Kapitel 45 - Unerklärliche Geschichten

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„Es ist schon einige tausend Jahre her, in einem uns unbekannten Land. Heute weiß niemand mehr, wo es liegt. Es ist vergessen, nur die Legenden vergangener Zeiten berichten noch von ihm.

Dort lebte ein Mann, der Haus und Hof besaß und frisch verheiratet war. Seine junge Frau erwartete ein Kind.

Eines Tages bekam der Bauer ein Angebot eines Geschäftsmannes, der ihm Land verkaufen wollte. Es war gutes Land, nah gelegen und mit fruchtbarem Boden, doch der Landwirt zögerte. Er müsste seine gesamten Ersparnisse investieren und er konnte so viel Land gar nicht bestellen. Würde seine Frau jedoch einen Jungen gebären, so könnte dieser später den Hof übernehmen. Wäre es ein Mädchen, so würde man sie verheiraten und der Kauf wäre verschwendetes Geld – Geld, das die zukünftige Familie dringend benötigte.

Der Geschäftsmann hatte einen weiteren Kunden und drängte den zukünftigen Vater zur baldigen Entscheidung.

Derweil hörte man in der Stadt von einem Fremden, der behauptete, alles zu wissen und alles zu sehen.

Der Mann schöpfte neue Hoffnung. Nachts stahl er sich von seiner Frau fort und in den Wald. Dort war es finster und schaurig. Er fand den Mann in einer verlassenen Ruine. Kleinlaut stellte er seine Frage. Der Fremde trug einen schwarzen Umhang und seine Stimme klang laut und grollend.

Du bist ein herzensguter Mensch, deshalb gebe ich dir eine Antwort. Deine Frau wird einen Jungen gebären. Er wird stark und kräftig sein und dir auf deinem Hof helfen können.

Der Mann bedankte sich, ging zurück und kaufte das Land. Wenige Monate später gebar seine Frau tatsächlich einen Sohn!

Doch die erwartete Freude blieb aus, denn die Mutter wurde schwer krank und drohte, zu sterben.

Der Mann war verzweifelt, deshalb suchte er den mysteriösen Fremden erneut auf. Er schien sogar noch unheimlicher als zuvor. Trotzdem stellte der Vater tapfer seine neue Frage, denn er wollte wissen, was er tun musste, damit sie wieder gesund wurde. Der Fremde grummelte missmutig und antwortete:

Du lässt deinen neugeborenen Sohn und deine todkranke Frau allein zu Haus, um mich zu treffen? Doch deine Absichten sind ehrenwert, deshalb will ich dir auch diese Frage beantworten. Pflücke die Frucht vom Baum vor eurer Tür und gib sie ihr zu essen. Innerhalb von drei Tagen wird sie gesunden.

Dem Vater grauste es. Woher wusste der Fremde, wo er wohnte und welcher Baum vor seinem Haus wuchs? Trotzdem tat er, was er gesagt hatte und gab seiner Frau jeden Tag von der Frucht zu essen.

Und tatsächlich erhob sie sich drei Tage später von ihrem Lager und war wieder gesund.

Doch sie wurde auch misstrauisch. Woher wusste ihr Mann von der heilbringenden Pflanze? Und wohin verschwand er manchmal in der Nacht?

Als er sich das nächste Mal aus dem Haus stahl, folgte sie ihm heimlich in den Wald und beobachtete das Geschehen. Sie erschrak vor dem fremden Mann in der Kutte, doch belauschte das Gespräch neugierig.

Guter Mann, du hattest mit allem Recht. Meine Frau gebar einen Sohn und sie erwartet sogar ein weiteres Kind. Sie wurde wieder gesund, als ich ihr die Frucht reichte und ihre Wangen glühen rosiger denn je. Du musst wirklich ein allwissender Mensch sein. Ich danke dir, doch ich habe noch eine weitere Frage:

Wie alt werden ich und meine Frau werden?

Da wurde der Fremde zornig und sprach:

Das wolltest du mich fragen? Hat es dir etwa nicht gereicht, dass ich dir den Sohn voraussagte? Und dass ich deiner Frau half, gesund zu werden? Bist du denn nie zufrieden mit dem, was du hast?

Das Tagebuch - Ein Traum aus TinteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt