„Nimm ab!“, murmelte sie hysterisch. „Nimm ab! Nimm ab! Nimm ab! Nimm…“
„Nell?! Was willst du denn?“
„Ilan!“ eine riesiger Stein fiel von ihrem Herzen, als sie seine Stimme hörte. „Geht es dir gut?“
„Ob es mir gut geht? Du rufst doch grade mitten in der Nacht an! Was ist denn los?“
„Ich habe dich gesehen! Du warst tot – ich meine… ich hatte so schreckliche Angst um dich! Aber… die Vision hat… es war furchtbar… ich hatte Angst…“
„Lena“ seine beruhigende Stimme wirkte Wunder. Sie verstummte auf der Stelle. „Du redest dummes Zeug. Du hast nur schlecht geschlafen – das ist alles. Leg dich wieder hin und ruh dich aus.“
„Aber es war so real…“ Tränen liefen ihr übers Gesicht. Sie hatte den Grabstein noch klar vor Augen. Dunkel. Kalt. Mit seinem Namen darauf…
„Es war nur ein Traum. Beruhige dich.“ Obwohl er noch sehr verschlafen klang, war seine Stimme ruhig und bestimmt. Lena setzte sich benommen aufs Bett.
„Ich habe Angst.“, flüsterte sie.
„Du brauchst keine Angst zu haben. Es geht mir gut, hörst du? Jetzt leg dich wieder hin.“ Lena gehorchte. Sie kuschelte sich in ihre weiche Decke und hielt sich an ihr fest. Mit der anderen Hand umklammerte sie immer noch das Telefon. „Willst du, dass ich weiter am Hörer bleibe?“, fragte er. Seiner Stimme war die Müdigkeit deutlich anzuhören.
Lena wollte nicht alleine in der Dunkelheit zurückbleiben. Sie fürchtete sich davor, ihn plötzlich nicht mehr hören zu können, nicht mehr sicher zu sein, dass es ihm gut ging. Aber sie wollte ihm auch nicht den Schlaf rauben.
Ihre Stimme zitterte erbärmlich. „Nein, das musst du nicht. Ich wollte dich nicht stören. Ich hatte nur Angst…“ Sie atmete zittrig ein. „War es wirklich nur ein Traum?“ Sie hörte sich an wie ein kleines Kind.
„Ganz sicher. Jetzt schlaf weiter.“
„Ich versuche es…“
Er gähnte. „Gute Nacht.“
„Pass auf dich auf, ja?“ Sie hörte zustimmendes Gemurmel. „Gute Nacht.“, flüsterte sie.
Er legte auf.
Lena ließ ihren Kopf vorsichtig auf das Kissen sinken. Sie versuchte, regelmäßig zu atmen. Die letzten Fetzen des Traumes schwirrten noch immer durch ihre wirren Gedanken. Diese unendliche Trauer und das Gefühl des Verlustes hafteten noch an ihr. Sie fühlte sich so schwach und hilflos wie nie zuvor.
Lena wendete sämtliche Methoden an, die Frau Engel ihr zur Beruhigung gezeigt hatte. Nichts davon half. Sie schaffte es einfach nicht, die schrecklichen Erinnerungen loszuwerden. Die ganze Nacht lag sie wach in ihrem Bett und weinte. Zeitweise packte sie die Angst wieder. Dann krallte sie sich in ihre Decke und versuchte, nicht zu schreien.
Die qualvollen Stunden endeten, als ihr Wecker schließlich klingelte. Lena erschrak zu Tode und starrte das Gerät entsetzt an. Erst nach dem dritten schrillen Piepen kam sie auf den Gedanken, es abzuschalten.
Ihre Augen brannten und ihre Gelenke schmerzten.
Sie musste sich zwingen, liegen zu bleiben, ansonsten wäre sie vermutlich aufgestanden und ziellos durch das Haus getorkelt.
Eine Viertelstunde später steckte Julian den Kopf durch ihre Zimmertür.
„Lena? Bist du wach?“
Lena gab sich Mühe, möglichst krank zu klingen. Das war gar nicht nötig, wie sie feststellte. Ihre Stimme war zittrig und rau. Ihre Kopfschmerzen brachten sie zum Stöhnen.
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Das Tagebuch - Ein Traum aus Tinte
Novela Juvenil„Es wird bald regnen." Die schwarzen Wolken, die sich vom Horizont her langsam und bedrohlich auf sie zuschoben, würden in einigen Minuten über dem Wald angekommen sein. Annell wollte sich gar nicht vorstellen, in was für einer Hölle aus prasselndem...