Die Alpträume kehren wieder

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Ich konnte es immer noch nicht fassen. All das hat er nur für mich getan und dann auch noch ohne jegliche Art von Gegenleistung. Ich lag auf meinem Bett und wusste nicht ob ich weinen oder lachen sollte. Das was Erik mir hier zurückgegeben hatte, war ein Stück von mir. Er hatte mir einen Teil meiner Vergangenheit, den ich lange für verloren geglaubt hatte, wieder geschenkt. Ein Teil meines Zuhauses ist wiedergekehrt und auch ein Teil meines Herzens. Wie sollte ich meine Schuld gegenüber ihm je begleichen? Mir fehlt leider die Möglichkeit ihm seine Vergangenheit wieder zugeben und ich wusste auch nicht ob er sie überhaupt wieder haben wollte. Erik war gerade unterwegs um uns etwas zu essen zu besorgen und so gab er mir auch die Möglichkeit, das alles auf mich wirken zu lassen. Ich setzte mich auf meinem Bett auf und schaute mir erneut das Foto von meiner Familie an. "Mum, Dad, Bruderherz, ich vermisse euch so sehr!", fing ich an zu schluchzen und strich mit meinem Finger über das Bild. Eine Träne tropfte darauf und meine Sicht trübte sich. "Wisst ihr, vor einer Woche noch habe ich geglaubt, dass das Leben keinen Sinn mehr hat, dass es nur aus Zorn, Schmerzen, Leid und Trauer bestehen würde und ich dazu verdammt war alles auf einmal zu fühlen. Der schiere Schmerz drohte mich zu zerquetschen und in den Nächten hatte ich das Gefühl als würde mich die Dunkelheit mit sich ziehen. Aber dann plötzlich war da ein Licht. Es strahlte heller als alles andere was ich je gesehen hatte. Es blendete mich förmlich. Zu lange war ich im Dunkeln. Und wisst ihr was? In diesem Licht tauchte ein Mann auf und streckte mir die Hand entgegen. Er zog mich wieder zurück auf die Beine und trocknete meine Tränen. Er ließ meine Alpträume verstummen und gab mir wieder Halt im Leben. Ich fühle mich wieder lebendig und meine Einsamkeit verschlingt mich nicht mehr von innen. Und wisst ihr wer dieser Mann in Gestalt eines Engels war? Sein Name ist Erik und er ist das Beste, was mir je passiert ist. Ich wünschte ihr könntet hier sein und ihn kennen lernen. Ihr würdet ihn sicher mögen....." Weiter konnte ich nicht reden, zu sehr schmerzte mich die Erinnerung an sie. "Ich glaube mit Engel übertreibst du es dann doch ein wenig.", grinste Erik, der mit unserem Essen in der Tür stand. Ich erschrak und das Bild in meiner Hand fiel aufs Bett. "Du...du..hast alles gehört?", stotterte ich. "Ja und es tut mir leid. Das hätte ich nicht tun dürfen." Entschuldigend sah er mich an. "Schon..schon gut.", sagte ich verlegen. "Ich hoffe ich enttäusche deine Erwartungen nicht.", zog er mich belustigt auf. Nun lächelte auch ich. Mein Trübsal war wie weggeblasen und das schaffte auch nur er. "Hier. Ich dachte du hättest vielleicht Lust auf Kuchen." Er reichte mir das Tablett. Still aßen wir. "Wie soll ich dir jemals dafür danken?", durchbrach ich die Stille wieder. Er rückte ein Stück zu mir auf und lehnte sich an die Hinterseite des Bettes. "Ich habe das als meine Pflicht angesehen. Ich konnte doch nicht zusehen wie mein Mädchen traurig ist." Er wuschelte mir durchs Haar während er mich anstrahlte. "Lass das ich meine es ernst.", quengelte ich. "Ich doch auch. Aber wenn du schon so erpicht darauf bist mir zu danken, dann versuch doch heute mal alleine zu schlafen. Einverstanden?" Ich nickte leicht nervös und lehnte meinen Kopf gegen seine Schulter. "Keine Sorge ich bin gleich neben an okey?", versuchte er mich zu beruhigen. "Dein Teddy wird dich beschützen.", sagte er, nahm sich den Teddy und kitzelte mich mit ihm. Ich fing an zu kreischen und er hörte auf. "Aber Teddy mag dich doch so sehr.", scherzte er und ich streckte ihm meine Zunge heraus. "Ich muss los, bis heute Abend." Er stand wieder auf und ging.

