„Na, du kleine?“, flüsterte Lena. „Bist du ganz allein hier?“ Ein leises Miauen. „Ich auch. Aber mach dir keine Sorgen. Es ist nicht gefährlich. Ich passe auf dich auf.“
Da die Katze sie ohnehin nicht verstehen konnte, versuchte sie mit ihren Worten hauptsächlich sich selbst zu beruhigen. Die Katze schnurrte ununterbrochen und schien im Gegensatz zu ihr überhaupt keine Angst zu haben. Lena wunderte sich, wie zutraulich sie war.
Beim Betrachten des schönen Tieres fiel ihr auf, dass es auf seinem linken Vorderbein ein wenig humpelte. Außerdem war ihr rechtes Auge seltsam glasig. Vielleicht war es blind? Lena lief es eisig den Rücken hinunter bei dem Anblick des leeren Blickes. Auch das Fell fühlte sich nicht ganz so seidig an, wie es zu Beginn ausgesehen hatte. Es war dünn und unregelmäßig. An einem der Knöchel fand sie sogar eine gänzlich kahle Stelle.
„Was ist denn mit dir passiert? Hast du dich verletzt?“, fragte sie besorgt. Natürlich erhielt sie keine Antwort. Stattdessen hörte sie auf einmal Motorengeräusche. Erschrocken sah die Katze auf und lief davon. Lena richtete sich ebenfalls ängstlich auf.
Vielen Dank für die hilfreiche Unterstützung.
Sie sah das graue Tier hinter einer Hausecke verschwinden. Dann tauchten zwei Scheinwerfer am Gassenende auf. Lenas Herz hämmerte beinahe doppelt so schnell wie normalerweise. Sie zog ihr Handy aus der Tasche und tat, als sei sie gänzlich unbeteiligt und vertieft in ein Gespräch mit jemandem, der es merken würde, wenn sie plötzlich entführt wurde. Tatsächlich behielt sie den Wagen jedoch genauestens im Auge und spannte alle Muskeln an – jederzeit bereit zur Flucht. Sie hoffte, das Auto würde sie ignorieren und einfach weiterfahren. Mit klopfendem Herzen verfolgte sie es im Augenwinkel, bis es schließlich bei ihr ankam und anhielt.
Erst da erkannte sie es und ihr fiel ein großer Stein vom Herzen.
Es war Niels schwarzer Ford.
Erleichtert öffnete sie die Beifahrertür.
„Danke. Es wurde langsam echt unheimlich hier draußen.“
„Mache ich doch gerne.“ Er lächelte schräg. „Komm, steig ein. Ich bringe dich nach hause.“
Lena wollte seinem Vorschlag nachkommen, stockte aber plötzlich und warf einen Blick zurück in die Gasse.
Was jetzt wohl aus dem kranken Kätzchen wurde?
„Warte kurz, ich muss noch mal was gucken.“, meinte sie und lief die Gasse hinunter auf das Haus zu, hinter dem sie die Katze hatte verschwinden sehen.
„Was denn?“, rief Niel ihr hinterher.
„Hier war eben eine kleine Katze. Sie war verletzt.“, rief sie zurück. In den schwarzen Schatten konnte sie jedoch kein Tier ausmachen. Sie hockte sich hin, um mehr auf dem Boden erkennen zu können. Der Spalt zwischen den zwei Häusern war zu schmal, um sich hindurch zu zwängen.
„Miez miez“, flüsterte sie, doch sie konnte keine Bewegung oder irgendetwas, das auf eine Katze hindeutete, erkennen.
„Eine Katze?“, ertönte es hinter ihr. Niel hockte sich zu ihr an den Spalt und schaute ebenfalls hinein. Er riss an einer Plastikverpackung und holte etwas heraus, das er mit langem Arm in den Spalt hielt.
Lena kicherte belustigt. „Du hast Minisalamis dabei?“
„Ist das etwas Besonderes?“ Er grinste schief. Lena wollte etwas erwidern, doch in dem Moment bewegte sich etwas in dem Spalt. Etwas Kleines huschte auf sie zu und blieb dann scheu in sicherer Entfernung stehen.
„Ist schon in Ordnung.“, beruhigte Lena die kleine Katze. „Niel ist ein ganz Netter und tut dir bestimmt nichts.“
„Hast du eine Ahnung“, flüsterte er. „Kleine Kätzchen esse ich normalerweise zum Frühstück.“
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Das Tagebuch - Ein Traum aus Tinte
Teen Fiction„Es wird bald regnen." Die schwarzen Wolken, die sich vom Horizont her langsam und bedrohlich auf sie zuschoben, würden in einigen Minuten über dem Wald angekommen sein. Annell wollte sich gar nicht vorstellen, in was für einer Hölle aus prasselndem...