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• J A M I E •

Irgendwie verspüre ich schon am Morgen einen ungewöhnlichen Bewegungsdrang. So ungewöhnlich mehr, dass ich das Fahrrad nehme. Ich schiebe, dass jetzt einfach mal auf den Sonntag mit Sam. Der Tag war zwar kurz, aber auch sehr schön. Ich würde mit ihm noch viel mehr Zeit verbringen, wenn ich könnte. Seine Nähe ist einfach so unbeschreiblich. Dort fühle ich mich wohl. Bei ihm.

Und gerade wünsche ich ihn zu mir, damit meine gute Laune nicht verfliegt. Doch mich beschleicht schon ein leicht ungutes Gefühl, als ich meine Freunde vor der Schule sehe.
„Guck dir das Lächeln an." fängt Rory gleich an. Das Lächeln schiebe ich auch auf Sam. Nur weil ich gerade an ihn gedacht habe.
„Da lief wohl noch was mit Gina." folgerte Colton gleich weiter. Bevor jedoch noch mehr dazu kommen kann, gesellt sich Brandon zu uns.
„Man, siehst du fertig aus. Was ist mit dir passiert?" Das muss Colton noch fragen? Aufmerksam wie ein Stein. Brandon hat Augenringe, sieht jedoch ganz zufrieden aus. Die Mundwinkel zucken immer wieder leicht nach oben, als wollte er lächeln und seine Augen glitzern leicht.
Und auch wenn ich jetzt gleich von Brandon böse angeguckt werde, liefere ich ihn der Meute zum Fraß. Wir machen das öfter, um von uns selbst abzulenken. Aber über Gina zu reden wäre zu viel für einen Montagmorgen.

„Ganz eindeutig. Er wurde flachgelegt." Wie gedacht. Kurz schaut mich Brandon funkelnd an, doch ich verhalte mich wie die anderen. Ab und zu muss man auch mal an sich selbst denken. Ich wollte einfach nicht mehr über die Sache mit Gina reden. Das verdirbt mir nur die Laune und Brandon tut es ganz gut auch mal im Mittelpunkt zu stehen.
„Komm, erzähl uns." bedrängt ihn sofort Zach und legt ihm den Arm um die Schultern. Brandon beginnt zu erzählen, während wir uns in den Klassenraum begeben. Gekonnt nehme ich mich wieder zurück und schreibe etwas mit Sam.

Hey Sexy. Ich fühle mich heute morgen so unbefriedigt. Hättest du da einen Rat für mich?

Ich mag es mit ihm so zu schreiben. Oder auch zu reden. Obwohl es für mich nur ein Spaß ist, damit er lächelt und sich den Tag darüber daran erinnert, nimmt er mich doch ernst. Als würde er das selbe Ziel verfolgen.

Morgen, Mister. Das ist ja gar nicht gut. Und total ungesund. Zu wenig Befriedigung sorgt für hohen Druck und das führt zu Gereiztheit. Du solltest dir schnell jemanden suchen, damit du das Problem lösen kannst.

Um nicht wie ein Trottel zu grinsen und ich vielleicht noch vom Lehrer gefragt werde, was an der Matheaufgaben so lustig sei, beiße ich auf das Ende von meinen Stift. Ich weiß, dass ich dem Unterricht folgen sollte, doch ich muss erst antworten. Außerdem wird neben mir immer noch über Brandon's one night stand geredet. Da darf ich dann wohl auch kurz abgelenkt sein.

Das klingt ja fast schon gefährlich. Beinahe bedrohlich. Wo finde ich jetzt einen heißen Kerl, der meinen Vorstellungen entspricht, der mir dann auch noch bei dem Problem behilflich sein könnte?

Ich muss gestehen. Solche Nachrichten, in der Schule, sind eine ganz schlechte Idee. Besonders in der ersten Stunde. Da ist es dann beinahe vorprogrammiert, dass Mann hochgradig geil durch den Tag läuft. Was nicht gut ist. Noch schlechter, wenn man nicht sicher ist, wann sich dieser Zustand wieder ändert.

„Mit dir stimmt doch auch was nicht." stellt Eric in der Mittagspause fest. Schnell stecke das Handy weg, dass er nicht auf die Idee kommt, dort nach etwas zu suchen.
„Hast du irgendetwas genommen?" fragt er schnell weiter.
„Ich glaube der Keks von Zach hat komisch geschmeckt." antworte ich und betrachte den halben Keks in meiner Hand. Hat er nicht. Das ist ein stinknormaler Haferkeks. Eric wird dennoch stutzig und nimmt mir den Keks weg. Er weiß eben auch, dass Zach ab und an auch mal spezielle Kekse dabei hat. Die sehen jedoch anders aus und da lässt er uns nicht munter klauen. Vorsichtig beißt Eric ein Stück ab.
„Labber nicht. Der schmeckt wie die anderen." Da muss wohl etwas Neues her.

Zum Glück verpasst mir Colton unter dem Tisch einen Tritt und deute mit dem Kopf hinter mich. Sofort drehe ich mich um und schaue nach was er meint. Gina. Sie steuert auf mich zu. Das eignet sich gerade wunderbar als Ablenkung auf Eric's Frage. Von jetzt auf gleich mime ich das selbe Höhlenmenschen-Verhalten, dass die anderen immer an den Tag legen, wenn eine Frau auf sie zukommt.
Man kann ihnen ansehen, wie das Gehirn in den Schwanz verlagert wird. Genau das versuche ich gerade auch. Außerdem hoffe ich, dass es eine abschreckendere Wirkung hat und Gina dann keine Interesse oder was auch immer an mir hat.

Das arme Mädchen. Je näher sie kommt, desto mehr kann ich ihre Unsicherheit sehen. Verständlich. Wir sitzen hier zu sechst. Und vier davon haben bei den Mädchen einen sehr eindeutigen Ruf weg. Was auch immer die männliche Form einer Schlampe ist, aber es trifft zu.
Sie spielt an den Fingern, als sie bei uns ankommt. Wie auf der Party schaut sie mich mit geweiteten Augen an.
„Jamie? Ich ... Ähm. Können wir reden. Zu zweit?" Es ist deutlich zu spüren, wie unsicher sie ist. Da kann ich kein Arsch sein.
„Gib mir meinen komischen Keks wieder." meine ich nur zur Eric und stehe auf. Dem Blick von Colton habe ich dabei nicht übersehen. Unter den strengen Blicken meiner Freunde folge ich Gina in den leeren Flur. Während der Mittagspause ist hier nie jemand.

Mitten im Gang bleibt sie stehen und schaut mich an.
„Also ... ich ... naja." Sie atmet kurz durch und scheint sich zu sammeln.
„Ich wollte mich entschuldigen, dass ich Samstag einfach weggerannt bin. Ich war etwas betrunken und habe etwas überreagiert." Wieder schaut sie mich von unten an, blinzelt dabei einmal zu viel. Ein seltsam, flaues Gefühl macht sich in mir breit.
„Das ist schon okay. Das passiert doch mal wenn man betrunken ist." Ich versuche einfühlsam zu sein. Ich weiß nicht was von ihr jetzt noch kommt.
„Das wollte ich dir auf der Party schon sagen, aber ich hatte dich nicht mehr gefunden. Aber das ist ja egal, dass kann ich ja auch jetzt machen." Mit einem Mal fängt sie an zu reden wie ein Wasserfall und sie ist kaum zu verstehen.
„Naja jedenfalls, ich finde dich echt nett." Sofort verstärkt sich das komische Gefühl. Sag nicht das was ich jetzt denke. Tu es nicht.
„... und ich finde es echt schade, dass es nur der eine Kuss war." Innerlich geht bei diesen Worten ein Sturm der Schimpfwörter los. Das reicht jedoch nicht. Das zierliche Mädchen macht einen großen Schritt auf mich zu, doch bevor sie die Augen schließen kann und mich wieder küssen kann, mache ich zwei Schritte zurück und versuche sie auf Abstand zu halten. Ohne ein Wort zu sagen, schaue ich sie nur an. Fast etwas ausdruckslos. Ich würde eh nur wie ein Depp etwas stammeln.
„Oh. Mein. Gott. Ich bin so blöd. Du hast überhaupt kein Interesse an mir." Gina schnieft einmal verdächtig und rennt los. Bloß weg von mir. Obwohl ich es mir fast gedacht habe, bin ich über diese Reaktion etwas überrascht. Der Umschwung kam so plötzlich.

Ähh. Frauen. So kompliziert. Die verstehe ich nicht ansatzweise.

„Du hast echt ein Händchen für sowas." Neben mir steht Eric und tätschelt mir die Schulter. Tja, bei Kerlen passiert mir sowas nicht. Die rennen nicht einfach weg. Auf Eric's Kommentare kann ich jedoch nur die Schultern zucken.

SeelenverwandtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt