Kapitel 31 - Ein dringendes Gespräch

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Auf dem Rückweg sprachen Ilan und sie kaum ein Wort. Schweigend liefen sie nebeneinander die Straße hinunter, zusammen mit den sorgenfreien Bewohnern, die ihren Spaziergang an der frischen Luft genossen. Es kam Lena unrealistisch vor, dass es so viele Menschen gab, die unbeschwert durch das Leben gehen konnten, während sie sich mit Problemen befassen musste, die teilweise nicht einmal mehr von dieser Welt waren.

Vor Ilans Haus blieb sie stehen. Sie dachte, dass Ilan sich von ihr verabschiedete und verschwand und wollte sich schon verabschieden, doch er schüttelte den Kopf.

„Wir müssen dringend reden.“

Da war sie ganz seiner Meinung. So wie jetzt konnte es nicht weiter gehen. Ein ernsthaftes Gespräch war längst überfällig.

Sie entschieden sich, zu Lena zu gehen. Ihr Bruder würde erst in einer guten Stunde zurückkommen; bis dahin hatten sie genug Zeit, sich in Ruhe auszusprechen.

Zuhause angekommen, machte Lena ihnen die Reste einer Suppe warm.

Sie setzten sich.

Schweigend löffelte jeder die dampfende Flüssigkeit in sich hinein.

Lena wusste nicht, wo sie anfangen sollte. Es gab so viele ungeklärte Fragen und bei manchen war sie sich nicht sicher, wie er reagieren würde. Sie dachte angestrengt über ein wenig verfängliches Thema nach, mit dem dieses Gespräch beginnen konnte, doch ihr fiel nichts Passendes ein.

Ilan war schließlich schneller als sie und begann.

„Niel hat mich vorhin in der Schule gefragt, ob du einen Freund hast.“

Lena hätte sich beinahe an ihrer Suppe verschluckt. Geschockt starrte sie Ilan an.

Er beobachtete ihre Reaktion, konnte sich ein Schmunzeln aber nicht verkneifen.

„Echt?“, brachte sie hervor.

Er nickte. „Er war sich nicht sicher, ob etwas zwischen uns beiden läuft. Ich habe ihm gesagt, dass wir nur befreundet sind…“ Jetzt war er eindeutig unsicher.

Lena nickte langsam. Sie musste schlucken. Dann lächelte sie.

„Sandora hat mich vor ein paar Tagen genau dasselbe über dich gefragt.“ Jetzt war Ilan an der Reihe, sie fassungslos anzustarren. „Warum bist du so überrascht?“ sie musste schmunzeln. „Es ist offensichtlich, dass sie dich mag.“

Ilan schaute ein wenig verlegen in seine Suppe.

„Ich hab mir sowas schon gedacht, aber ich war mir nicht sicher… hat sie noch etwas gesagt?“

Wie süß!

Ilan wurde tatsächlich ein wenig rot. Lena wusste selber nicht, warum, doch sie musste ihn einfach ermutigen. Es wäre falsch und egoistisch gewesen, es nicht zu tun.

„Sie hat gesagt, sie würde dich sehr mögen.“

Ilans Kopf schoss in die Höhe. Seine grauen Augen glänzten wie die eines Kindes, dem man Schokolade geschenkt hatte.

Lena musste grinsen. Es freute sie, ihn so glücklich zu sehen. Doch dann wurde sein Gesichtsausdruck wieder ernst.

„Was hast du geantwortet?“

„Dasselbe, was du Niel gesagt hast.“

Er hob die Augenbrauen. „Und du hast nichts dagegen…?“

Lena schüttelte den Kopf, doch sie konnte nicht verhindern, dass ihr Lächeln erlosch.

„Ich freue mich für euch.“ Und sie meinte es auch so. Aufrichtig.

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