„Herein“, erklang Niels Stimme von innen.
Lena trat ein.
Wohlige Wärme und ein angenehmer Duft umfingen sie. Leise Melodien von Adele schwebten ihr entgegen. Sie fühlte sich geborgen, noch ehe sie sich umgesehen hatte. Erst nach den ersten zaghaften Schritten konnte sie sich auf die optischen Eindrücke konzentrieren.
Es war eng, aber gemütlich. Neben ihr stand eine kleine Küche mit einer Theke und einem Waschbecken. Den Laminatboden bedeckte ein weicher Teppich mit einem Motorrad als Motiv. Ihr gegenüber führte eine schmale Tür in ein weiteres Zimmer. Daran war eine Fotocollage befestigt, die hauptsächlich Niel und seine Schwester zeigte. Darunter hing in dunkelblauer Schrift dasselbe Zitat von Beethoven, das ihr schon in Doras Zimmer aufgefallen war:
„Wahre Kunst bleibt unvergänglich.“
Ein dichter Vorhang trennte einen weiteren Abschnitt des Raumes und verhinderte die Sicht darauf. Unwillkürlich musste sie sich fragen, was wohl dahinter war.
Zu ihrer Linken gab es eine Sitzecke mit Sofa und Tischchen. Niel saß bequem in einer Ecke und beobachtete sie beim Eintreten. Er grinste sie breit und freundlich an.
„Hey, da bist du ja. Willkommen in meinen eigenen vier Wänden! Gefallen sie dir?“ Er zwinkerte und stellte die Musik ein wenig leiser.
Lena musste lachen. „Es ist total cool! Und du wohnst wirklich hier drin?“
„Jepp, nur ich alleine. Ohne jemanden, der mir Regeln auferlegen kann. Das hier ist mein eigenes Reich. Und jetzt zieh die Schuhe aus und setz dich.“
Er klopfte mit einer Hand neben sich auf das Sofa. Lena gehorchte und ließ sich neben ihm in die weichen Polster sinken. Zu ihrer Erleichterung sah sie, dass Niel seine Schulsachen bereits auf dem Tisch ausgebreitet hatte. Sie räumte ebenfalls ihre Unterlagen aus ihrer Tasche und sie fingen an, zu lernen.
Leider verstand Niel Geschichte genauso wenig wie Lena Physik, sodass sie mit dem Lernfortschritt im Schneckentempo vorankamen. Die Zeit wollte einfach nicht vergehen. Schon nach einer Stunde konnten sich beide nicht mehr konzentrieren.
Es war hoffnungslos.
Niel warf mit einem Schoko-Bon nach ihr.
Die Süßigkeiten-Tüte hatte er geholt, damit es nicht ganz so langweilig wurde. Lena fing die kleine Süßigkeit auf.
„Wie nennt man die Einheit, in der Druck gemessen wird?“, fragte er.
Lena knabberte an ihrer Unterlippe. Sie war auf jeden Fall nach einem Wissenschaftler benannt worden. War es Newton? Pascal? Sämtliche Namen der Wissenschaftler, die sie in den letzten Minuten durchgenommen hatten, schwirrten ungeordnet in ihrem Gehirn herum.
„…Vielleicht Joule?“, riet sie.
„Nein“, seufzte er, „Pascal“
Lena verzog ihre Miene.
„Das ist ja wie Vokabeln lernen!“ Sie starrte unglücklich auf den Schoko-Bon, den sie aufgrund der falschen Antwort leider nicht vernaschen durfte. Als Antwort auf sein schadenfrohes Grinsen stupste sie ihn leicht mit dem Fuß ans Bein. Sie saßen sich auf dem Sofa gegenüber, die Füße in der Mitte.
Lena schmiss die Süßigkeit zurück und fragte schmunzelnd: „Wodurch wurde die Machtstellung der Pharaonen am meisten legitimiert und gesichert?“
„Bitte was? Woher soll ich das wissen!“
„Ist das deine Antwort oder willst du noch versuchen, die Sache zu retten?“
Niel starrte missmutig auf die winzige Süßigkeit in seinen Händen. Er hatte bisher erst einen von den kleinen Naschereien essen dürfen.
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Das Tagebuch - Ein Traum aus Tinte
Teen Fiction„Es wird bald regnen." Die schwarzen Wolken, die sich vom Horizont her langsam und bedrohlich auf sie zuschoben, würden in einigen Minuten über dem Wald angekommen sein. Annell wollte sich gar nicht vorstellen, in was für einer Hölle aus prasselndem...