Bleib bei mir

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Nach einigen Stunden wachte er wieder auf und sah mich mit großen Augen an. Ich hatte es, während er schlief, nicht für nötig gehalten, meine gesamten Kräfte auf die Linderung seiner Schmerzen zu konzentrieren, weshalb er mich jetzt gerade wohl so ansah. "Ich halt das hier nicht mehr lange durch.", stöhnte er auf. Ich sah ihn schuldig an. "Und all das ist meine Schuld.", nuschelte ich vor mich hin, ohne zu wissen, dass er es gehört hatte. "Wollten wir diese Diskussion nicht auf sich beruhen lassen?", fragte er gequält. "Ich kann nicht, solange ich dich hier so sehe. Es ist einfach, dass ich an nichts anderes denken kann, als an die Schmerzen die du gerade durchlebst.", sagte ich betrübt und verstärkte meine Kräfte, um seine Schmerzen zu lindern. Erleichtert stöhnte er auf. Langsam drehte er seinen Kopf in meine Richtung. Das blau kehrte in seine Augen zurück, auch wenn es noch etwas trüb war. Sein Blick lag nun traurig auf mir. "Du weißt, dass ich dir nie die Schuld hierfür geben würde oder?", fragte er mich. Ich wandte meinen Blick ab. Es war unmöglich ihm in die Augen zu sehen. Ich würde mich einfach nicht konzentrieren können und gerade jetzt brauchte ich meine ganze Gehirnkapazität, um sicher zu gehen, dass nicht er die ganze Schuld auf sich nahm. "Und ich könnte sie niemals dir geben. Würdest du auch vor mir jemanden töten, so würde ich es abstreiten. Du kannst in meinen Augen einfach nichts falsch machen, das geht nicht." Stille. "Sieh mir in die Augen, Stef.", drängte er, aber ich schüttelte den Kopf. "Ich kann nicht, besser gesagt würde ich es nicht ertragen.", erwiderte ich. "Wieso bist du dann überhaupt gekommen, wenn du mich nicht mal ansehen kannst?", fragte er etwas wütend. "Du wolltest mich doch sehen!", gab ich etwas zu schroff zurück. "Das mag ja sein, aber ich wollte sicher keine Stef sehen, die mir nicht mal in die Augen sehen kann. Ich wollte dich hier haben, weil es mir immer besser geht wenn du da bist, aber wenn ich sehe wie niedergeschlagen und deprimiert du bist, macht es mich auch traurig und das brauche ich jetzt gerade echt nicht.", erklärte er mir. "Aber was soll ich denn tun? Du bist verletzt, weil meine Flammen dich verbrannt haben. Meine und nicht Pyros. Es tut mir leid, wenn du gedacht hast, dass ich hier fröhlich hereinspaziert komme und so tue als wäre nichts passiert.", gab ich genervt zurück und noch immer konnte ich ihn nicht ansehen. "Das verlange ich doch gar nicht von dir. Es ist passiert, ja, aber es war nicht deine Schuld. Vielleicht waren es deine Flammen, aber Pyros Schuld, nicht deine. Du magst es anders sehen, aber niemand schreibt es dir zu. Also bitte hör auf damit.", sagte er betrübt, "Und sieh mich doch bitte endlich an.", ergänzte er. In seiner Stimme lag eine solche Traurigkeit, dass ich nicht anders konnte, als seiner Aufforderung Folge zu leisten. Nun schimmerten seine Augen wieder in genau dem blau, das ich so sehr liebte und es machte mich glücklich. "Wir sollten uns nicht streiten." "Das will ich auch gar nicht, aber du glaubst nicht, wie sehr mich das alles hier fertig macht. Durch ein Feuer wurde mir schon einmal alles genommen, ich will nicht, dass sich das noch einmal wiederholt." "Es hat sich doch gar nicht wiederholt.", stellte er zufrieden fest und setzte ein Lächeln auf seine Lippen. "Aber solange ich meine Kräfte nicht beherrsche, kann es immer wieder passieren und darauf bin ich nicht vorbereitet." Würde so etwas wirklich noch einmal geschehen, so würde ich nicht mehr leben wollen. Es ist schon schlimm genug eine Familie zu verlieren, die einen über alles geliebt hatte, aber dann noch einen Menschen zu verlieren, denn man selbst gewählt hatte und den man über alles liebte, das könnte ich nicht mal ansatzweise ertragen. Ich wollte es mir nicht vorstellen. Nach einer kurzen Pause setzte ich meinen Satz fort: "Also habe ich beschlossen zu gehen." Ich weiß nicht wieso ich das gesagt hatte, aber es kam mir richtig vor. So würde ich ihn nie mehr verletzten können. Vollkommen schockiert schreckte er hoch. Er saß kerzengerade in seinem Bett, auch wenn es ihm sehr große Mühen kostete und nicht ganz schmerzfrei war. "Was verdammt meinst du damit?", fragte er entgeistert. "Du solltest dich hinlegen.", sagte ich besorgt. Er schüttelte den Kopf. "Sag mir was du damit meinst? Mir sind meine Schmerzen scheißegal, sag mir zuerst was du damit meinst.", verlangte er verzweifelt. Ich könnte schwören eine Träne in seinen Augenwinkeln zu sehen.

"Damit ich dir nicht mehr weh tun kann, habe ich beschlossen mich von dir fern zu halten. Als du geschlafen hast, habe ich mir das gründlich überlegt und ist besser so. Ich könnte es nicht noch einmal ertragen dich zu verletzen.", sagte ich mit Bestimmtheit. Jetzt da ich es ausgesprochen hatte, war ich mir über diese Entscheidung nicht mehr ganz so im Klaren. Mir kam es plötzlich total dämlich vor, aber immerhin wäre er außerhalb der Reichweite meiner Kräfte und das konnte nur gut sein. "Das kannst du mir nicht antun.", flehte er und sein Blick wurde so unendlich traurig, dass ich ihn erneut nicht ansehen konnte. "Bitte, sag nichts. Ich habe meine Entscheidung getroffen, mach es mir nicht schwerer als es ist.", gab ich leicht flehend zurück. "Du sagtest du würdest es tun, um mich nicht mehr zu verletzten, aber was ist wenn ich dir sage, dass du mir mit dieser Entscheidung mehr weh tun würdest als es deine Flammen je könnten?", versuchte er mich umzustimmen. "Das ist nicht möglich. Glaube ich zumindest.", murmelte ich vor mich hin. Je mehr er sagte, desto weniger gefiel mir was ich hier tat. "Woher willst du das wissen?", rief er aufgebracht. "Du weißt doch gar nicht, was ich nicht alles für dich tun würde, wenn es hieße dich an meiner Seite haben zu dürfen." 'Hör auf, Erik. Tu mir das nicht an', dachte ich mir. "Genau das ist das Problem. Nur aus diesem Grund ist das alles erst passiert. Pyro wusste genau, dass du alles für mich tun würdest und das nutze er aus. Du weißt es wäre nie soweit gekommen, wenn wir uns nicht so nahe stehen würden.", versuchte ich ihm klar zumachen. Immer noch aufrecht saß er in seinem Bett. Die ganze Farbe war ihm aus dem Gesicht gewichen. "Sag mir bitte, dass dies hier ein schlechter Scherz ist, dass ich immer noch schlafe und das bloß ein grauenhafter Alptraum ist, aus dem ich jeden Moment aufwache." "Ich muss dich wohl wieder enttäuschen. Es tut mir leid.", sagte ich sanft. "Nein.", schrie er, "hör auf dich für Dinge zu entschuldigen. Es reicht. Wieso bitte denkst du es ist besser, wenn du dich von mir fernhälst? Pyro weiß, dass du mir etwas bedeutest egal, ob du dich von mir fernhälst oder nicht. Pyro wird dich trotzdem nicht in Ruhe lassen, dass weißt du genau so gut wie ich." Er ließ die Worte auf mich wirken. "Aber....", versuchte ich eine Antwort zu formulieren."Nein, kein aber. Du sagtest du machst das hier, weil du denkst so könntest du mir nicht mehr weh tun. Ich habe es dir und werde es dir so oft sagen, bist du es begriffen hast. Nichts kann mir mehr weh tun als deine Abwesenheit. Du kannst nicht in mein Leben treten, mich akzeptieren, mich sogar gern haben und dann einfach sagen du gehst. Willst du mich umbringen? Stef, sie mir in die Augen.", forderte er mich auf. Ich tat wie mir befohlen. Es war als würde er in meine Seele blicken und es tat weh. "Du weißt ich würde alles für dich tun. Ich habe geschworen dich vor allem zu beschützen. Ich würde für dich sterben, wenn es hieße du wärst in Sicherheit. Du könntest, wenn du wolltest, mich noch tausendmal verbrennen, sollte es dir deine Schuldgefühle nehmen. Da ich geschworen habe dich zu beschützen, muss ich dich auch vor die selbst beschützen. Ich weiß, dass du diese Entscheidung bereuen wirst und dass sie dir wahrscheinlich mehr weh tut, als sie es mir je könnte. Mich zu verlassen wird dir nicht das geben, was du dir erwartest, du wirst bloß wieder in deine Depression zurückfallen. Du willst mir aus dem Weg gehen, weil du glaubst es würde mich retten. Aber was ist wenn ich dir sage, dass du die jenige bist die mich rettet? Sogar jetzt, in diesem Moment, spüre ich keine Schmerzen weil du da bist. Du willst mich gehen lassen, um mir nicht weh zu tun, dabei bist du die, der es am meisten weh tut. Ich würde es vielleicht ohne dich schaffen, immerhin hatte ich in all den Jahren auch niemanden, aber du schaffst es alleine nicht. Also tut dir doch bitte einmal im Leben selbst einen Gefallen und denk noch mal darüber nach." Als er geendet hatte, wusste ich nicht was ich sagen sollte. Es entsprach alles der Wahrheit und ich konnte nicht leugnen, dass ich ohne ihn nicht auch nur einen Tag überstehen würde. Auch er wollte lieber sterben als mich zu verlassen. "Hast du einen letzten Wunsch?", fragte ich. "Bleib bei mir.", flüsterte er. Ich lächelte. Seinen Augen begannen wieder zu strahlen, genau so wie ich es liebte. "Unter einer Bedingung.", sagte ich. Er horchte auf. "Du legst dich sofort wieder hin.", sagte ich bestimmend. Er grinste und tat wie ihm geheißen. Ich stand auf und legte mich neben ihn. "Ich bin froh, dass du es dir anders überlegt hast.", flüsterte er mir in mein Ohr. "Weißt du, ich glaube auch nicht, dass ich das lange hätte durchziehen können." Ich legte meinen Kopf auf seine Brust und hörte sein Herz hämmern. "Jetzt schlaf, ich habe dich zu viel aufgeregt. Du hast dir einen langen Schlaf verdient." Er flüsterte ein 'Ja' und schloss seine Augen.

H.O.P.EWo Geschichten leben. Entdecke jetzt