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• J A M I E •

Den Tag habe ich ganz gut überstanden. Mein Gefühl wurde von Hannah noch bestätigt, aber sonst ist nichts passiert. Keiner der mich anders behandelt hat oder irgendwie abwertend geäußert hat. War schon ganz schön. Dementsprechend habe ich auch recht gut Laune, als ich wieder nach Hause komme.

Wo Sam bereits auf mich wartet.
„Sag mal, wie kommst du immer hier rein? Hat dir Mama schon einen Schlüssel gegeben?" frage ich ihn grinsend und begrüße ihn mit einem kurzen Kuss. Danach durchstöbere ich erst einmal den Kühlschrank. Ich habe Hunger.
„Nö, aber ich weiß wo der Ersatzschlüssel liegt. Das ist echt praktisch." grinst er und legt mir von hinten die Arme um und lehnt den Kopf an meinen Rücken.
„Irgendwas in der Schule gewesen?" fragt er leise murmelnd. Ehrlich gesagt, habe ich auf die Frage schon gewartet. Deswegen ist er bestimmt auch hier. Er hat sich Sorgen gemacht, dass etwas passiert ist.
„Nö. Wurde nur etwas getuschelt, aber das lässt sich ja gut überhören." berichte ich ihm und finde noch Reste vom gestrigen Mittag. Ich löse mich aus seinen Armen und schaue ihn mit dem Essen in der Hand fragend an.
„Iss mal, mein Großer. Ich hatte vorhin schon was." grinst er mich an. Schnell schiebe ich das Essen in die Mikrowelle.

„Was wurde so getuschelt?" fragt er, als ich mich gierig über den Nudelauflauf her mache.
„Weiß ich nicht, habe nicht hingehört." Ich zucke mit den Achseln und esse weiter. Seufzend schüttelt er den Kopf, doch gleichzeitig schmunzelt er auch, was ein bisschen verwirrend ist. Ich gehe darauf jedoch nicht weiter ein. Mein Hunger dominiert einfach.

Am Abend ist auch Mama neugierig was in der Schule passiert ist und auch sie hat diese komische Reaktion. Naja, irgendwas wird schon sein, aber es ist mir etwas egal. Ich genieße einfach den ruhigen Abend mit Sam.

Pustekuchen. Nichts mit ruhiger Abend. Nicht einfach nur vor dem Fernseher sitzen. Nicht einfach nur etwas entspannt zu zweit sein.

Mama ruft gerade nach mir, weil irgendjemand an der Tür ist, der was will. Keine Ahnung wer das sein soll. Ich erwarte niemanden. Mom rollt nur mit den Augen, als ich zur Tür komme, und geht.
Draußen stehen drei Mädchen aus der Parallelklasse. Was auch immer sie hier wollen. Sie sehen jedoch schon etwas angetrunken aus, was ich aus dem dauerhaften Kichern schließen kann.

Auffordernd schaue ich sie an, zu sagen was sie wollen.
„Hi, Jamie." kichert die Erste. Mir wird gerade bewusste, dass ich nicht einmal die Namen kenne. Ist ja schlimm, wie wenig Interesse ich dafür habe. Ich schaue einfach weiter auffordernd. Ich wüsste echt gern was sie wollen. Dieses Kichern verrät, aber nicht viel.
„Also wir haben uns gefragt ob die Gerüchte stimmen." kichert die Nächste. Unweigerlich verdrehe ich kurz die Augen. Dafür müssen die extra hier auftauchen?
„Ja, sie stimmen. Ist sonst noch was?" bestimmt kann man hören, dass ich etwas genervt werde.
„Wirklich?" Die Erste ist total ungläubig. Wieder rolle ich nur mit den Augen.
„Ja, wirklich." bestätige ich und warte ab. Sie stecken die Köpfe zusammen und fangen an zu tuscheln, was ich als Anlass sehe und mich verdrücke. Ich mache einen Schritt zurück und lasse die Tür zufallen. Neugierig schaut Mom mich an. Ich gebe ihr jedoch mit einem genervten Ausdruck zu verstehen, dass es nichts wichtiges war.

Wieder kuschle ich mich zu Sam in mein Bett und wir versuchen weiter den Film zu schauen. Weit kommen wir jedoch nicht. Mom ruft wieder nach mir. Deutlich genervter als vorhin. Wieder steht eine Gruppe betrunkener Mädchen vor der Tür, diesmal welche aus einer unteren Jahrgangsstufe. Soll das vielleicht eine Art Mutprobe sein? Witzig ist es jedenfalls nicht im geringsten.
„Hey, Jamie." grinst eine Blondine.
„Was wollt ihr?" frage ich nur zurück und lehne mich in den Türrahmen. Ich kann mir die Frage schon fast denken.
„Bist du wirklich schwul?" Wie erwartet.
„Ja." antworte ich nur sehr knapp. Das ist nicht mehr lustig.
„Hast du einen Freund?" wird es weiter gefragt.
„Ja." beantworte ich kurz. Ich will nicht mehr hier stehen. Besonders nervig wird das Kichern, wenn ich es bestätige.
„Ist er da? Können wir reinkommen?" fragen zwei gleichzeitig. Das geht etwas zu weit. So habe ich mir meinen Freitagabend nicht vorstellst. Also rolle ich deutlich mit den Augen und lasse die Tür zufallen. Das ist doch Antwort genug.

Mit einer neuen Tüte Chips läuft Sam gerade an mir vorbei.
„Pack die wieder weg. Wir gehen zu dir. Das hier wird bestimmt nicht aufhören." brumme ich und ziehe mir bereits eine Jacke an. Er zuckt nur mit den Schultern und geht weiter in mein Zimmer. Mit Chips und meiner Kapuzenjacke kommt er wieder zurück, während ich Mama erzähle, dass wir gehen.
„Macht das, aber kleb dann den Zettel an die Tür. Die klingeln sonst bestimmt die ganze Nacht." sagt sie und hält mir eine Stück Papier hin.

Jamie ist nicht mehr da. Verschwindet.

Deutlicher kann der Zettel fast nicht sein. Ich klebe ihn extra über unseren Klingelknopf, damit sie ungestört schlafen kann. Immerhin darf sie morgen ausschlafen. Das möchte sie sicherlich genießen.

Grinsend drückt Sam ihr noch die Chips in die Hand und folgt mir dann.
„Ich habe aber irgendwie Hunger. Wollen wir nicht was essen gehen?" fragt er mich. Dabei greift er nach meiner Hand und wir schlendern den Gehweg entlang.
„Was möchtest du denn?" will ich wissen, wobei ich unauffällig auf meine Uhr schaue. Kurz nach neun. Bisschen spät um entspannt essen zu gehen. Ach, wen interessiert's.
„Ich bin für Sushi." lächelt er mich an. Bestärkend nicke ich. Sushi ist lecker. Das klingt gut.
„So langsam wirst du teuer. Mein Taschengeld wird knapp." ärgere ich ihn etwas, weil ich dran bin für unser Date zu zahlen, worauf er mich empört anschaut. Jedoch sagt er dazu nichts. Er gluckst nur kurz.

Trotz der Uhrzeit ist noch recht viel los in dem Restaurant. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich mit Stäbchen umgehe, wie einer dem die Hände amputiert worden sind. Sprich, wie ein Spast. Worüber Sam sich gerade köstlich amüsiert. Ich habe schon die arme Sushirolle total zerpflückt und immer noch nichts in dem Mund bekommen. Daher benutze ich für diese schnell die Finger. Ohne Frage es ist lecker und ich würde echt gern mehr davon essen, aber wenn ich mich so anstelle, macht das fast keinen Spaß. Lachend versucht Sam mir zu zeigen, wie es wunderbar funktioniert. Funktionieren sollte. Aber ich bin ein Spast. Wieder stelle ich mich an wie ein Volltrottel und er lacht nur und zückt tatsächlich das Handy, um diesen Moment fest zu halten.
„Ich stelle mich schon an wie ein Depp und du musst ein Bild davon machen?" beschwere ich mich, kann dabei ein verzweifeltes Lachen nicht zurück halten, weil wieder alles auseinander fällt.
„Das würde ich dir nie antun, dafür liebe ich dich zu sehr." kichert er und hält weiter sein Handy als würde er ein Foto machen. Wie jedes Mal lächle ich schwach, wenn er mir sagt, dass er mich liebt und schaue von dem Teller auf.

Er macht doch tatsächlich ein Video. Ob ich ihn jetzt noch liebe?

Ja, wie könnte ich denn nicht.
Zufrieden grinsend fängt er an auf seinem Handy zu tippen. Er grinst immer noch, als mein Handy in der Hosentasche vibriert. Kurz ziehe ich es raus und schaue nach was los ist.

Sam :* hat ein Video gesendet

Stutzig ziehen sich meine Augenbrauen zusammen. Hat er mir jetzt das Video wirklich geschickt? Doch soweit kann ich nicht nachdenken, er greift über den Tisch und nimmt es.
„Lass sich Instagram daran erfreuen." lacht er kurz hämisch auf. Ich will eigentlich noch protestieren, doch sein freches Grinsen wird noch breiter. Es ist zu spät.
„Was habe ich dir nur getan, um so behandelt zu werden?" beschwere ich mich künstlich, lache jedoch schnell über mich selbst. Soll er doch machen. Ich bin jetzt frei von irgendwelchen Ängsten. Raus aus dem besagtem Schrank. Lass doch die Welt alles wissen.
„Oh guck, Hannah gefällt es schon." kommentiert er stattdessen und betrachtet mein Handy. Doch schnell lässt er es in der Jackentasche verschwinden.

„Bevor du mir hier ganz grummelig wirst. Nimm das hier." kichert er kurz und hält mir einen kleines Ding hin. Wie soll mir das bitte beim Essen helfen? Genau diesen Gedanken scheint er zu hören, denn er nimmt meine Stäbchen und fummelt das kleine Teil an das hintere Ende der Stäbchen, damit sie zusammen bleiben.
„Dass es für Kinder ist, sage ich jetzt lieber nicht." stänkert er auch schon weiter. Ich betrachte das komische Plastikding und versuche damit irgendwie die Sushirolle zu essen. Es klappt ohne Probleme. Böse schaue ich Sam an, als er nur leise lacht.
„Verkneif dir das Kommentar. Ich bin kein Kind." warne ich ihn nur knappe, doch er lächelt nur. Er hätte dazu nichts mehr gesagt.

Nachdem auch ich endlich das leckere Sushi essen kann, vergeht der tolle Abend viel zu schnell. Ich wünsche mir mal wieder, die Zeit anhalten zu können. Ich fühle mich bei ihm einfach so wohl und irgendwie auch geborgen, was noch deutlich verstärkt wird, als ich mich im Bett an ihn kuschle.

SeelenverwandtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt