Kapitel 48 - Schokokuchen und Ehrlichkeit

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Wenige Hausecken später stellte sie Ilan zur Rede.

„Was ist denn in dich gefahren? Kannst du mir mal erklären, was das eben sollte?“

Ilan raufte sich die Haare. Er brauchte einige Momente, in denen er dem Laden finstere Blicke zuwarf, dann seufzte er resigniert. Sein Blick war undeutbar. „Ich weiß auch nicht genau. Ich habe mich einfach so aufgeregt. Es war alles irgendwie seltsam. Der ganze Laden ist das.“

„Aber warum schreist du denn gleich so rum?“ Sie war schon ein wenig sauer. Es war abgesprochen gewesen, dass sie nur ganz vorsichtig nachfragten und nicht das Personal fertig machten.

„Es hat mich einfach derart aufgebracht. Dieser ganze Krempel und das geheimnisvolle Getue… Ein mystisches Buch, dass ich nicht lache! Die lügen doch wie gedruckt und reden ihren Kunden irgendwelchen Schwachsinn ein! Wer weiß, ob es da mit rechten Dingen zugeht? Nachher verfolgen sie die Leute und manipulieren sie, damit sie noch mehr von ihrem Zeug zu kaufen. Das sind Kriminelle!“

„Du meinst, die haben heimlich meine Haare gefärbt, oder was?“ Gegen ihren Willen musste sie grinsen, wurde aber auch gleich wieder ernst. „Das ist doch totaler Schwachsinn. Ich gehe da jetzt noch mal rein – alleine.“

„Nein, das tust du nicht. Wir verschwinden jetzt von hier.“

Wie bitte? Nell wollte ihren Ohren nicht trauen. Schrieb er ihr tatsächlich gerade vor, was sie zu tun und zu lassen hatte? Empörung machte sich in ihr breit. „Du hast mir gar nichts zu verbieten! Ich gehe da jetzt rein. Wenn dir das nicht passt, fahr doch zurück nach hause.“ Damit drehte sie sich um und ging. Hauptsächlich, um ihre Tränen vor ihm zu verstecken, die langsam in ihr aufkamen.

„Nell, Warte.“, rief er ihr hinterher, doch sie drehte sich nicht um. Sie wollte ihn nicht mehr sehen. Am besten wäre es, wenn er einfach wieder zurückführe. Dann könnte sie alleine ihr Ding durchziehen.

Tatsächlich hatte sie aber genau davor am meisten Angst: Dass er einfach verschwinden und sie zurücklassen könnte. Alleine.

Ärgerlich wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht. Daran wollte sie jetzt nicht denken. Erst einmal musste sie geradebiegen, was Ilan angerichtet hatte.

Vorsichtig trat sie durch die knarrende Eingangstür. Das helle Glöckchen erklang zum zweiten Mal an diesem Tag. Wieder wurde ihr Blick von den staubigen Gegenständen geradezu magisch angezogen, doch sie versuchte, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Sie schritt zwischen den Regalreihen hindurch und gelangte schließlich an den einzigen staubfreien Gegenstand des Raumes: Den Sekretär. Der Verkäufer stand nicht mehr dort, doch Nell hörte Geräusche aus einer Kammer dahinter.

„Hallo?“, rief sie. Wenig später kam der Mann zum Vorschein. Er wirkte ein wenig verunsichert, vor allem, als er sie erkannte. Zögernd trat er an den Sekretär, während er mit den Händen nervös seine Brille putzte.

„Guten Tag.“, begann Nell und setzte ein freundliches Lächeln auf, von dem sie hoffte, dass es den Mann beruhigte. Er nickte nur zum Gruß. Nell konnte ihm seine Skepsis nicht übelnehmen. „Ich muss mich für Ilan entschuldigen. Normalerweise ist er nicht so…“ Ihr fiel keine passende Beschreibung für sein offenkundiges Fehlverhalten ein. Stattdessen holte sie tief Luft und setzte noch einmal neu an. „Ich wollte Sie eigentlich bloß bitten, mir etwas über das Tagebuch zu erzählen.“, erklärte sie.

Der Mann nickte zögernd. „Was soll ich darüber schon sagen? Es ist ein einfaches Tagebuch. Man schreibt die Erlebnisse des Tages hinein, um sie verarbeiten zu können.“ Er geriet etwas ins Stocken. „Soll ich Ihnen erklären, wie man es effektiv nutzt?“

Das Tagebuch - Ein Traum aus TinteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt