Kapitel 10 - Ein Tag bei den Spelzigs

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Der Regen prasselte an die Fensterscheiben und füllte den Raum mit einem angenehmen Rauschen. Das Licht, das durch die dichten Wolken drang, reichte nicht aus, um das schmale Zimmer zu erhellen. Die kleine Schreibtischlampe kämpfte wacker gegen die Dunkelheit an.

Lena legte den Stift zur Seite, als sie Schritte vor der Tür hörte. Ilan steckte den Kopf in sein Zimmer.

„Es gibt essen.“

„Ich komme.“, antwortete sie, klappte das Buch zu und folgte ihm die Treppe hinunter.

Lena war bereits seit zwei Nächten bei Ilans Familie. Heute Abend wollte sie wieder zurück nach hause gehen. Sie konnte der Familie Spelzig schließlich nicht ewig auf die Nerven gehen, nur weil sie zu feige war, sich ihrem Vater zu stellen. Schweren Herzens musste sie nun also wieder zurück in ihr altes Leben, auch wenn das bedeutete, diese wundervolle Familie zu verlassen.

Unten angekommen, war der Tisch bereits gedeckt und die Familie saß gut gelaunt darum herum. Warum kann das bei uns nicht auch so sein?, fragte Lena sich.

Wenn sie am Wochenende etwas zu Essen haben wollte, musste sie sich selber etwas kochen. Meistens machte sie dann für ihren Bruder etwas mit, dieser aß dann in seinem Zimmer. Ihr Vater war normalerweise arbeiten und so saß Lena ganz alleine am Tisch und starrte die Wand an. Sie hatte sich sogar schon mal dabei ertappt, dass sie mit ihr redete.

Es gab Spagetti mit Tomatensoße. Lena langte ordentlich zu. Für die bevorstehende Reise nach hause brauchte sie genug Nervennahrung. Sie wollte erst am Abend, nach dem Essen, zurückgehen. Dann war es wahrscheinlich, dass ihr Vater schon wieder an seiner Arbeit saß und ihr Kommen nicht bemerkte. Sie wurde ein wenig ängstlich beim Gedanken an das bevorstehende Gespräch. Es ließ sich aber leider nicht vermeiden, nur hinauszögern.

Das Essen schmeckte lecker und war schnell verzehrt. Nachdem sie fertig war, kam Moritz um den Tisch herum auf sie zu.

„Du musst mit in mein Zimmer kommen.“, rief er aufgeregt, „Ich will dir etwas zeigen.“

Lena konnte dem Kleinen einfach keine Bitte ausschlagen. Sie folgte ihm in sein Zimmer, wo er erst einmal einen Stuhl von seinem Spielzeug befreite und ihn ihr zum sitzen anbot. Lena fand das total süß. Er war ein richtiger kleiner Gentleman.

Dann kramte Moritz auf seinem Schreibtisch in seinem Durcheinander, bis er fand, was er gesucht hatte.

„Siehst du! Das habe ich gemalt.“ Er hielt ihr ein großes Blatt Papier unter die Nase. Sie nahm es entgegen.

Auf dem Bild war ein Bauernhof abgebildet. Lena erkannte eine Kuh und ein Pferd und noch einige andere Tiere. Dahinter standen ein Haus und ein großer, grüner Traktor.

„Das ist ja toll geworden!“, lobte sie den Kleinen. Und das stimmte. Für die Zeichnung eines achtjährigen Jungen wirkten die Linien unglaublich genau und überlegt. Natürlich sah man, dass es eine Kinderzeichnung war, aber sogar Lena, die nur wenig Ahnung von Kunst hatte, konnte das Talent, das dahinter steckte, deutlich erkennen.

Moritz lief bereits wieder zu seinem Schreibtisch und kam mit einem Stapel weiterer Bilder zurück. Über alle konnte Lena nur staunen. Wie machte er das nur, in dem Alter schon so gut zeichnen zu können! In manchen Bildern erkannte sie bei genauem Hinsehen den Stil, den auch Moritz’ Bruder beim Zeichnen verwendete, der bei Ilan aber natürlich wesentlich besser ausgeprägt war.

Nachdem er alle Bilder vorgezeigt und für jedes einzelne sein Lob kassiert hatte, setzte Moritz sich mit einem Stift und einem großen Block auf einen Stuhl ihr gegenüber und machte große Augen.

„Gefallen sie dir?“

„Natürlich tun sie das. Du kannst wirklich gut malen. Du wirst mal ein richtig großer Künstler.“

Moritz strahlte. „So wie Lan?“

„Bestimmt sogar noch besser.“, versicherte sie ihm. Dann deutete sie auf den Block, den er in der Hand hielt. „Was willst du jetzt malen?“

„Dich!“, antwortete er. „Ein Por-trait.“ Er sprach das Wort in einzelnen Silben aus, als hätte er es auswendig gelernt. Vermutlich hatte Ilan ihm erklärt, was es hieß.

„Dann darf ich mich jetzt nicht mehr bewegen, richtig?“

Moritz nickte eifrig und fing an, zu zeichnen, sobald Lena die richtige Haltung eingenommen hatte. Er machte dabei eine sehr professionelle Miene und Lena musste sich anstrengen, nicht zu lachen. Der kleine war einfach zu niedlich.

Moritz malte etwa zwanzig Minuten. Als das Bild endlich fertig war, zeigte er es ihr stolz. Lena musste lächeln. Das Bild war wundervoll. Natürlich nicht perfekt, man konnte aber erkennen, dass es sich um ein Mädchen handelte. Das musste nicht unbedingt sie sein, aber im direkten Vergleich sah es Lena schon ziemlich ähnlich.

„Gefällt es dir?“, kam die unsichere Frage von Moritz.

„Ob es mir gefällt?“ Lena musste lachen. „Es ist fantastisch. Du bist wirklich ein toller Maler.“, war ihre ehrliche Antwort.

„Ich schenke es dir.“, lachte der Kleine. Lena bedankte sich herzlich und versicherte, es an einem ganz besonderen Ort aufzuhängen. Dann wuschelte sie ihm durch die Haare und ging. Sie musste noch ihre Sachen packen.

In Ilans Zimmer war es noch immer nicht heller geworden, seit sie essen gegangen waren. Ilan saß am Schreibtisch und las. Erst wollte sie ihn fragen, was er las, dann sah sie erschrocken den roten Einband des kleinen Buches.

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Das war das neue Kapitel :D Ich hoffe, es gefällt euch! *-*

Ich starte mal eine kleine Umfrage: Was denkt ihr, was als nächstes passiert? Wie reagiert Lena darauf, dass Ilan ihr Buch liest? :)

Und spart nicht mit den Kommis! Ein paar kritische Worte brechen niemandem was und mir würden sie echt helfen :D :*****

LG Zara

Das Tagebuch - Ein Traum aus TinteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt