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• J A M I E •

Wenig später komme ich in dem Café an. Ich bin noch nie zu vor da gewesen. Viel ist hier nicht los bis auf ein paar Studenten, die eifrig an ihren Laptops tippen. So wie auch Sam. Er klappt den Laptop zu, als er mich sieht und strahlt mich an. Auch mein Ausdruck hellt sich auf. Sam steht auf und deutet mir, nach einer kurzen Begrüßung, zu folgen. Etwas irritiert es mich schon. Jedoch hält dieser Zustand nicht lange. Hinter Sam betrete ich die Bücherei der Universität, welche sich an das Café angrenzt. Er lotst mich in eine höhere Etage, wo keine Menschenseele ist.

„Hier versteckst du dich wenn du nicht in einer Vorlesung bist?" lache ich nur und falle mit einem dumpfen Geräusch auf eins der Sofas.
„Meistens. Wenn ich in der WG wieder mal keine Ruhe habe, dann schon." berichtet er. Er lässt sich dabei neben mir nieder und nicht, wie ich angenommen hätte, mit etwas Abstand. Genügend Platz gäbe es ja. Ein Lächeln, das fast schon etwas lustvoll aussieht, schleicht sich in das Gesicht von meinem Gegenüber. Für mich macht es das Ganze nicht besser.
„Dann erzähl mal, was hast du vorhin so angestrengt überlegt, dass du mich einfach ignorierst?" möchte er nun auch noch wissen.

Einen Moment hadere ich mit mir selbst, es ihn zu erzählen, doch dann überkommt mich meine Persönlichkeit. Offen und ehrlich und einfach gerade raus.

So kommt es, dass ich erzähle, ohne mit der Wimper zu zucken, was mir im Deutschunterricht durch den Kopf gegangen ist. Ich lasse dabei nur die kleinen Details weg und konzentriert mich auf das Wesentliche. Immerhin ist das auch nicht wenig und Sam könnte es auffassen, dass ich nicht reif genug wäre, eine Beziehung außerhalb von Sex führen zu können.

Mit einem Seufzen beende ich die ausführliche Erzählung und lege den Kopf in den Nacken, gegen das Polster des Sofas. Sam scheint ziemlich erstaunt, was für Gedanken so durch den Kopf eines Teenagers schwirren können. Er hat mir wesentlich weniger zugetraut. Besser gesagt, harmloseres. Noch besser, banaleres. Wäre ich nicht so mit mir selbst beschäftigt, dann würde ich auch mitbekommen, wie Sam das Wasser im Mund zusammenläuft. Seine Begierde und sein Verlangen stehen ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Doch ich bemerke das alles nicht. 

„Ich dachte du brauchst länger." gesteht er, was ich jedoch nicht verstehe und deshalb nachfrage.
„Das Bild eines Kindes aus meinem Kopf zu löschen." ergänzt er etwas, wobei er unauffällig näher rutscht. Seufzend schließe ich die Augen und versuche meine Gedanken etwas zu sortieren. Plötzlich spüre ich seine Lippen auf meinen. Ganz zärtlich und leicht. Durch meinen Körper jagen plötzlich viele schöne Gefühle und ein seltsames Gefühl breitet sich in meiner Magengegend aus. Dennoch fühlt es sich so gut an. Sam rutscht etwas mehr heran und überragt mich so etwas. Behutsam lege ich ihm eine Hand in den Nacken und ziehe ihn noch ein Stück näher. Als er mir leicht in die Lippe beißt, seufze ich auf, was wiederum Sam ermöglicht die Zunge leicht in meinen Mund zu schieben. Meine Atmung geht immer schneller und ist fast schon unregelmäßig. Mit jeder Millisekunde nimmt meine Beherrschung ab. Genau nach so etwas haben sich mein Kopf sowie mein Herz gesehnt.

Allerdings brauche ich kurz eine Pause, sonst verdeutlicht mein Körper noch viel mehr, was ich gerade empfinde. Behutsam drücke ich Sam etwas von mir, doch sofort schauen mich grüne Augen an, die stumm fragen, wieso es ein Ende gibt. Ich schaue ihn einfach nur an. Meine Sicht ist so beeinträchtigt, da meine Pupillen so geweitet sein müssen, meine Atmung ist viel zu schnell und unregelmäßig, zudem spüre ich wie meine Wangen glühen. Das sollte ihm doch Antwort genug sein. Ich braucht mehr Zuneigung, allerdings dann lieber an einem ungestörteren Ort, oder weniger um mich etwas zu beruhigen.

Der braunhaarige Kerl hat begriffen, dass er alles richtig gemacht hat. Sehr richtig. Das erkenne ich an dem leichten Schimmer in seine Augen.
„Hat da jemand etwa eine Durststrecke?" stichelt Sam und nimmt wieder eine bequeme Haltung neben mir ein. Durststrecke.

Pah. Gefühlt ist es ein Marathon. Oder um bei den Sportmetaphern zu bleiben, ich bin in letzter Zeit nie weiter als bis zur ersten Base gekommen. Mein Blick könnte vermutlich gar nicht deutlicher sein, so gequält wie ich das Gesicht verziehe. Sam legt jedoch noch eins oben drauf. Während er mir weiter direkt in die Augen schaut und in ein Gespräch verwickelt, legt er seine Hand auf meinen Oberschenkel, welche schnell zur Innenseite wandert, wo sie beginnt leicht zu kraulen.

„Oh, du Armer. Wie kann das so einem wie dir passieren?" Sein Lächeln wird breiter und verzieht sich zu einem verschmitzten Grinsen.
Nur mit Mühe halte ich meinen schweren Atem zurück, als er die Hand auf meinem Oberschenkel platziert. Mir ist bewusst, dass er mich ärgern und vielleicht auch etwas testen will, daher reagiere ich noch nicht. Das leichte, intensive Kraulen ist jedoch schwerer zu ignorieren.
„Tja, ich scheine eine magische Anziehungskraft zu haben, für welche, die mich immer nur ausnutzen wollen und es doch nicht tun." Zum Glück, dass Sam nicht weiß, dass dem nicht so ist und ich nur ihn meine. Zurzeit bin ich nämlich nur in Kontakt mit welchen in meinem Alter gewesen und die waren einfach nicht bereit. Für gar nichts. Von küssen werden halt nicht alle Bedürfnisse befriedigt.
„Wenn dem so ist, dann will ich ja nicht den falschen Eindruck erwecken." sagt er leicht spitzbübisch und nimmt die Hand wieder weg. Dass ich durch seine Berührungen etwas Linderung verspürt habe, erzähle ich Sam nicht.

„Es sei denn du willst genau das wieder haben." Sam möchte wohl wissen was in mir vorgeht. Möchte erfahren, ob er richtig handelt, ob es mir gefällt. Und das tut es.
„Leg die Hand da wieder hin und ich bin nicht in der Lage für etwas zu garantieren." erkläre ich ihm ruhig. Soll er doch selbst entscheiden was passiert. Ich übernehme jetzt keine Verantwortung mehr. Selbst der nächste Kuss könnte zu viel sein. Deutlich sehe ich wie Sam überlegt und abwägt, was er jetzt machen soll. Bis er sich entschließt mich einfach wieder zu küssen.
„Ich möchte dich nicht weiter quälen." säuselt Sam mit einem frechen Grinsen, während er sich kurz von mir löst und mich ansieht.
„Und trotzdem hast du es geschafft, dass ich mir zu Hause selbst einen runterholen muss, damit der Schmerz aufhört."

Immer meine offene Art. Das wollte ich doch eigentlich gar nicht sagen. Aber ich leide einfach und Sam trägt dazu nicht unerheblich bei. Bevor er gestern in mein Leben getreten ist, war es immer noch recht zum Aushalten, aber das ist nun auch vorbei.

„Da möchte ich gerne Mäuschen spielen." kichert er seine Erwiderung. Meine offene Art scheint ihn zu gefallen und zeigt ihm vielleicht auch etwas, dass ich keine Angst vor mir selbst und meinen Gefühlen habe. Während Sam jedoch seine Antwort kichert, legt er seine Hand unbewusst wieder auf meinen Oberschenkel.
„Lass die Hand da liegen und du brauchst nicht Mäuschen spielen." So extrem habe ich ja noch nie reagiert. Ich weiß nicht was das ist und wieso dem so ist, doch irgendwie gefällt es mir. Von meinem Schenkel breitet sich eine Gänsehaut aus, die ein unfassbar schönes Gefühl begleitet.
„Hast du so wenig Selbstbeherrschung?" Werde ich deswegen gefragt. Für eine empörte Antwort reicht es nicht mehr. Ich brauche meine Konzentration für andere Sachen.
„Eigentlich verdammt viel, aber du reißt gerade alles ein." Wieder gibt es eine ehrliche Antwort von mir. Irgendwie hoffe ich, dass ich damit auch etwas erreiche und er mich ab morgen nicht ignoriert. Vielleicht weckt es ja etwas Faszination bei Sam.

Das ist jetzt seit einer Weile das erste Mal, dass ich mich bei jemand anderem so wohl fühle und das obwohl ich ihn kaum kenne. Ich weiß nicht, was das ist und was er mit mir anstellt. Doch diesmal bin ich mir sicher, wenn Sam mich doch, aus welchem Grund auch immer, zurückweißt, dann bin ich wirklich geknickt. Ich befürchte fast, dass dann nicht einmal mehr Ablenkung helfen wird.

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