Kapitel 5: Ja, nein, vielleicht

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"Was machst du heut noch so?", ich sah Jess fragend an.

"Ich muss Niclas bei seinem Raferat helfen. Ich habs leider Mum versprochen." Die seufzte leise. "Kleine Brüder eben, wieso fragst du?"

"Ach, nur so, hab heut 'nen freien Tag, weil... au verdammt", wir packten gerade unsere Hefte ins Schließfach und ich hatte es doch tatsächlich geschafft, mir die Tür ins Gesicht zu hauen, "...wo war ich? Ach ja, also, Jannis kommt heut nicht zu uns und Loren feiert mit Freunden,  da muss ich nicht dabei sein, und deshalb wollte ich wissen ob wir was unternehmen können."Ich holte tief Luft. So ein langes Satzgebilde...

" Nee sorry", sie sah mich bedauernd an. "Aber du hast Samstag doch Zeit um bei mir zu übernachten?"

"Klar", ich umarmte sie noch kurz und ging dann zu meinem Fahrrad.

Ich saß auf, doch irgendwie hatte ich überhaupt keinen Bock nach Hause zu fahren, ich meine, dort erwartete mich eh nur Lorens Kaffeekränzchen, darauf konnte ich gut verzichten, also radelte ich ziellos in der Gegend herum. Irgendwann, keine Ahnung, wie lang ich schon unterwegs war, kam ich an einem hübschen kleinen Laden vorbei, der lauter Schmuck und ähnliches verkaufte. Ich ging hinein und sah mich um. Es war sehr übersichtlich eingeräumt. Zielstrebig lief ich auf die Armbänder zu. Ich liebte Armbänder, ich hatte immer an die zehn Stück am Arm, aber nur an der linken Hand. Es mussten aber welche sein, die man nicht ausziehen musste, sondern die auch mit unter die Dusche und ins Schwimmbad konnten. Leider fand ich so was hier nicht. Es gab nur metallene Armreifen oder Lederbänder.

" Suchst du etwas Bestimmtes?", fragte der Verkäufer hinter mir. Man, ich hatte ihn gar nicht kommen hören. Ich hasste es wenn die Verkäufer immer um einen rumliefen und einen anschwatzten, da fühlte ich mich immer unter Druck gesetzt, deshalb drehte ich mich um, um ihn möglichst höflich abzuwimmeln. Doch als ich ihn sah, fiel mir nichts besseres ein als zu fragen: "Gehört das zu eurem Verkaufskonzept, euch an Kunden anzuschleichen und sie zu erschrecken?" Man sah der gut aus.

Ersah mich betreten an. " Nee, sorry, ich dachte, du hättest bemerkt, dass ich da bin." Knirschte er etwa mit den Zähnen um zerknirscht auszusehen? Wie süß. So machte Jess' kleiner Bruder Niclas das auch immer.

" Um erlich zu sein: nein."

" Nein,  du hast mich nicht bemerkt, oder, nein du suchst nichts Bestimmtes."

"Äh, beides?" Ich Trottel. Hätte ich jetzt nicht irgendeinen collen Spruch bringen können? Wenigstens sowas wie "ja, ich suche dich" oder so?

Er lachte leise. "Ich sehe, du interessierst dich eher für Armbänder. Hat dir nichts gefallen?"

Ich schüttelte den Kopf. Zu mehr war ich nicht fähig und ich hasste mich dafür. Komm schon, sag was colles! "Bist du nicht noch etwas jung um hier zu Arbeiten?", platzte ich heraus. So viel zum Thema cool. Ich ohrfeigte mich innerlich.

Er grinste mich an. "Ich arbeite nur so Taschengeldmäsig hier. Der Laden gehört meiner Oma."

"Oh achso." Mehr fiel mir nicht ein. Stattdessen blickte ich verlegen auf mein linkes Handgelenk und drehte die Armbänder um es herum.

" Darf ich mal sehen?" Bevor ich antworten konnte, schnappte der Typ meine Hand und strich meinen Pullover zurück. "Magst du solche Bänder?"

Ich nickte wieder nur einfälltig.

" Sowas findest du hier." Er zog mich an meiner Hand,  die er immernoch nicht losgelassen hatte, zu einer Ecke in der es seltsam indianisch aussah. Dort waren tatsächlich auch solche Knüpfarmbänder wie ich sie trug,  doch ich hatte schon mehr als genug davon. " Sorry,  aber eigentlich brauch ich Solche nicht mehr."

"Macht doch nichts, vielleicht finden wir ja was Anderes für dich." Er fuhr sich durch die braunen Strubbelhaare. "Wie wäre es mit dem hier?" Er hielt mir einen riesigen Indianerschmuck mit Federn an den Kopf und verzog das Gesicht. "Mal ehrlich, schon ziemlich schräg das Zeug hier, oder?"

Ich kicherte. Hatte ich mal gesagt, ich hasste Verkäufer, die ständig um um einen herum liefen? Vergesst das wieder. Der Typ war mega heiß. Mir lag gerade eine Erwiederung wie "du machst aber tolle Werbung" oder "kriegst du für solche Bemerkungen Extrataschengeld?" auf der Zunge,  doch in dem Moment sah ich den Traumfänger an der Wand hängen und wusste: den musste ich haben. Ich glaubte nicht wirklich an sowas, aber er war so hübsch und irgendwie wollte ich ihn unbedingt.

"Der?", der Typ, ich wusste leider immer noch nicht, wie er hieß,  deutete auf den Traumfänger. Anscheinend hatte ich ihn ziemlich angestarrt. Ich nickte und er hängte ihn ab. Ich folgte ihm zur Kasse. "Fünf neunundneunzig", nannte er den Preis. "Aber wenn du mir deine Handynummer gibst, kriegst du Ermäßigung auf fünf Euro."

War das jetzt seine Masche? "Sagst du das zu jedem Mädchen, das hier vorbeikommt?", fragte ich und reichte ihm einen Zehneuroschein.

" Dann würde sich der Job nicht lohnen, das geht ja auf mein Taschengeld zurück." Er stöhnte auf. " Hättest du nicht genauer zahlen können? Was ist nochmal Zehn minus 4,99?"

Ich sah ihn überrascht an. Wollte er mich verarschen? Das war ja nun wirklich einfach. " Fünf Euro und ein Cent."

" Danke." Er sah mich zerknirscht an."Ich habs nich so mit Mathe. Wozu gibts denn sonst 'nen Taschenrechner?!"

" Ich mag Mathe. Das ist eins meiner Lieblingsfächer."

Er sah mich schräg an. "Ehrlich? Kannst du mir Nachhilfe geben?"

" Ich denk drüber nach."

" Wenn ich dir meine Nummer geb, schreibst du mich dann an?", fragte er hoffnungsvoll.

Ich zuckte mit den Schultern. "Ja,nein, vielleicht."

TraummörderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt