm meine Arme wieder zu mir, ergriff ihre Hand und zog sie mit mir, auch wenn es etwas unfreiwillig war. "Erik bitte, lass mich einfach. Ich will nicht.", jammerte sie. Wir standen vor ihrer Tür und ich öffnete sie für sie.

Stefanies POV:

Wieso musste er mich noch tiefer in diese Trauer stürzen? Verstand er denn nicht, dass ich dazu gerade nicht in der Stimmung war. Er öffnete die Tür und zerrte mich in den Raum. "Und?", fragte er voller Erwartung. "Was und? Tut mir leid ich bin nicht in der Stimmung." "Sieh dich jetzt einfach um.", drängte er mich fast schon wütend. "Nagut.", gab ich mich geschlagen und sah mich um. Plötzlich erstarrte ich. Das konnte doch nicht war sein? Das ist unmöglich. Ich schlug mir eine Hand vor den Mund und mir flossen Tränen die Wangen hinunter. "Wie..woher. Ich dachte alles wäre verbrannt.", schluchzte ich. "Nein. Die Polizei hatte die Sachen die es überlebt haben in eine Kiste getan und ich habe sie mir beschafft.", er lächelte stolz und zufrieden. Auf dem Nachttisch stand die kleine Lampe die mein Bruder immer benutzt hatte wenn er abends las. In meinem Bett lag ein Kissen, das früher unsere Couch geziert hatte. Am Schreibtisch lagen Bücher und Zeitschriften die in meines Vaters Arbeitszimmer gestanden hatten. Ich konnte mein Glück nicht fassen. Diese ganzen Kleinigkeiten. Die Tränen flossen immer hemmungsloser und ich wusste Nichts zu sagen. "Öffne mal den Schrank.", sagte er mit sanfter Stimme. Ich tat es. Es hingen meine neuen Kleider darin aber ich glaube nicht dass er dies gemeint hatte. Also schaute ich mich um. Und da entdeckte ich in der unteren Ecke des Schrankes einen kleinen, angekokelten Teddybären. Meine Augen leuchteten auf. Dieser Bär war mein aller erstes Stofftier gewesen und jetzt hatte ich ihn wieder. Sofort nahm ich ihn auf und knuddelte ihn. Die Welt blendete ich fast vollkommen aus. Ich war so verdammt glücklich in diesem Moment. Keine Worte könnten das beschreiben. Ich drehte mich zu ihm um und unsere Blicke trafen sich. Meine Tränen hatten immer noch nicht aufgehört. "Gefällts dir?", fragte er. Ich nickte. "Dann schau doch mal aufs Bett." Sein Blick schweifte auf einen rechteckigen Gegenstand, der darauf lag. Ich war verwirrt. Was konnte er denn noch haben? Und da hielt ich es in der Hand. Meine Beine drohten mir den Dienst zu versagen und meine Stimme war verschwunden. "Du wolltest doch unbedingt ein Bild von deiner Familie." "Ich....ich.." "Du brauchst mir nicht zu danken. Es war mir eine Ehre.", sagte er und ließ mich mit diesem Moment kurz alleine. Mein Körper bebte und mein Herz raste. Er war einfach perfekt. Niemand sonst hätte das je für mich getan. Wie schon des Öfteren heute fiel ich ihm in die Arme und durchnässte sein Shirt. Er streichelte mir beruhigend über den Rücken und ich konnte fühlen wie erleichtert er war und wie sehr er sich für mich freute. "Du bist der Beste.", verschluckte ich mich fast an meinen eigenen Tränen. "Ich weiß." lachte er und seine Umarmung wurde noch enger.

H.O.P.EWo Geschichten leben. Entdecke jetzt