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• J A M I E •

Sobald ich auf dem Startblock stehe, spult mein Gehirn einen festen Plan ab. Der erste Blick richtet sich auf die Bahn vor mir. Ich fokussiere das Wasser. Danach schaue ich kurz nach links. Betrachte dort die anderen für einen Moment. Dann schaue ich nach rechts. Und konzentriere mich wieder nur auf das Wasser. Warte auf den Startton. Sobald dieser ertönt, bin ich in den festen Abläufen.

1,2,3, atmen. 1,2,3, atmen.
Wie ein Uhrwerk.

Dann die Wende, die ich im Schlaf beherrsche. Und wieder von vorn.

1,2,3, atmen. 1,2,3, atmen.

Nur ein kurzer Blick nach links und rechts. Und nochmal an Tempo zu legen. Schon ist alles vorbei.

100m sind so gar nicht meins. Da hat man kaum angefangen und da ist es auch schon wieder zu Ende. Immerhin darf ich heute zweimal. Nur weil Zach schon dicht ist. Manchmal frage ich mich wirklich was für ein Vollpfosten er ist. Er wusste doch vorher, dass er heute nüchtern sein muss und dann tanzt er hier an und ist schon breit. Oder immer noch. Auch egal. Er ist ja alt genug und kann das selbst entscheiden.

So ganz gepeilt habe ich noch nichts. Ich sehe nur das breite Grinsen des Trainers. Dann schaue ich mich etwas um. Hups. Ich bin wohl erster. Oder zweiter. Der Kerl von Bahn drei ist auch schon da. Doch aus dem Grinsen würde ich mal schließen, dass der andere nur zweiter ist.
„Ich glaube du musst öfter mal kurze Strecken schwimmen." grinst der Trainer nur. Ich verziehe jedoch nur das Gesicht. 100m? Ist das ein Witz? Nach meinem Geschmack können wir noch eine null hinten dran hängen. Dann wird es interessant.

Der Tag war ganz erfolgreich. Ich habe meine beiden Läufe gewonnen, aber leider nicht meine Bestzeit unterboten. Zufrieden bin ich mit der Leistung jetzt schon, aber es hätte besser sein können. Das nicht vorhandene Hochgefühl kommt erst auf, als ich kurz Sam sehe. Er sieht vollkommen begeistert aus. Fast wie mein persönlicher Fan. Leider sind es nur ein paar Sekunden, denn meine Aufmerksamkeit wird kurz auf meine Freunde gelenkt und als ich zurückschaue, ist Sam schon wieder in der Menge verschwunden. Weiter darüber nachdenken, kann ich jedoch nicht. Meine Freunde ziehen mich mit in die Umkleide. So wie die schon drauf sind, wird die Party nicht ohne.

Wie angenommen. Und fast sogar noch etwas schlimmer. Ich habe nichts gegen Partys, aber wenn meine Freunde eine Party planen, dann geht das meistens schief oder endet in einer Katastrophe.

Genau wie dieses Mal bei Rory. Das fängt ja schon an, dass ich an der Tür mein Oberteil ausziehen musste, um überhaupt reingelassen zu werden. Er meinte das würde die Chance bei den Mädels erhören. Bei ihm vielleicht. Mein Interesse an den Mädchen steigert sich dadurch nicht. Ich betrachte eher die nackten Oberkörper. Manche davon sehen schon gut aus. Also so gefällt mir die Party schon, leider sind alle hier hetero und eigentlich interessiert es mich auch nicht weiter, schließlich habe ich Sam. Und zum Glück gibt es meine Durststrecke nicht mehr. Das wäre gerade echt hart geworden. Wahrscheinlich im wahrsten Sinne des Wortes. Obwohl ich sagen muss, das mich solche Muskelmassen eigentlich eher weniger ansprechen. Nett anzusehen ist es, keine Frage, aber ich stehe mehr auf etwas weniger. Eben so wie bei Sam.

Dass es Alkohol in rauen Mengen gibt, wundert mich nicht mehr. Wenn ich da nicht ein bisschen mit trinke, halte ich es hier nicht lange aus. Die Musik ist nicht nach meinen Geschmack und niemand mit dem man tanzen könnte. Naja doch schon, aber was will ich mit einem Mädchen. Die rücken mir nur auf die Pelle. Also bleibe ich etwas unauffällig in einer Ecke stehen und trinke eine Cola-Wodka Mischung.

„Kannst du wenigstens versuchen nicht so gequält auszusehen?" grinst Eric und stellt sich neben mich. Ich lasse kurz den Blick durch die tobende Menge schweifen und schaue ihn dann mit einer hochgezogenen Augenbraue an.
„Du solltest etwas besser drauf sein. Du hast beide Läufe gewonnen. Was muss ich tun um dich aufzumuntern?" fragt er weiter. Eigentlich fehlt nur eine Person und etwas Privatsphäre, dann würde meine Stimmung auch steigen.

Ich will gerade den Mund auf machen um ihn irgendetwas zu antworten, da kommt mir jemand zuvor.
„Jamie. Tanz mit mir." Gina blinzelt mich mit großen Augen an. Ja, sie ist hübsch, aber ich mag nicht. So ein heißer Kerl wäre mir lieber. Doch so wie Eric guckt, muss ich mich wohl meinem Schicksal ergeben. Sonst kann ich mir etwas anhören. Um etwas benebelt zu sein, kippe ich meinen Drink hinter und drücke meinem besten Freund den leeren Becher in die Hand.

Während Gina mich hinter sich herzieht, drehe ich mich noch einmal um. Auf meine erhoffte Hilfe kann ich jedoch verzichten. Eric hält nur den Daumen hoch und grinst doof. So lange wie sie mir nicht zu Nahe kommt, werde ich das schon überleben. Habe ich auf vergangenen Partys ja auch.

Die Musik hämmert in meinen Ohren. Sie ist zu laut und der Bass vibriert durch meine Füße in meinem ganzen Körper. Ich mag das Gefühl. Ich tanze gerne und lasse mich gern von der Musik leiten. Mal einfach den Kopf aus machen und nur instinktiv auf die Musik reagieren. Das finde ich gut. Und mein Bewegungsdrang freut sich darüber auch.

Nur über Gina freut sich nichts. Erst hält sie noch etwas Abstand, was ich gut finde, doch sie rückt mir immer näher. Ich versuche es zu ignorieren.
„Du warst super vorhin." meint sie und lächelt leicht.
„Die anderen auch." Ich versuche es bewusst runter zu spielen, damit sie nicht weiter macht. Ich möchte nur tanzen, sie etwas ausblenden und kein Gespräch führen.
„Ich würde schon nach einer Bahn ertrinken." kichert sie. Dabei versucht sie mich etwas von unten anzusehen. Was wohl niedlich aussehen soll. Und scheinbar den gewünschten Effekt nicht erzielt, weil ich darauf nicht eingehe.
Da bemerke ich auch, dass meine Freunde immer wieder rüber sehen. Als wäre es das Wunder des Jahres.

Jamie tanzt doch wirklich mit einem Mädchen.

Die Sensation. Das nervt schon wieder, doch der Alkohol in meinem Blut lindert es etwas. Zum Glück merke ich nicht, dass sie sogar Mädels abwimmeln, nur um mich weiter zu beobachten. Ich glaube, da würde ich platzen. Leider folgt das Nächste. Gina wird von jemanden angerempelt und stolpert in meine Richtung. Bevor sie unsanft zu Boden geht, fange ich sie etwas auf. Erst schaut sie mich erschrocken an, doch ihr Blick ändert sich innerhalb eines Sekundenbruchteils.

Nein, nein, nein, nein.

Ehe ich einen Schritt zurück machen kann, liegen ihre Lippen auf meinen. Mir wird gerade ganz deutlich, dass ich nicht noch einmal freiwillig oder unfreiwillig ein Mädchen küssen möchte. Ich habe es noch nie zuvor getan und will es auch nicht nochmal. Bevor es zu weit geht, drücke ich sie leicht von mir. Wieder schaut sie mich mit geweiteten Augen an, stammelt etwas, dreht sich um und geht. Das ist mir jedoch egal. Ich brauche was zum Trinken. Hochprozentig.

Etwas blindlings taumle ich in die Küche und suche nach dem Wodka, mische ihn etwas mit Cola und vernichte den Drink schnell.
„Bist du so ein schlechter Küsser?" lachend taucht Zach neben mir auf. Bitte nicht. Einer der Menschen, die ich gerade nicht ertrage.
„Sehr witzig." brumme ich nur und bereite einen weiteren Becher vor. Jetzt habe ich schlechte Laune, das muss ich runter spülen und dann schnell nach Hause.
„Wieso ist sie sonst so schnell abgehauen?" stichelt er weiter. Zach soll die Klappe halten. Ich knurre nur und trinke einen großen Schluck.
„Du hast ja auch kaum Erfahrung. Da kann das schon passieren." Er stichelt noch etwas, versucht aber auch etwas rücksichtsvoll zu sein. Idiot.
„Halt einfach die Fresse." fauche ich ihn an. Er hat ja keine Ahnung. Wahrscheinlich habe ich mehr Erfahrung als er. Immerhin kenne ich seine Stories über seine Eroberungen. Und wenn ich mich richtig erinnere und kurz durchzähle, dann habe ich nicht übertrieben.
„Sei doch nicht so. Dann nimm doch die Nächste. Gibt doch genügend Auswahl hier." Immerhin hat er mitbekommen, dass er jetzt still sein sollte. Leider sagt er wieder das Falsche. Ich will hier keine andere. Ich will zu Sam.

Eine halbe Stunde halt ich das dumme Gelaber noch aus. Rory und Colton machen munter mit. Ich werde es jetzt einfach Brandon gleich tun und nach Hause gehen. Vielleicht ist Sam noch wach und ich kann noch etwas mit ihn schreiben. Würde meine Laune jedenfalls steigern.

SeelenverwandtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt