106. Hoffnung

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Loki

Wenn ich je herausfinden sollte, welcher Trottel den bescheuerten Spruch 'Die Zeit heilt alle Wunden' erfunden hatte, dann würde ich ihn eigenhändig ausweiden, so viel stand fest. Die Zeit konnte nämlich keine Wunden heilen, sie konnte einen nicht vergessen lassen, sie konnte einem den Schmerz nicht einmal erträglicher machen, das einzige, was die Zeit wirklich schaffte, war es den Schmerz als Teil des Lebens zu akzeptieren. Es verging nicht ein einziger Tag, an dem ich nicht an Sie dachte, es gab keine einzige Nacht, in der ich nicht schreiend oder schweißgebadet aufwachte, nicht einmal, wenn ich so viel getrunken hatte, dass die Welt verschwommen war, schaffte ich es sie zu vergessen. Sie war immer da, egal wo ich auch hinsah, verfolgte mich in meinen Träumen und die Sehnsucht sie berühren zu können, ihr helfen zu können, sie brachte mich um. Von Tag zu Tag wirkte sie weniger wie die Marcy, die ich kannte, es war als würde mein Unterbewusstsein genau wissen, dass es ihr nicht gut ging und so sah ich jede Nacht mit an, wie sie schwächer und schwächer wurde, bis sie vermutlich irgendwann weg sein würde. Ich wollte am liebsten wirklich einfach nur noch sterben, das alles beenden, doch ich würde das niemals schaffen, nicht so lange ich nicht wusste, was aus ihr geworden war. So lange sie irgendwo noch existierte, konnte ich niemals einfach gehen.

Sie war nun schon mehr als ein Jahr fort. Ein ganzes verdammtes Jahr, das ich hatte ohne sie erleben müssen, das die schlimmste Folter gewesen war, schlimmer als damals, als ich meinen Tod vorgetäuscht hatte und ein Jahr von ihr getrennt gewesen war, denn damals hatte ich gewusst gehabt, dass sie lebte, dass sie in Sicherheit und bei Freunden war, doch nun? Thor hatte rein gar nichts nützliches herausfinden können, zwar nur noch mehr Legenden über Todesgötter, Beweise für ihre Existenz und wir wussten zwar nun auch, dass es möglich wäre eine Person aus dem Reich der Toten zu retten, im Austausch für eine andere, nur um das zu erreichen, müsste man die Göttin des Todes heraufbeschwören können und wie genau das funktionierte, wusste niemand in allen neun Welten zu sagen.

In den ersten Wochen nach der Schlacht waren die Avengers praktisch ein- und ausgegangen auf Asgard, waren treue Unterstütze für Thor gewesen, hatten mich mit ihren Blicken versucht zu töten und vor allem Rogers hatte ich angesehen, dass er mich am liebsten für das, was geschehen war, hatte tot sehen wollen, doch mittlerweile waren sie kaum mehr da. Ein jeder lebte eben sein Leben irgendwann weiter, zumindest schafften die Sterblichen es schneller mit etwas abzuschließen, schließlich waren ihre Leben so kurz, doch ich hatte noch eine halbe Ewigkeit vor mir und ich würde nicht so schnell über alles, was gewesen war, hinwegkommen, wenn ich es denn je schaffen würde.



„Ihr wirkt so betrübt. Wollt Ihr, dass ich Euch aufheitere, mein Prinz?"

„Nein, eigentlich will ich nur, dass du endlich gehst", erwiderte ich kalt an die Frau gerichtet, deren Namen ich längst wieder vergessen hatte, die nur, wie viele andere vor ihr, dazu diente, mich nicht die Nerven völlig verlieren zu lassen. Ich fühlte mich zwar elendig und mies an jedem Morgen, nachdem ich etwas mit einer anderen Frau als Marcy gehabt hatte, doch es war fast wieder wie in der Zeit, als Marcy und ich kein Paar gewesen waren, in der das einzige, was mir geholfen hatte nicht verrückt zu werden, es gewesen war etwas mit Frauen zu haben, die ihr auch nur in irgendeiner Art ähnelten. Sei es weil sie die gleiche Größe besaßen oder ähnliches Haar, vielleicht auch nur grüne Augen, ich glaubte in diesen Momenten kurz einfach, dass sie da wäre, dass alles gut wäre. Das und der ganze Alkohol halfen mir diese endlosen Tage zu überstehen, bis ich nachts schlafen gehen musste, um sie wirklich zu sehen, nur wieder all das Leid und Elend zu spüren. Einerseits war ich immerzu froh, wenn ich einschlief und sie wieder vor mir sehen konnte. Ich fühlte mich plötzlich wieder so ganz, wenn ich in ihre wunderschönen Augen sah, sich ab und an ein Lächeln auf ihren Lippen erschlich oder ich hören durfte, wie sie mit ihrer lieblichen Stimme meinen Namen aussprach, doch das wirkliche Grauenvolle daran war wohl zu wissen, dass es nicht echt war, dass ich sie nicht halten, nicht berühren konnte, nicht wirklich zumindest.

Loki|| He will be the death of me ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt