Kapitel 34 - Kindergelächter

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Flink wie ein Reh sprang sie über Büsche und umgekippte Baumstämme. Der Wald wurde immer dichter, bis sie schließlich daraus hervorpreschte und auf eine Lichtung gelangte. Julian folgte ihr in geringem Abstand. Sie überquerten den schmalen Wiesenabschnitt gemeinsam. Lenas Herz begann vor Aufregung auf und ab zu hüpfen. Kurz bevor sie die letzte Baumgruppe erreichten, griff sie nach seiner Hand und drückte fest zu.

Hinter den Bäumen versteckt hing ihr kleines Baumhaus in den Ästen einer stolzen Eiche. Lena schaute blinzelnd hinauf. Erkennen konnte sie kaum etwas. Das Häuschen wurde von hunderten grüner Blätter verdeckt. Sie hätte es nicht gesehen, wenn sie nicht von seiner Existenz gewusst hätte.

Sie ließen ihr Gepäck am Fuße des Baumes liegen und erklommen ihn mit geschickten Bewegungen. Lena setzte die Füße genau an die richtigen Stellen. Ihr fiel auf, wie gut es ihr gelang. Sie war in den vergangenen Jahren um Einiges gewachsen. Die entfernteren Äste konnte sie nun viel besser fassen.

Oben angekommen erwartete sie ihr altes Baumhaus. Lena stiegen beinahe Tränen in die Augen, als sie es sah. Es wirkte, als warte es seit langer Zeit vergeblich auf die Rückkehr seiner Besitzer.

Die Farbe auf dem rauen Holz war ausgeblichen und trist. Einige Bretter waren verbogen und wölbten sich in alle Richtungen, doch abgesehen davon war es kaum beschädigt. Keine großen Löcher und keine morschen Stellen. Es sah einfach nur furchtbar traurig und einsam aus.

Lena krabbelte zum niedrigen Eingang und strich sacht mit zwei Fingern über das hölzerne Türschild. Das krakelig geschriebene „Traumhaus“ war gerade noch zu erkennen. Lena hatte nur noch eine wage Erinnerung daran, dass sie es geschrieben hatte. Damals war ihre Handschrift noch die eines Kindes gewesen. Julian hatte es trotzdem wunderschön gefunden und über dem Eingang aufgehängt.

Nun hockte er sich neben seiner Schwester auf den Ast. Seine Miene zeigte Bedrückung und auch ein wenig Trauer. Niemand von beiden traute sich, das Häuschen zu betreten, aus Angst, es noch weiter zu beschädigen. Endlos lange Minuten verbrachten sie schweigend auf dem Ast vor ihrem alten Haus und keiner von beiden fand die richtigen Worte, um zu beschreiben, was er fühlte.

Lena war auf der einen Seite unendlich traurig, andererseits barg dieses winzige, schlecht zusammengenagelte Häuschen so viele schöne Erinnerungen an vergangene Zeiten. Kostbare Erinnerungen. Sie waren wie Schätze in einer Truhe und die beiden Geschwister hatten sie soeben gefunden und geöffnet. Glück und Trauer mischten sich in Lenas Herzen und wurden zu einem starken, melancholischen Gefühl.

Irgendwann schlug Julian vor, etwas zu essen und Lena stimmte wortlos zu. Gemeinsam stiegen sie den Baum wieder hinab, setzten sich auf die kleine Lichtung auf ihre Decke und aßen. Sie hatten an alles gedacht: Brote, Obst, Schokolade. Lena biss herzhaft in einen Apfel und blinzelte zur Sonne hinauf. Sie hörte kleine Insekten um sie herum schwirren und genoss die reine Natur in vollen Zügen. Glücklich ließ sie sich in die Decke sinken und schloss die Augen. Wie lange hatte sie das schon nicht mehr getan!

„Seit wann färbst du dir eigentlich die Haare?“, fragte Julian nach einer Weile.

Lena ließ sich nicht verunsichern. Dieser Moment war zu schön, um durch eine einfache Frage zerstört zu werden.

„Seit wann lässt du deine so lang wachsen?“, konterte sie lächelnd.

„Ich war nur länger nicht mehr beim Friseur.“, wich er aus und versenkte seinen Blick wieder in dem malerischen Anblick, der sie umgab.

Aber Lena wusste, was der wirkliche Grund war. Sie konnte sich noch gut daran erinnern, wie ihre Mutter Julian früher immer durch seine langen Locken gewuschelt hatte. Sie hatte seine Haare geliebt. Als er sie eines Tages abgeschnitten hatte, war sie furchtbar unglücklich darüber gewesen. Sie hatte ihn darum gebeten, sie wieder lang wachsen zu lassen, doch Julian hatte sie so gelassen. Er war eben ein Sturkopf.

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