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• J A M I E •

Himmel noch mal. Der macht mich fertig. Meine Knie fühlen sich immer noch an wie Wackelpudding. Allerdings könnte es jetzt auch die Aufregung sein. Aus meinen Rucksack fische ich bereits den Hausschlüssel und lasse ihn wenig später rein.
„Ich will dein Zimmer sehen." grinst er mich an. Da ist wohl einer neugierig. Also zeige ich es ihm. Sonderlich aufgeräumt ist es nicht wirklich, aber das stört ihn nicht weiter. Sieht ja bei ihm nicht anders aus. Er schaut sich einfach etwas um und lässt sich dann mit einem Seufzer rückwärts in mein Bett fallen.
„Hier bleib ich." murmelt er und dreht sich auf den Bauch, wobei er sein Gesicht in meine Kissen drückt.
„Das riecht so schön nach dir." murmelt er weiter, was mir ein Schmunzeln ins Gesicht treibt. Das muss irgendwie eine Macke von ihm sein. Ich muss ja auch jedes Mal mit ihm verhandeln, dass ich mein T-Shirt wieder anziehen darf, weil er das viel lieber selbst anzieht. Ich muss wohl gut schnuppern.
"Du kannst es dir meinetwegen bequem machen, aber ich gehe jetzt kochen." lache ich nur und lasse ihn allein. Dann kann er sich sonst auch noch etwas in Ruhe in meinem Zimmer umsehen.

"Das war also nicht übertreiben, dass du kochen kannst?" fragt er leicht verwundert und folgt mir doch in die Küche.
"Ich will doch nicht verhungern, wenn Mama in der Nachtschicht ist. Und dann kann ich ihr eine Freude machen, wenn sie aus der Spätschicht kommt und nicht mehr  kochen muss." erkläre ich ihm und fange an das Essen vorzubereiten. Er verzieht nur das Gesicht zu einem Lächeln und legt mir von hinten die Arme um. Zärtlich haucht er mir einen leichten Kuss auf den Hals.
"Du bist wirklich ganz wunderbar. Wie kann ich helfen?" will er wissen und löst sich leicht von mir. Als Antwort werfe ich ihm einfach nur eine Zwiebel hin. Das kann ich gar nicht leiden. Zwiebeln schneiden. Geht Mom auch so. Aus diesem Grund haben wir so ein kleines Küchengerät, dass uns die Aufgabe immer abnimmt. Außerdem will ich Sam etwas ärgern. Der scheint damit aber wenig Problem zu haben. Er lässt sich von mir Messer und Brett reichen und fängt an die Zwiebel in kleine Würfen zu schneiden.

"Wieso heulst du nicht?" wundere ich mich, als er mir seine Arbeit präsentiert. Das hasse ich daran wirklich. Diese lästige Heulerei.
"Bin halt kein Sensibelchen." kichert er nur. Wieso meine Augen da rollen, weiß ich nicht so wirklich, aber es passt schon irgendwie.

Wir  machen gemeinsam Blödsinn, während ich Mama im Flur höre. Unweigerlich erhört sich etwas mein Herzschlag. Und Sam macht es nicht  besser, als er schon wieder etwas freches von sich gibt. Um ihn zum Schweigen zu bringen, halte ich ihm einfach einen Löffel zum Kosten hin.
"Hm. Das ist lecker." nuschelt er und leckt den Löffel ausgiebig ab, als könnte er noch mehr bekommen.
"Mehr?" Er versucht es schon wieder mit seinem Hundeblick. Da bin ich einmal weich geworden und schon versucht er es jedes Mal. Er ist scheußlich, ich muss ihn doch wieder los werden.
"Ist doch gleich fertig." erkläre ich und rühre in der Soße. Doch die Antwort gefällt ihm nicht. Er versucht einfach wieder seinen Löffeln einzutauchen. Nur mit Mühe kann ich weiter in der Soße rühren und ihn mit dem Arm etwas auf Abstand halten, sodass er nicht an den Topf kommt. Die ganze Zeit kichert er dabei.
"Hörst du wohl auf." befehle ich ihm, was jedoch nicht so rüberkommt, da ich ein dickes Grinsen im Gesicht habe.
"Aber das ist so lecker." Wie ein kleiner Junge quengelt er. Was soll ich dazu noch sagen.

Als ich es aufgebe und anfange den Tisch zu decken, sehe ich Mama in der Tür. Sie grinst nur vor sich hin.
"Wie lange stehst du schon da?" frage ich sie nur und kümmere mich weiter um den Tisch. Als Sam gerade den Löffel mit der Soße in den Mund steckt, dreht er sich dabei um. Mit Löffel im Mund lächelt er Mama an, die darüber nur leise gluckst.
"Ach. Nur etwa zwei Minuten." strahlt sie uns an. Wieder kommt mir der Gedanke, ihr ein Glöckchen zu verpassen, damit sie sich nicht mehr anschleichen kann. Und wieder kann man beobachten, wie Sam zufrieden den Löffel ableckt.

Von dem anfänglichen Unbehagen, dass sich in mir breit machen wollte, ist nichts mehr übrig geblieben. Keine fünf Minuten hat es gedauert und ich habe gemerkt, dass sich Sam und Mama verstehen. Meine Befürchtungen waren vollkommen umsonst. Und da ich ihr gestern schon so viel erzählt habe, stellt sie fast keine Fragen. Hätte ich vorher gewusst, dass es so entspannt wird, dann hätte ich ihr schon vor einer Weile erzählt, dass ich schwul bin. Immerhin weiß ich das schon eine Weile und hatte in der Zeit ja auch schon Beziehungen von denen sie erst seit gestern weiß. Ich glaube ich habe ihr gestern Abend fast alles aus den letzten zwei Jahren erzählt, was ich ihr nicht gesagt beziehungsweise verheimlicht habe.

Sam freut sich tierisch, dass er heute bei mir schlafen darf. Mein Bett scheint ihm wohl zu gefallen. Keine Ahnung was das für eine Macke ist. Und dann bedient er sich noch an meinen Schrank. Er holt ein T-Shirt raus und zieht es sich einfach über. Wie ein Honigkuchenpferd lächelt er mich an. Woraufhin ich nur den Kopf schütteln kann.
„Du hast so einen süßen Knall." lächle ich ihn nur an, während ich mich ins Bett lege.
„Na und. Scheint dich ja nicht zu stören." kichert er nur und kuschelt sich zu mir. Ich schmunzle einfach, lege die Arme um ihn und halte ihn fest. Er klammert sich an mich. Ich finde es echt schön, wenn ich hinter ihm liege und mich an seinen Rücken kuscheln kann. So gern, wie er sich immer an mich kuschelt, so gern verstecke ich das Gesicht in seinem Nacken. Wie sich seine winzigen Nackenhärchen aufstellen, wenn mein warmer Atem seine Haut trifft. Und wenn ich mich kurz über ihn lehne und einen Kuss auf die Wange hauche, dann sehe ich jedes Mal sein zufriedenes und glückseliges Lächeln.

Sein ruhiger Atem lässt mich schnell schläfrig werden. Er scheint wohl schon zu schlafen. Ich bin auch fast eingeschlafen als leise meine Zimmertür aufgeht. Müde blinzle ich in den Lichtkegel, der durch die offene Tür direkt in mein Gesicht fällt.
"Habe ich dich jetzt geweckt?" fragt Mama leise. Ich murre etwas kaum verständliches, was als Antwort zählen soll.
"Ich habe gar nicht nach Frühstück gefragt." sagt sie leise.

Ach Mama. Sie ist schon süß. Wenn ich allein bin, dann mache ich mir doch auch selbst Frühstück, wenn sie Spätschicht oder gar Nachtschicht hat. Sie ist doch meistens noch sehr müde und liest nur die Tageszeitung. Mama ist doch froh, wenn sie morgens ihre Ruhe hat.

„Ich weiß doch wo alles steht, ich mach das schon." nuschle ich müde und ziehe Sam etwas mehr zu mir. Ich lege wieder den Kopf auf dem Kissen ab und verschwinde fast hinter ihm.
„Okay, dann schlaft gut." lächelt sie. Ich schließe darauf die Augen und bin fast eingeschlafen, jedoch höre erst nach einer kurzen Weile wie meine Zimmertür wieder zugeht. Sie muss uns wohl noch einen Moment beobachtet haben. Ich würde gern wissen, was sie denkt, aber das frage ich erst morgen. Im Augenblick möchte ich nur bei Sam sein und es ihm gleich tun. Einfach schlafen.

SeelenverwandtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt