Die Gabe

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Er stand auf dem Dach des Hochhauses. Blickte in die Tiefe, konnte den Boden nicht sehen. Schwärze umhüllte den jungen Mann.  Tief atmete er ein und wieder aus. Er breitete die Arme aus. Er wagte einen letzten Blick. Dann lies er sich nach vorne fallen...

Der Fall hielt nicht lange an. Der Junge nahm eine andere Gestalt an. Er verwandelte sich in einen Drachen.  Er flog in einer hohen Geschwindigkeit über die Dächer der Stadt hinweg. Die schwarzen Schuppen schützten ihn vor Blicken fremder Leute. Er segelte durch die Luft, lies sich gleiten und war zum wiederholten Mal fasziniert von dem Gefühl des Fliegens.
Er sah sich um und landete auf einem Dach eines Hochhauses. New York erstreckte sich vor ihm. Die Lichter der Stadt blendeten ihn etwas, seine Augen waren als Drachen erheblich besser. Er duckte sich und sah hinunter in die Tiefe. Niemand durfte ihn sehen. Sie würden ihn töten. Und das durfte nicht geschehen. Unruhig peitschte er mit dem Schwanz.

Seine Ohren zuckten, als er Geräusche hinter sich wahrnahm. Er drehte sich ruckartig um und stand Auge in Auge mit einem Mädchen. Angsterfüllte blaue Augen starrten ihn an. Panisch sah der Drache sich um. Er legte eine Kralle an die Lippen, er bedeute dem Mädchen still zu sein. "Was... Ein Drache!", stotterte das Mädchen mit bebender Stimme.

Der Nachtschatten konnte nicht anders, das kleine Mädchen verzauberte ihn. Er setzte sich hin und lächelte ein zahnloses Lächeln. Die Furcht wich aus ihren Augen. Sie lächelte ebenfalls und machte einen langsamen Schritt auf ihn zu. Zaghaft berührte sie mit ihrer kleinen Hand seine Nase. Hicks, der Nachtschatten, entschied schnell. Er nahm sie behutsam mit den Vorderbeinen. Dann breitete er seine Flügel aus und flog los.

Erst schrie das Mädchen, doch als Hicks in seiner Drachengestalt einen langsamen Gleitflug eingeleitet hat, jauchzte das Mädchen vor Glück. "Ich fliieeeeege!", rief sie fröhlich. Der Drache lächelte und so flogen sie über New York hinweg. Die blonden Haare des Mädchens flatterten im Wind, die blauen Augen strahlten und funkelten mit den Sternen um die Wette. Sie war das erste Mal seit langem Glücklich. Der Nachtschatten brummelte leise. Sie landeten wieder auf dem Dach. "Danke Drache", sagte das Mädchen und schloss ihn fest in die Arme. "Ich hab dich lieb...", nuschelte sie, während sie sich an den Körper des Reptils presste. Der Drache legte schützend seine Flügel um die Kleine und schloss die Augen.

"Astrid? Bist du hier?", fragte eine männliche Stimme. Erschrocken öffnete der Drache seine Augen. "Aahh!", rief der Mann erschrocken. "Wo ist meine Tochter!?", rief er. Er zückte eine Waffe. Hicks fletschte die Zähne und öffnete die Flügel. Astrid, das Mädchen, taumelte mit einem seligen Lächeln auf den Lippen hervor und erstarrte, als sie ihren Vater sah. "Vater", sagte sie mit piepsiger Stimme. "Ich habe einen Freund gefunden!", sagte sie und strahlte. Der Vater zitterte, die Pistole zielte weiter auf den Drachen, der immer weiter an die Kante des Hauses zurückwich. Er knurrte gefährlich. "Du darfst ihm nichts tun!", rief Astrid erschrocken, als sie die Situation erkannte. Sie stellte sich beschützend vor den Drachen, welcher sie verwundert ansah. Der Vater lies mit zitternden Arm die Waffe sinken. "Astrid", hauchte er. "Komm da weg. Er ist gefährlich", beschwor er seine kleine Tochter leise. Doch diese wich trotzig nicht von seiner Seite. "Lass ... Ohnezahn in Ruhe!" Der Drache war verblüfft. Ohnezahn? Dachte er belustigt. Und da musste der Drache lachen und wuschelte der Kleinen mit der Pfote liebevoll durch die Haare. Der Vater erweichte. "Ich habe endlich mal einen Freund gefunden! Nimm ihn mir nicht weg, bitte Vati!", bettelte das Kind. Ihre großen, blauen Augen füllten sich mit Tränen, sie schob die Unterlippe vor und klammerte sich an Hicks, Ohnezahn.

Der Vater seufzte und lies die Waffe demonstrativ fallen. Astrid strahlte. "Danke Vati!" Sie umarmte ihren Vater freudestrahlend. Der Drache lächelte und nickte dem Vater einmal zu, dann flog er davon.

Der Ton der Pfeife erschallte in New York. Hicks stand in seiner Menschengestalt lächelnd auf dem Dach. Der mittlerweile Zwanzigjährige verwandelte sich in einen Drachen und folgte dem Ruf der Pfeife. Er landete auf dem Dach, wo er vor fünf Jahren Astrid kennengelernt hat. Sie war mittlerweile neun und strahlte, als sie ihren Freund sah. Sie umarmte ihn. Astrid wusste nichts von seiner Menschengestalt. Und das war auch besser so. Sie zog sich auf seinen Rücken und so flogen sie los.

Das ungleiche Paar...

Ich habe es doch tatsächlich geschafft ein Kapitel zu schreiben😄 Gestern habe ich meine andere Geschichte aktualisiert, heute diese!

HTTYD - One ShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt