Es tut weh

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Anscheinend hatte ich es doch geschafft einzuschlafen, war mir aber nicht sicher, ob ich nun noch müder war als vor meinem Schläfchen oder nicht. Ich hatte das Gefühl, dass meine Schmerzen umso größer geworden sind. Es schien als würde mein ganzer Körper in Flammen stehen und nicht nur eine Hälfte. Das Morphin half nicht mal ansatzweise, auch wenn ich die volle Dosis bekam. Aber egal wie groß meine Schmerzen auch waren oder wie groß sie auch werden würden, ich brächte es nie übers Herz sie jetzt aufzuwecken. Wenn sie neben mir schlief, sah sie so friedlich aus. Ihr Gesicht glich dem eines Engels. Niemand würde ihr je wieder etwas antun, das schwor ich bei allem was mir wichtig war. Ich versuchte mich irgendwie abzulenken, um den Schmerzen zu entgehen, aber es wollte einfach nichts funktionieren. Ich versuchte immer wieder meine Gedanken auf etwas anderes zu lenken. Zuerst dachte ich an meine Mutter, aber schnell stimmten mich diese Erinnerungen traurig. Sie war nicht mehr auf dieser Erde und der Grund dafür waren die Menschen. Wut machte sich in mir breit, denn wenn ich daran dachte, wie die Menschen mir mein Leben zur Hölle gemacht hatten, dann wurde ich daran erinnert, was sie ihr angetan hatten und das war unverzeihlich. Wie konnte man einem Mädchen nur alles nehmen, was sie hatte? Ihre Familie zerstören und ihr dabei ins Gesicht lachen? Warum mussten Menschen immer alles zerstören oder töten, was sie nicht verstanden? Nicht wir Mutanten waren grausam, sondern ganz alleine sie. Wir versuchten nur uns zu verteidigen und uns das zurück zu holen, was sie uns genommen hatten. Es war doch nichts falsch daran, wir schlugen bloß mit denselben Mitteln zurück. Wenn sie töteten, töteten wir, wenn sie zerstörten, zerstörten wir. Und trotz alldem waren es immer die Mutanten, die Schuld hatten. Wir waren immer die, die angefangen hatten. Auch wenn sie keinen Grund hatten uns anzugreifen, taten sie es. Dann hieß es immer wir wären eine potentielle Gefahrenquelle, die sie auslöschen mussten, bevor es wirklich gefährlich geworden wäre, doch wäre ein Angriff von unserer Seite nie erfolgt. Just in diesem Moment wurden meine Gedanken durch meine pochenden Schmerzen unterbrochen. Ich hatte nicht erwartet, dass es noch schlimmer werden konnte. Es war schlimm sich zu fühlen, als würde man direkt in der Hölle brennen, aber vielleicht hatte ich das ja verdient. Langsam freundete ich mich mit dem Gedanken an, dass das hier meine Strafe war, für alles was ich getan hatte.

Ich war zwar sehr darauf bedacht sie nicht zu wecken, aber ich konnte nicht länger still liegen. Mit einem leisen Raunen wachte sie neben mir auf. Ich war inzwischen schweißgebadet. Sie schreckte hoch, als sie sah wie sehr ich litt und sofort setzte sie ihre Kräfte ein. Mit sofortiger Wirkung wurden meine Schmerzen gelindert und mein ganzer Körper kühlte sich wieder ab. "Warum hast du mich nicht geweckt.", fragte sie aufgebracht. "Du hast so schön geschlafen.", verteidigte ich mich. "Ja aber du gehst durch die Hölle, also was sollte das?", meinte sie wütend. "Was meinst du?", fragte ich sie verwirrt. "Ich meine warum du meinen Schlaf über deine Schmerzen stellst? Ich sehe doch wie sehr du leidest und du denkst 'ach was, sie schläft so schön, ich leide lieber weiter'. Weißt du ich finde das nicht lustig.", sagte sie noch aufgebrachter als zu vor. Eigentlich war ich viel zu erschöpft, um mit ihr zu diskutieren, aber ich konnte sie ja nicht einfach ignorieren. "Bist du jetzt wirklich wütend, weil ich dich nicht geweckt habe?", sagte ich erschöpft. "Nein.", meinte sie entschuldigend, "ich bin wütend, weil du immer nur daran denkst was für mich am besten ist und nie daran denkst auch dich mal an die erste Stelle zu stellen. Lieber würdest du neben mir sterben, als dass du mich bei einem Buch unterbrechen würdest. Ich schätze diese Eigenschaft zwar sehr an dir, aber bitte setz deine Prioritäten richtig." Sie sah mich mit einem traurigen Blick an. "Du hast das nicht verdient, also lass es mich so schmerzfrei wie möglich gestalten, immerhin habe ich die Möglichkeiten dazu.", flehte sie. Wenn ihre Stimme einen solchen Ton einschlug, konnte ich ihr keine Bitte abschlagen und ich glaube das wusste sie genau. "Nagut, ich werde dich das nächste Mal wecken, wenn ich es nicht mehr ertrage. Aber ich tue es nur sehr ungern, lass dir das gesagt sein.", stimmte ich ihren Forderungen zu. "Ich schulde dir etwas.", grinste ich sie an und sie lächelte. Mein Tag war nun gerettet. Immer wenn sie lächelte, schien die restliche Welt völlig uninteressant. "Du bist ein Idiot.", lachte sie. "Warum?", fragte ich sie verwirrt. "Weil ich dir nichts schulde. So gesehen sind wir nun Quitt. Du hast mich beschützt und ich rette dich jetzt.", zwinkerte sie mir zu. "Ob du das als 'retten' bezeichnen kannst.", scherzte ich und sah, wie sie gespielt gekränkt ihre Mundwinkel verzog. "Dir ist schon klar, dass ich deiner vollkommen Herr bin, oder?" "Das wage ich sehr zu bezweifeln.", entgegnete ich. "Achja?", meinte sie und hob streitlustig eine Braue. Plötzlich spürte ich, wie der Schmerz sich langsam mein Bein hocharbeitete. "Ok, ok, ich hab verstanden, aber bitte lass das.", rief ich ihr zustimmend und kurz darauf fühlte ich, wie sich ihr Wasser wieder über mein ganzes Bein erstreckte. "Wirst du das jetzt immer gegen mich einsetzen?", fragte ich zögerlich. Sie setzte sich auf dem Bett auf und lächelte mich schelmisch an. "Hmm, nein. Eine Demonstration meiner Macht reicht mir vollkommen.", beruhigte sie mich.

"Wie gehts dir sonst so?", fing sie an das Ganze in eine andere Richtung zu lenken. "Seitdem du wieder wach bist, gehts mir blendend.", versicherte ich ihr. "Aber mich würde eher interessieren, wie es dir geht? Hast du Alpträume oder sonst irgendwelche Probleme?" "Haben wir nicht eben noch darüber geredet, dass du deine Prioritäten richtig setzten sollst? Du bist hier das Opfer nicht ich." Innerlich musste ich grinsen. Wir beiden waren uns so ähnlich. Sie stellt mich über sich und ich tat es genau umgekehrt. Eigentlich waren das ziemlich große Interessenskonflikte. "Ich mag vielleicht körperliche Schmerzen haben, aber Pyro hat dir sicher ganz anders zugesetzt.", versuchte ich sie zu überzeugen. "Mir geht es gut, Erik. Wirklich.", versicherte sie mir schnell. Für meinen Geschmack etwas zu schnell. Wahrscheinlich wollte sie mich einfach nicht mit ihren Problemen belasten, da sie wusste wie sehr ich selbst zu kämpfen hatte. Wie wir jedoch festgestellt hatten, waren mir ihre Probleme wichtiger als die meinen, also ließ ich nicht locker. "Du weißt, ich kaufe dir das nicht ab oder?", stellte ich fest. Stef versuchte diese Frage zu ignorieren, indem sie aus dem Fenster sah und so tat als würde sie mich nicht hören. "Stef?", sagte ich eindringlich. Sie seufzte und wandte ihren Kopf wieder in meine Richtung. "Ja ich weiß, aber ich finde meine kleinen Probleme sind jetzt nicht wichtig. Hauptsache dir geht es gut." "Mir ginge es aber weit aus besser, wenn du mit mir reden würdest." "Ich rede doch mit dir.", wich sie mir aus. "Stef, stell dich nicht dumm. Sag mir was los ist?", bat ich sie eindringlich. Anscheinend wurde es ihr auf dem Bett zu unbequem, weshalb sie aufstand und zum Fenster ging, aus dem sie nun, wie gebannt auf das Geschehen von draußen starrte. "Ich habe angst, okay? Ich habe dank dir keine Alpträume mehr und dafür werde ich dir nie genug danken können. Aber ich glaube nicht, dass du mir die Angst vor mir selbst nehmen kannst.", fing sie an. Sie ließ die Worte auf mich wirken, bevor sie weiter sprach: "Ich habe angst, dass meine Flammen jeden Moment wieder ausbrechen könnten und du weißt, dass dieser Gedanke nicht ganz abwegig ist." Besorgt ruhte mein Blick auf ihr. "Ich kann dir zwar nicht versprechen, aber ich glaube du hast unrecht. Deine Flammen brechen bloß aus, wenn du angst hast oder wütend bist, also glaub mir wenn ich dir sage, dass es unmöglich ist, dass deine Flammen jetzt ausbrechen." Sie drehte sich um und lächelte mich an. "Danke, Erik.", sagte sie. Mich verwirrte, dass sie mir nicht widersprach. "Ist das nicht normal der Moment, indem du mir widersprechen musst?", lachte ich. "Nein, ich vertraue dir und wenn du sagst, dass ich mich beherrschen kann, dann glaube ich dir." Seit langem war ich über eine Antwort nicht mehr so glücklich, wie über diese. "Ich vertraue dir auch.", bestätigte ich und schlief zufrieden wieder ein.

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H.O.P.EWo Geschichten leben. Entdecke jetzt