- 1 - gedanken

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- auf dem Bild ist ihr Zimmer bzw ein Teil ihres Zimmers dargestellt -

Ich führte ein einfaches und normales Leben. Viel zu einfach und normal für meinen Geschmack.

Jeden Morgen um 6 Uhr aufstehen, ins Bad gehen, umziehen, frühstücken, zur Schule gehen, 6 Stunden lang in einem Raum mit meinen Freunden und anderen Leuten, die ich nicht wirklich leiden konnte, sitzen, nach Hause laufen, mit meinen Eltern zu Mittag essen, Hausaufgaben machen und lernen, Abendessen, Netflix gucken oder lesen, umziehen, Zähne putzen, schlafen gehen. Und genau so ging es jeden Tag. Seit 12 verdammten Jahren.

Ich hatte genug von diesem durchgeplanten Leben. Schule nahm mir meine Freizeit und vor allem meine Freude. War es nicht traurig, dass ich meine Freunde nur in der Schule sah, weil ich sonst kaum noch Zeit hatte? Ich hatte keine Zeit mehr zum leben.

Während ich, wie fast jeden Tag, auf meinen Bett lag, die Decke anstarrte und über mein langweiliges Leben nachdachte, kam mir die Frage, ob ich vielleicht irgendwas in meinem Leben falsch gemacht hatte. Die Frage schwirrte mir nun schon seit ein paar Tagen durch den Kopf. Machte ich vielleicht einfach zu wenig aus meinem Leben? Sollte ich mehr unternehmen? War ich selbst der Grund dafür, dass mein Leben so langweilig war?

Konnte ich mein Leben eigentlich als langweilig und normal bezeichnen? Was war normal eigentlich? Und vor allem war nicht jedes Leben auf seine eigene Art und Weise spannend und besonders? Ich meine, niemand lebt genau das Leben, das du führst. Genauso wie es nur dich einmal auf dieser Welt gibt, gibt es auch dein Leben nur einmal.

Ich hatte meine beiden besten Freunde, Miles und Kat, mit denen ich schon seit dem Kindergarten befreundet war. Ich hatte durchschnittliche Noten, eine 3 reichte mir einfach. Ich schaute die standardmäßigen Netflixserien. Ich las viel zu viele Bücher. Ich schwärmte einem gut aussehenden Typen aus meiner Schule hinterher. Ich war eigentlich wie jedes andere 17-jährige Mädchen. Oder etwa nicht?

Mit meinen Eltern wohnte ich in einem kleinen Haus in einer viel zu kleinen Stadt. Hier kannte jeder jeden. Die nächste Großstadt einpaar Stunden entfernt. Und trotz allem war ich hier irgendwie glücklich. Hier war ich aufgewachsen. Das hier war mein Zuhause.

Kaum zu glauben, dass ich mich nicht von dieser Stadt trennen konnte, ganz egal, wie sehr ich von hier weg wollte. Ich hatte alles hier. Meine Familie. Meine Freunde. Mein Leben. Und trotzdem musste ich meinen Abenteuerdurst irgendwie stillen.

Ich musste von hier weg, wenn auch nicht für immer.

Für mein Leben hatte ich mir einige Ziele gesetzt. Im Ausland leben. Eine Weltreise machen. Kinder bekommen. Heiraten. Ein Buch schreiben und veröffentlichen. Aber das wichtigste Ziel von allen, mein Leben voll und ganz genießen und das Beste daraus machen. Ich wollte nicht irgendwann kurz vorm Sterben feststellen, dass ich nicht richtig gelebt hatte. Ich wollte die Zeit, die ich hatte, nutzen.

Ich wollte ein Leben, für das es sich zu leben lohnte.

Während ich mich langsam aus meinen Gedanken riss, drehte ich mich auf die Seite und blickte meinem Bücherregal entgegen.

Ich besaß definitiv zu viele Bücher, denn bald würde das Regal mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit einfach zusammenbrechen, da war ich mir sicher. Aber ich würde mich niemals von auch nur einem Buch trennen.

Diese Gegenstände, die aus etwas Papier und unzähligen Wörtern bestanden, bedeuteten mir einfach alles.

Ein Buch brachte dich zum Nachdenken und Grübeln. Manchmal ließ es dich auch über das Leben philosophieren. Ein Buch brachte dich zum Lachen und Weinen. Ein Buch ließ dich schmunzeln und deine Augen verdrehen. Ein Buch ließ dich einige Dinge besser verstehen und nachvollziehen. Ein Buch brachte dich in eine andere Welt. Ein Buch ließ dich vergessen und verzeihen. Ein Buch veränderte dein Leben. Außerdem besaß ein Buch die Kraft dir dein Herz in Millionen Einzelteile zu zerbrechen, um es ein paar Sekunden später wieder höher schlagen zulassen.

Bücher waren etwas, dass ich in meinem Leben nie wieder missen wollte. Ich brauchte sie zum Leben und vor allem zum Überleben.

Und man sollte schließlich alles, was man liebte oder zum Überleben benötigte, nah bei sich behalten.

ein Leben wie diesesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt