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• J A M I E •

Fast drei Tage bin ich jetzt in diesem Krankenhaus. Und ich hasse es genauso sehr, wie dieses blöde Schmerzmittel. Selbst Mom wollte mich schon erwürgen und bis Mom jemand erwürgen will, dauert es. Mit ihrem Geduldsfäden aus Stahlseilen ist das echt eine Kunst, aber ich schaffe es ohne Mühe. Schlimmer als dieses Schmerzmittel ist nämlich meine mangelnde Bewegung. Es ist ätzend. Immerhin musste ich, wegen der Infektion, die meine Niere angegriffen und unbrauchbar gemacht hat, nur zwei Tage auf der Intensivstation sein. So kann ich jetzt wenigstens etwas mit Sam rum machen. Dann habe ich etwas meinen Bewegungsdrang vergessen. Hoffe ich zu mindest.

Nur noch vier Tage. Ich will endlich nach Hause. Ein gemütliches Bett. Meine Ruhe. Mehr will ich doch gar nicht. Ach und Bewegung. Ich hasse es rum zu sitzen. Immerhin darf ich eine Hose tragen. Weil Mom vergessen hat mir eine Jogginghose einzupacken und mir Sam's Hosen nicht passen, hat mir Debra eine Hose organisiert. Ich sehe jetzt zwar aus wie ein Pfleger, aber dafür ist die Hose echt bequem.

„Debra?" rufe ich durch die offene Zimmertür und warte bis Mama's alte Freundin kommt. Ich darf nämlich nur mit Erlaubnis aufstehen und wenn jemand dabei ist. Als wäre ich ein kleines Kind.
„Was denn jetzt schon wieder?" beschwert sie sich, in der Hand hält sie ein Tablett.
„Ich will aufstehen." jammere ich und versuche es mit dem Hundeblick, obwohl ich weiß das der nichts bringt.
„Ich krieg dich ja eh nicht dazu liegen zu bleiben. Dann kannst du dich auch nützlich machen." Sie gibt doch tatsächlich auf, daran habe ich ja fast nicht mehr geglaubt. Weil es noch etwas weh tut, wenn ich mich zu schnell bewege, stehe ich langsam auf. Anschließend strahle ich sie an und warte auf ihre Anweisungen, wie ich ihr helfen kann.
„Es ist Mittag. Du kannst das Essen verteilen." erklärt sie mir. Eifrig nicke ich.

Das Laufen ist doch etwas anstrengend, doch ich mache einfach weiter, schließlich will ich schnell hier raus.

Als alles verteilt ist, bekomme auch ich Essen. Und Debra leistet mir etwas Gesellschaft, da Mom und Sam nicht da sind. Sam meinte, er müsste heute zur Polizei und seine Aussage dazu machen. Mal sehen wann ich in den Genuss komme.
„Still sitzen hast du auch nie gelernt, oder?" lacht sie amüsiert, als ich versuche etwas genießbares auf dem Tablett zu finden.
„Nö. Kann ich einfach nicht. Das hier ist echt Folter." versuche ich ihr zu erklären.
"Machst du irgendwelchen Sport?" fragt sie einfach weiter, während ich mich entscheide es mit dem Pudding zu versuchen.
„Bin im Schwimmteam der Schule." erzähle ich weiter. Der Pudding ist gar nicht so schlecht, den kann man essen.
„Und wie weit schwimmst du da? 100m?" möchte sie wissen und deutet auf das Gemüse. Also koste ich das, bevor ich antworte.
„Ne. Alles unter drei Kilometer ist langweilig." nuschle ich mit vollem Mund. Entsetzt über diese Aussage zieht sie die Augenbrauen hoch.
„Immer diesen druchgeknallten Leistungssportler." murmelt sie leise.
"Dann ist das Weichei-Programm wirklich nichts für dich." ergänzt sie und schaut mich an, als hätte ich den ersten Teil nicht gehört. Ich nicke bestätigend und esse weiter.

Erstaunlicherweise ist es doch ganz annehmbar. Ich habe schon schlechter gegessen.
„Jetzt gibt's trotzdem erst einmal Mittagsruhe und dann machen wir weiter." erklärt sie, wobei sie das leere Tablett nimmt und aufsteht.
„Wann gibt es wieder was zu essen?" frage ich noch bevor sie geht. Ich möchte mich darauf einstellen.
„Du hattest doch gerade was. Es gibt erst gegen sechs wieder Abendessen. Sollte doch reichen." irritiert schaut sie mich an.
„Nicht im geringsten. Helen wurde schon gefragt ob sie sich Schweine hält, nur um ihn satt zu bekommen. Eine halbe Packung Nudeln ist für ihn eine kleine Portion." antwortet ihr Sam, der gerade durch die Tür spaziert. Lächelnd haucht er mir einen Kuss auf die Wange.
„Mal sehen ob ich für dich größte Portionen ordern kann. Allerdings kann ich nichts versprechen." grinsend schüttelt sie den Kopf und lässt uns allein.

Sam macht es sich wieder neben mir gemütlich und lächelt mich an. Er sieht so niedlich aus. Selten hat er hier gelächelt. Dabei hilft es mir ungemein. Ich fühle mich dadurch sofort besser. Und das obwohl ich befürchtet hatte, dass er nach dem Tag heute sehr schlechte Laune haben wird. Doch das scheint nicht der Fall zu sein.
"Na, alles gut gegangen?" frage ich und kuschle mich noch mehr an ihn. Er reibt leicht mit der Nase über die Haut meiner Halsbeuge.
"Ich brauchte nicht mehr viel sagen. Das Kino hat eine Überwachungskamera, die genau den Bereich abdeckt. Ich musste nur erzählen, woher ich die Typen kenne." berichtet er ruhig weiter.

Als er mir das erzählt hat, dass ihn die Typen in der Schule schon immer grundlos fertig gemacht und mehr als nur schikaniert haben, wäre ich vor Wut fast geplatzt. Er hat echt Mühe gehabt mich zu beruhigen. Ich verstehe solch ein Verhalten einfach nicht. Das geht einfach nicht ein meinen Kopf. Ist doch egal, wen man liebt, das macht doch nun wirklich keinen Unterschied. Für mich ergibt jedoch das Geschwafel dieser Volltrottel dadurch etwas Sinn.

„Sie wollen mit dir aber auch noch reden. Aber das ist wohl nur zur Bestätigung des Videos." berichtet er weiter. Ich nicke einfach nur. Ist mir nur recht so.
„Aber die wurden bereits schon aufgeschnappt. Sie waren wohl noch bei einem anderen Verfahren angeklagt und waren so blöd die Vorladung vom Richter zu ignorieren, deswegen sitzen sie jetzt im Knast." kichert er schadenfroh und unterstreicht das mit dem passendem Ausdruck, als er mich anschaut.
„Sehr gut, dann können sie dir nichts anhaben." seufze ich zufrieden.
„Sagte der mit der Stichverletzung." gibt er lachend zu bedenken, doch das ignoriere ich einfach, in dem ich ihn küsse.

Am Nachmittag kommen Sam's Eltern vorbei. Seine Mutter sieht sehr besorgt aus.
"So hast du dir, den Besuch hier bestimmt nicht vorgestellt." schmunzelt Sam's Vater leicht. Seine Frau schaut ihn darauf nur böse an.
"Ach, ich steh doch so auf Krankenhausessen." lache ich auf, was ich umgehend bereue. Das tut weh.
"Deswegen habe ich was mitgebracht." erzählt Sam's Mutter und kramt in ihrer Handtasche. Sie befördert eine große Tupperdose zutage und stellt sie auf das kleine Tischchen. Obwohl ich gerade gegessen habe, bekomme ich schon wieder Hunger. Was auch immer dadrin ist, das sieht lecker aus.
"Du bist die Beste." strahle ich sie an. Das freut auch sie.
"Du wirst noch fett, wenn du weiter frisst wie sonst was." stänkert Sam prompt mit mir. Na klasse, jetzt geht das wieder los.
"Schließe nicht von dir auf mich." kontere ich frech grinsend. Sam's Vater schmunzelt nur über unsere kleinen Sticheleien. Er scheint mich doch zu mögen oder er hat Mitleid mit mir, weil ich fast draufgegangen bin, wegen seinem Sohn. Egal was es ist, es fühlt sich gut an. Das freut mich auch sehr für Sam.

Mom kommt auch noch vorbei. Als hätten sich unsere Eltern abgesprochen. Wir sind keine fünf Minuten allein, da steht Mom in der Tür. Unfassbar.
"Na ihr. Störe ich?" lacht sie, als sie sich den Stuhl zurecht zieht.
"Du doch nicht. Nie." albere ich umher und grinse sie frech an. So wie sie mich ansieht, hat sie meinen Sarkasmus sehr wohl rausgehört. Hätte mich auch gewundert, wenn nicht.
"Du sollst nicht so frech sein." meint die und verpasst mir einen leichten Klaps gegen den Oberarm.

"Außerdem sollst du nicht so viel durch die Gegend rennen. Debra hat mit mir geschimpft." mahnt sie mich. Doch ich ziehe nur unschuldig die Schultern hoch. Sie weiß doch ganz genau, dass ich das nicht kann. Das kann sie sich doch wirklich sparen.
"Du bist der schlimmste Patient, den man haben kann. Und dann noch so stur." murmelt sie leise. Pah. Da übertreibt sie aber. Ich bin doch nicht stur.
"Von wem er das wohl hat?" kichert Sam und versteckt sich danach etwas, da Mom ihn böse ansieht. Sie ist der Meinung, ich hätte das von Papa und er meint sicherlich ich hätte es von ihr.

Ich sollte ihn wohl mal anrufen und erzählen was passiert ist, das hält er mir doch sonst vor. Außerdem muss ich bestimmt wieder irgendetwas richtig stellen, weil Mom sicherlich mit ihrer Erzählung etwas übertrieben hat. Das kann sie manchmal ganz gut.

Danach erzählt Sam von dem Gespräch bei der Polizei, um auch Mama auf den neusten Stand zu bringen. Sie ist sichtlich beruhigt, dass die Typen bereits im Knast sind und keinem von uns mehr etwas tun können.

SeelenverwandtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt