- 49 - für immer

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In den letzten Tagen hatte ich mit Kat so viel Zeit verbracht, wie es nur ging. Ich wusste, dass ich sie bald gehen lassen müsste, weshalb ich noch mehr Erinnerungen mit ihr sammeln wollte.

Ich hatte ihr sogar erzählt, dass ich mich irgendwie wieder mit Miles vertragen hatte und wir sogar zusammen unterwegs gewesen waren, doch anders, als erwartet, hatte sie sich riesig darüber gefreut und mich in eine stürmische Umarmung gezogen.

Adam aber hatte genau so reagiert, wie ich es vermutet hatte. Am Ende akzeptierte er unsere Versöhnung aber trotzdem und setzte mir zu liebe sogar ein Lächeln auf. Schließlich wusste er, wie viel Miles mir bedeutete und wie schlecht es mir durch unseren Streit ging. Jedoch war mir nicht entgangen, wie Adam kaum hörbar "pass auf dich auf" in meine Haare gemurmelt hatte, als wir uns verabschiedeten.

Wenn ich etwas niemals erwartet hätte, dann, dass Adam und ich mal so gute Freunde werden würden. Ich vergaß sogar, dass ich auf gewisse Art und Weise mal für ihn geschwärmt und ihn für ein arrogantes Arschloch gehalten hatte. Auch, wenn er manchmal zeigte, dass ich mit meiner Behauptung doch nicht ganz so falsch lag.

Mein Leben war wieder in Ordnung und ich konnte deutlich spüren, wie mir deshalb ein riesiger Stein vom Herzen fiel.

Heute war ich mal wieder bei Kat zu Hause, um ihr und ihrer Mutter bei dem Umzug zu helfen. Es war zwar nicht mehr viel zu tun, da der Umzug bereits in ungefähr zwei Wochen sein würde, doch ich wollte ihnen trotzdem ein wenig unter die Arme greifen.

Außerdem konnte ich so noch mehr Zeit mit Kat verbringen.

Die Abschlussprüfungen hatten wir in den letzten zwei Wochen hinter uns gebracht und nun hieß es warten. In einer Woche würden wir die Ergebnisse bekommen und bis dahin hatten wir frei und durften somit machen, was wir wollten.

Während die anderen ihre freien Tage genossen und die Prüfungen schon wieder vergessen hatten, hoffte ich einfach nur, dass ich sie irgendwie bestanden hatte. Ich hatte gelernt und mir echt viel Mühe gegeben, aber ich konnte nicht leugnen, dass mich die vergangenen Ereignisse ein wenig vom lernen abgelenkt und mir die Konzentration geraubt hatten.

"Du wirst schon bestehen, Grace. Mach dir keine Sorgen", ermutigte mich Kat, als hätte sie meine Gedanken gelesen, und legte mir beruhigend eine Hand auf die Schulter.

Ich sah zu ihr auf. "Ich hoffe es", entgegnete ich.

Sie warf mir einen vielsagenden Blich zu, der mir sagen sollte, dass ich mal wieder übertrieb. "Wir schaffen das schon. Ich habe ein gutes Gefühl."

Unsicher zog ich die Schultern hoch und gab trotz meiner Zweifel ein zustimmendes Gemurmel von mir, ehe ich das Thema wechselte. "Was hältst du davon einen Film zu schauen, wenn wir hier mit fertig sind?" Ich zeigte auf den Karton vor uns, in dem bis jetzt nur ein paar Bücher lagen.

"Wir gucken immer einen Film", gab sie zurück und zog nachdenklich ihre Augenbrauen zusammen, "lass uns mal etwas anderes machen."

Gespielt verletzt legte ich mir eine Hand über mein Herz und sah sie traurig an. "Aber das ist unser Ding. Unsere Tradition."

Sie verdrehte lächelnd ihre Augen. "Nein, unsere Tradition ist es mit Miles herumzufahren und dann bei McDonalds essen zu gehen."

"Aber wir gucken immer Filme", versuchte ich es weiter.

Sie drehte sich auf einmal von mir weg und lief auf ihren Schrank zu, um ein paar Sachen herauszuholen. "Und deshalb sollten wir mal etwas anderes machen."

Ich ließ die Schultern hängen und seufzte. "Und was?"

Ohne mir eine Antwort zu geben, ließ sie die rausgesuchten Sachen vor mir in den Karton fallen, machte auf dem Absatz kehrt und verließ ihr Zimmer. Mit einem mehr als verwirrten Gesichtsausdruck folgte ich ihr in das Wohnzimmer, in dem sie sich vor einen Schrank kniete und ein altes Fotoalbum herauszog.

"Du willst dir alte Fotos angucken?", fragte ich und zog eine Augenbraue hoch.

Sie ließ sich auf die Couch fallen und ich tat es ihr kurz darauf gleich. "Ja, ein bisschen in Erinnerungen schwelgen. Du weißt schon."

Ich schüttelte grinsend meinen Kopf. "Du willst echt, dass ich heute noch heule."

Augenblicklich warf sie mir einen warnenden Blick zu. Ihre sturmgrauen Augen funkelten jedoch vor Belustigung. "Wehe du weinst! Es wurde schon viel zu viel geweint", seufzte sie dramatisch. Aber wo sie recht hatte, hatte sie recht.

Meine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. "Okay, okay. Ich werde mich zusammenreißen", versprach ich ihr.

"Sehr gut", sie grinste ebenfalls, "das hier ist ab sofort eine heul - freie Zone."

Eine Stunde später hatten wir bereits verschiedene Alben durchgeschaut, die nun um uns herum verteilt lagen, und es waren sogar ein paar Tränen geflossen, auch wenn es nur Tränen vom vielen lachen waren, Kats neu aufgestellte Regel hatten wir trotzdem gebrochen.

Gerade waren wir dabei uns die alten Bilder von Miles, Kat und mir anzuschauen. Kats Mutter hatte damals ein eigenes Album nur für uns gemacht.

"Guck mal, das war an unserer Einschulung", Kat zeigte freudestrahlend auf ein Bild, auf dem wir drei ganz stolz unsere Schultüten in die Kamera hielten.

Ein Lächeln erschien auf meinem Gesicht, die Traurigkeit, die sich automatisch in mir ausbreitete, spürte ich aber trotzdem. "Meine Schultüte war die schönste von allen, da kannst du sagen, was du willst."

Sie sah mich mit gehobenen Augenbrauen an. "Muss ich dich daran erinnern, wie du Miles die ganze Zeit seine klauen wolltest, weil du sie schöner fandest?", entgegnete sie.

Ich fing an zu Lachen. "Habe ich das ehrlich gemacht?"

"Oh, ja", grinste sie und wendete sich dann wieder den Bildern zu.

Irgendwann bemerkte uns Kats Mutter und kam zu uns ins Wohnzimmer. "Na ihr beiden, was macht ihr da schönes?" Ihr Lächeln war warm und ansteckend.

Kat sah von dem Album auf. "Wir schauen uns die alten Fotos von uns an."

Augenblicklich fing das Gesicht ihrer Mutter zu strahlen an. "Ich müsste irgendwo noch ein zweites Album von euch haben." Sie kniete sich, genau wie Kat vorhin, vor den Wohnzimmerschrank und schaute die Alben durch. "Da seid ihr aber schon etwas älter. Dreizehn oder vierzehn."

Kat verzog angewidert das Gesicht. "Ich weiß nicht, ob ich das sehen will", murmelte sie leise.

"Warum denn nicht?" Ihre Mutter warf ihr einen fragenden Blick zu.

Ich biss mir auf meine Lippe, um das Grinsen zu unterdrücken. "Ich glaube, sie will nicht sehen, wie sie damals herumgelaufen ist", erklärte ich.

Sie verdrehte ihre Augen und ihre Mutter fing an zu lachen. Ich wusste ganz genau, dass ich recht hatte. "Ach Schatz, wenn es dich aufmuntert, ihr drei seid alle früher nicht so hübsch herumgelaufen", gab sie zurück, weshalb ich überrascht zu ihr blickte.

"Wir alle?", fragte ich sicherheitshalber nach.

Sie nickte. "Erinnert ihr euch nicht mehr daran, wie ihr die verrücktesten Kombinationen anhattet? Gestreift mit kariert oder Punkte mit Muster?"

Kat und ich warfen uns einen schockierten Blick zu. "Daran wollen wir uns lieber nicht erinnern", antworteten wir gleichzeitig, weswegen wir alle anfingen zu lachen.

Vor der Haustür blieb ich stehen und drehte mich zu Kat um. "Danke, dass du vorbeigekommen bist und geholfen hast", meinte sie.

"Nichts zu danken", wank ich ab, "das ist selbstverständlich."

Sie zog mich zum Abschied in eine Umarmung. "Ich werde dich vermissen."

"Du weißt, ich sage das eigentlich nicht, weil ich schon lange nicht mehr daran glaube", ich drückte sie so fest an mich, wie ich konnte, "aber ich bin mir sicher, dass das hier für immer sein wird."

Ich konnte es zwar nicht sehen, aber ich wusste, dass sie ebenfalls lächelte. "Für immer und ewig."

ein Leben wie diesesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt