- 38 - verletzende worte

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Der Dienstag verlief ruhig und entspannt, wenn man das stundenlange Rumsitzen und die komplizierten Hausaufgaben überhaupt so nennen konnte.

Miles war auf Abstand gegangen, weshalb ich ihn zwar ab und zu, zu Gesicht bekam, wir aber nie miteinander redeten. Generell redete er kaum noch. Die Pausen verbrachte er meistens mit Will zusammen, dafür leistete Cara uns Gesellschaft.

Ich hätte nie erwartet, dass es mir so weh tun würde, ihn nicht mehr ständig um mich zu haben.

Doch nun war ein neuer Tag, was bedeutete, dass ich eine neue Chance bekam, etwas zu ändern.

Cara berührte mich vorsichtig am Arm, weshalb ich zu ihr aufsah. Es war gerade Pause und wir hatten es uns auf dem
Schulhof gemütlich gemacht. "Das wird schon wieder", lächelte sie mich aufmunternd an.

„Ich wollte nach der letzten Stunde mit ihm reden", flüsterte ich.

Kat begutachtete mich skeptisch von der Seite. "Glaubst du, dass das eine gute Idee ist?"

Automatisch zuckte ich mit meinen Schultern, "ich habe lange genug gewartet", murmelte ich und Kat nickte, wenn auch nicht so überzeugt.

„Das war's für heute. Ihr könnt eure Sachen einpacken", lächelte uns unsere Englischlehrerin an und ich fing an meinen Kollegblock und meine Stifte so langsam, wie möglich einzupacken.

Als die meisten Schüler den Raum bereits verlassen hatten, deutete ich meiner Lehrerin an, dass ich noch mit Miles reden wollte.

Sie verstand sofort und nickte zustimmend, weshalb ich sie dankbar anlächelte. Sie war eine der nettesten und verständnisvollsten Lehrerinnen, die ich kannte.

„Machst du die Tür zu, wenn du gehst?", fragte sie freundlich und griff nach ihrer Tasche.

Ich nickte, „ja, mache ich."

Dann drehte sie sich mit einem letzten Lächeln um und verließ den Raum.

Langsam wanderte mein Blick zu Miles und ich sah, wie er dabei war einen Block in seinen Rucksack zu stopfen.

Die gesamte Stunde lang, sah es so aus, als wäre er zwar körperlich anwesend, aber nicht geistig, weshalb er auch nicht mitbekam, dass die Englischstunde fünf Minuten früher beendet wurde.

„Miles?", meine Stimme war leise und klang unsicher. Ich hatte wirklich Angst davor, dass er mich einfach ignorieren und gehen würde.

Jedoch sah er auf und augenblicklich trafen sich unsere Augen. „Oh, hey Grace", sagte er und versuchte sich vergeblich ein Lächeln auf die Lippen zu zwingen.

Ich machte ein paar Schritte auf ihn zu, sodass ich wenige Zentimeter vor seinem Tisch stehen blieb. Er hatte sich Montag in die letzte Reihe gesetzt, während Kat und ich im vorderen Teil der Klasse unseren Platz hatten.

„Ich will mit dir reden", flüsterte ich und bereute diese Worte gleich darauf wieder.

Binnen Sekunden hatte er seine Stirn kraus gezogen. „Worüber?"

Tief atmete ich ein und suchte seinen Blick, doch er hatte seine Augen bereits wieder von mir abgewendet. „Du bist seit Montag wieder so komisch. Ich will nur wissen, was los ist."

Er seufzte leise, ehe er anfing seinen Kopf zu schütteln. „Es ist alles okay. Du musst dir keine Sorgen machen", entgegnete er und versuchte an mir vorbeizulaufen, doch ich griff blitzschnell nach seinem Arm.

„Bitte warte", flehte ich und er hielt in seiner Bewegung inne, drehte sich jedoch nicht zu mir um, „ich spüre, dass irgendetwas nicht stimmt. Miles, ich bin deine beste Freundin und kenne dich seit Ewigkeiten. Du kannst mir nichts vormachen."

Einige Sekunden vergingen, in denen nichts passierte, bevor er sich dann doch zu mir umdrehte und sich seine Augen in meine bohrten. „Grace, mir geht es gut. Alles ist in Ordnung", versicherte er mir, doch ich glaubte ihm kein einziges Wort.

„Du lügst. Ich kann es ganz genau in deinen Augen sehen", beharrte ich und ballte meine Hände zu Fäusten, als ich die Wut in mir aufsteigen spürte. Doch sie kam nicht allein.

Er verdrehte seine Augen und schob meine Hand von seinem Arm, während er unseren intensiven Blickkontakt unterbrach.

In diesem Moment erkannte ich Miles nicht wieder. Der Junge, der vor mir stand, war nicht mehr mein bester Freund.

Ohne es wirklich zu merken, biss ich meine Zähne zusammen, als die Wut abebbte und sich stattdessen die Traurigkeit in mir breit machte. „Bitte, Miles, rede mit mir! Ich will dir doch nur helfen!"

"Oh mein Gott, Grace! Kannst du aufhören dich immer überall einzumischen?!", schrie er mich plötzlich an und ich wich erschrocken ein paar Schritte zurück, sodass sich der Tisch unangenehm in meinen Rücken bohrte.

Ich spürte, wie die ersten Tränen versuchten auszubrechen, weshalb ich sofort meine Augen zusammenkniff und versuchte durchzuatmen. "Was?", meine Stimme brach, bevor ich das Wort überhaupt aussprechen konnte.

Augenblicklich schnellte Miles' Kopf in meine Richtung. Die Wut war aus seinen Augen verschwunden, stattdessen war ihm die Reue und Besorgnis praktisch ins Gesicht geschrieben.

"Das- oh Gott, ich wollte das nicht!", er schreckte sofort seine Hand aus, um mich an meinem Arm zu berühren, aber ich machte erneut einen Schritt zurück, weshalb er seine Hand seufzend zurückzog. "Es tut mir leid, Grace. Das wollte ich nicht. Wirklich."

Ich wand meinen Blick ab und wischte mir ein paar Tränen von der Wange, die es geschafft hatten, auszubrechen. Ich konnte ihn einfach nicht länger ansehen.

"Was ist mit dir los?", fragte ich ein weiteres Mal, nachdem ich mich wieder beruhigt hatte. Meine Stimme war jetzt leiser und vorsichtiger.

Miles schüttelte betroffen seinen Kopf, "ich- ich kann es nicht erklären."

Unsere Blicke trafen sich erneut und für ein paar Sekunden starrten wir einfach wortlos in die Augen des jeweils anderen. In seinen sonst so freudestrahlenden Augen war der Schmerz und die Enttäuschung kaum zu übersehen.

Er sah mich ein letztes Mal an, musterte mein komplettes Gesicht und dann drehte er sich einfach um und verließ den Klassenraum.

Mein Herz bekam einen tiefen Stich verpasst, als er die Tür hinter sich schloss und mich alleine in dem tristen Raum zurückließ.

Vorsichtig lehnte ich mich an die Wand neben mir, wischte mir vergeblich die Tränen von den Wangen und versuchte den ziehenden Schmerz in meiner Brust zu ignorieren.

Eine plötzliche Erschöpfung und Müdigkeit überkam mich und ich wollte mich nur noch in mein Bett legen und mich für immer unter meiner Decke verkriechen.

Ich wollte weg von hier. Einfach ganz weit weg.

- das wochenende war anscheinend nur die ruhe vor dem sturm, wie man so schön sagt
was denkt ihr, ist mit miles los? -

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