"Bist du bereit?" "Werde ich müssen." Er setzte sich neben mich aufs Bett und deckte mich zu. "Ich bin neben an das weißt du. Hab keine angst." Erik küsste mich auf die Stirn und bewegte sich langsam auf die Tür zu. "Wenn du Alpträume hast, komm einfach zu mir. Du weißt ich bin auch für dich da.", murmelte ich fast unhörbar vor mich hin. Ohne zu antworten verließ er den Raum. Die Müdigkeit übermannte mich und so blieb mir nicht viel Zeit um über irgendetwas nachzudenken. Ich drehte mich einmal um und fiel in einen unruhigen Schlaf.

'Ich stehe auf einer wunderschönen Wiese. Vor mir erstreckt sich das Meer an dessen Horizont die Sonne in die Tiefe gezogen wurde. Der Himmel leuchtete Feuer rot. Er schien zu brennen. Plötzlich sah ich wie jemand auf mich zu kam und ich versuchte ihn zu erkennen. Vergebens. Er blieb eine Silhouette am anderen Ende. Sie kam immer näher und irgendwie wusste ich, dass es Erik war. Oder was wahrscheinlicher war, hoffte ich es einfach. Langsam aber sicher wurde mir bewusst, dass nicht er sich auf mich zu bewegte sondern ich auf ihn und er kam der Klippe besonders nahe, die sich hinter ihm erstreckte. Ich blieb stehen als er nur noch einen Schritt vom Abgrund entfernt vor mir stand. Wir starrten uns an als er mir etwas zuflüsterte: "Es tut mir leid. Ich konnte dich nicht beschützen." Ich verstand nicht. Was meinte er damit. Schlagartig wurde es mir bewusst, aber es war zu spät. Der Himmel, ach was rede ich da, alles hatte begonnen in Flammen aufzugehen und in deren Mitte stand er und brannte lichterloh.'

Mit einem Schrei schreckte ich schweißgebadet hoch. Mein Herz drohte mir aus der Brust zu springen.
Mein Puls raste und ich bekam keine Luft mehr. Eine Panikattacke überrollte mich. In vollkommener Verzweiflung versuchte ich aufzustehen, doch meine Beine gaben nach. Blanke Panik überfiel meine Sinne. Ich konnte nicht mehr klar denken und zerbrach innerlich daran.  Die Flammen wurden immer größer vor meinen Augen und da tauchte Erik in ihnen auf. Er zog mich an sich und hob mich auf das Bett zurück. "Es ist alles gut, Kleines. Ich bin da und niemand wird dir etwas tun. Keine Flammen und auch kein Mensch." Seine Arme legten sich um meine Taille und ich vergrub meinen Kopf in seiner Halsbeuge bis mein Körper aufhörte zu beben. Es dauerte Minuten während denen Erik mir beruhigend über den Rücken strich. Ich riss mich zusammen und atmete tief ein. "Gehts dir gut?", fragte er ängstlich. "Jetzt schon, aber bitte geh nicht weg. Sonst kommen sie wieder.", sagte ich verzweifelt und drückte meinen Kopf wieder an seine Brust. "Versprochen.", wisperte er in mein Ohr. "Wenn du willst, kannst du wieder in meinen Armen schlafen. Wie klingt das?", fragte er. "Verdammt gut.", sagte ich. Er schob die Decke beiseite, legte sich darunter und ich schmiegte mich an ihn. Meine Angst war wie weggeblasen und auch die Flammen waren gänzlich verschwunden. "Gute Nacht.", flüsterte ich. Er begann mit meinem Haar zu spielen und ich wurde immer weiter in eine Nacht ohne Träume davon getragen. Er war bei mir und ich war sicher.

H.O.P.EWo Geschichten leben. Entdecke jetzt