- ACHTUNG dieses kapitel handelt von tiefgründigen und nachdenklichen gesprächen und gedanken, lesen auf eigene gefahr -
"Weißt du noch als wir klein waren und immer auf der Wiese gelegen haben, um die Wolken zu beobachten?", fragte Miles plötzlich in die Stille.
Wir lagen nebeneinander auf meinem Bett und starrten an die Decke, während jeder in seinen Gedanken vertieft war.
"Wie könnte ich das vergessen?", fragte ich lachend, als mir die Bilder in den Kopf schossen und mich so an meine wunderschöne Kindheit erinnerten.
"Wir haben das schon lange nicht mehr gemacht", er drehte sein Gesicht zu mir und blaue Augen blickten in meine.
Ich warf einen kurzen Blick zu meinem Fenster, bevor ich wieder zu Miles sah. "Es ist schon dunkel draußen. Sieht so aus, als müssten wir das auf nächstes Mal verschieben."
"Oder wir beobachten einfach die Sterne."
Ich sah ihn nachdenklich an, "hm, ich weiß nicht"
"Komm schon, Grace. Der Sommer dauert nicht ewig." Er setzte sich auf, griff nach meiner Hand und zog mich mit nach unten.
Wir lagen nun schon seit ungefähr einer Stunde auf der Wiese in meinem Garten und sahen schweigend dabei zu, wie der Himmel immer dunkler und die unzähligen Sterne dadurch immer heller wurden.
Wenn man mich mit etwas begeistern konnte, dann waren es die Kunstwerke der Natur. Die Sterne am Nachthimmel. Der leuchtende Mond. Sonnenaufgänge. Sonnenuntergänge. Die warmen Sonnenstrahlen. Gewitter.
Manchmal zeigte sich diese Welt von ihrer schönsten Seite und präsentierte ihr Talent. Man musste nur ganz genau hinsehen und die Momente voll und ganz genießen.
In solchen Momenten wurde mir immer bewusst, dass diese Welt aus Wundern besteht, denn manchmal wurden selbst unmögliche Dinge möglich.
"Wie glaubst du entstand die Welt?", fragte Miles plötzlich und riss mich somit aus meinen Gedanken.
Ich drehte meinen Kopf zu in seine Richtung und erkannte sofort das kleine Grinsen auf seinen vollen, roten Lippen, während er weiterhin in den Himmel starrte.
"Wie kommst du auf diese Frage?", lachte ich.
Er drehte seinen Kopf nun ebenfalls zu mir und lächelte mich an. "Ich will deine kreativen Theorien hören."
Ein lautes Lachen verließ meine Kehle, während ich amüsiert meinen Kopf schüttelte.
Durch die immer später werdende Uhrzeit und den immer dunkler werdenden Himmel, wurden auch unsere Gespräche tiefgründiger und ehrlicher.
Unser Lachen war schon längst verstummt.
"Was kann uns am meisten zerstören?"
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie er seinen Kopf zur Seite drehte und mich ansah, denn ich konnte spüren, wie sein Blick auf mir brannte und versuchte mich zu durchbohren.
Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern oder ihn anzusehen, flüsterte ich "die Menschen, die wir lieben." Meine Stimme überraschte mich, denn sie klang kälter, als erwartet.
"Du hast diesen Schmerz nicht verdient", flüsterte er plötzlich.
Ich war mir nicht sicher, ob er das wirklich gesagt oder ob ich es überhaupt richtig verstanden hatte, aber als ich zu ihm blickte und in seine blauen Augen sah, war mir klar, dass ich es richtig verstanden hatte und er es genau so meinte, wie er es gesagt hatte.
"Was meinst du?", meine Stimme war nicht mehr als ein leises Hauchen.
"Ich sehe dir an, wie viel Schmerz du schon ertragen musstest und immer noch mit dir rumtragen musst", er machte eine kurze Pause und musterte mein Gesicht, um nach irgendeiner Reaktion zu suchen, doch ich starrte ihn nur mit großen Augen an, "und ja, es bricht mir das Herz dich so zu sehen."
Ich war sprachlos, wirklich. Seine Worte hatten mir den Atem geraubt und mir die Sprache verschlagen, aber im selben Moment breitete sich ein warmes und angenehmes Gefühl in meiner Brust aus.
Ein kleines und ehrliches, fast schon schüchternes Lächeln lag auf seinen Lippen, während seine Augen tief in meine blickten.
"Menschen sind grausam", flüsterte ich, den Augenkontakt brach ich nicht einmal eine Sekunde. Seine Augen zogen mich in ihren Bann und wollten mich nicht mehr frei geben.
"Ich weiß, aber man darf nicht zulassen, dass sie einen zerstören."
Ich wand meinen Blick wieder ab, sah hoch in die Sterne und holte tief Luft, die ich unbemerkt angehalten hatte.
"Wenn du zu viel schlechtes erlebt hast, wird dein Herz eiskalt, Miles", ich warf ihm einen kurzen Seitenblick zu, bevor ich wieder hoch in den Himmel starrte, "es wird zu einem großen Eisblock und das einzige, was es noch tut, ist schlagen, um dich am Leben zu halten. Aber es lässt niemanden mehr in dein Herz, niemanden auch nur in die Nähe. Eine Eismauer zieht sich um dein sowieso schon eiskaltes Herz. Es macht dich gefühlskalt, gefühlslos. Und du kannst dir nicht einmal sicher sein, ob es jemals jemanden geben wird, der deinem Herz wieder das Lieben beibringt. Du sitzt dort und wartest. Monatelang, jahrelang. Wartest darauf, dass irgendjemand kommt und dich rettet. Weil du wieder fühlen willst. Weil du wieder das schöne in der Welt erkennen willst. Aber irgendwann wird dir bewusst, dass dich keiner retten wird und du selbst diese Aufgabe erfüllen musst. Du selbst hast diese Mauer gebaut, du selbst hast dein Herz eiskalt werden lassen und deshalb musst du selbst es auch wieder zum Leben erwachen."
Es wurde wieder still zwischen uns, bis ich auf einmal spürte, wie seine Hand vorsichtig nach meiner griff und er unsere Finger miteinander verschränkte, jedoch wendete keiner den Blick von den Sternen ab.
Er antwortete nicht darauf, weswegen ich ihm unglaublich dankbar war. Er hielt einfach nur meine Hand und strich mit seinem Daumen über meine Finger, was mir den Halt und die Sicherheit gab, die ich in dem Moment brauchte.
Er war für mich da und durch diese kleine Geste versprach er mir, dass er es auch für immer sein würde.
Für andere war es vielleicht nur eine kleine, unwichtige Geste, für mich aber bedeutete sie die Welt.
"Weißt du, manche Dinge zerreißen dir dein Herz und du wirst die Narben nie wieder los. Du spürst sie jedes Mal, wenn dir jemand näher kommt. Wenn jemand versucht dein Herz zu berühren. Aber du stößt diese Menschen immer wieder weg, weil du Angst hast neue Narben davon zutragen. Weil du weißt, dass du diesen Schmerz nicht erneut ertragen kannst."
Ich verstärkte den Druck um seine Hand und spürte kurz darauf, wie sich sein Blick erneut in mein Gesicht bohrte.
"Aber trotzdem hörst du nicht auf zu lieben und zu vertrauen. Du wirst nur vorsichtiger und lässt nicht mehr jeden an dich ran", ich drehte meinen Kopf zur Seite und sah direkt in seine klaren, blauen Augen, weswegen sich ein kleines Lächeln auf meine Lippen schlich, "ich bin froh einige Menschen in mein Herz gelassen zu haben, sie haben einen Ehrenplatz bekommen, und so schnell werden sie mein Herz auch nicht wieder verlassen."
Auch auf Miles' Gesicht bildete sich ein Lächeln, bevor er sich nach vorne lehnte und seine weichen Lippen auf meine Stirn drückte.
Ein angenehmes Gefühl breitete sich in meinem Bauch aus und ich schloss für ein paar Sekunden meine Augen, um den Moment komplett genießen zu können.
So fühlte sich Vertrauen, Verständnis, Sicherheit und wahre Freundschaft an. Dinge, die ein Mensch zum Überleben brauchte.
"Du bist unglaublich stark, Grace, das bewundere ich so an dir", flüsterte er und schaute mir tief in meine Augen, bevor er sich erneut zurück lehnte und weiter mit seinem Daumen über meine Hand strich.
Weitere Stunden vergingen, während wir einfach still im Gras lagen und die Sterne beobachteten. Jeder hing seinen eigenen Gedanken hinterher. Aber das einzige, das zählte war, dass wir wunschlos glücklich waren und die Welt für ein paar Stunden perfekt schien.
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ein Leben wie dieses
Teen Fictionalter titel - my simple life Ein Leben, in dem man nur existiert, anstatt zu leben, kann man nicht Leben nennen. Grace hat sich in den Kopf gesetzt, aus ihrem Leben ein erzählenswertes Abenteuer zu machen und genau das versucht sie mit ihren besten...