Kapitel 22: Aufbruch

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Unruhig lief ich auf und ab. Wann kamen sie denn endlich? Zum gefühlt tausendsten Mal sah ich auf meine Uhr, nur um festzustellen, dass sie immernoch fast eine Viertelstunde Zeit hatten. Hätte ich bloß später mit packen angefangen. Dann wäre ich jetzt wenigstens beschäftigt. So blieb mir nichts anderes übrig als aufgeregt durchs Zimmer zu tigern und Loren mit meinem ständigen Auf-die-Uhr-gucken verrückt zu machen.

" Kannst du nicht endlich mal still sitzen?", fragte Loren zum wiederholen Mal.

" 'tschuldigung", murmelte ich zum genau so oft wiederholten Mal. Gehorsam setzte ich mich in den Sessel, nur um dann wieder auf zu springen, zu meiner Tasche zu wuseln und nochmals durchzusehen, ob ich nicht doch etwas vergessen hatte.

Ich kramte gerade in meiner Tasche nach meinem Föhn, um ihn doch aus meinem Gepäck zu werfen, als es endlich an der Tür klingelte. Ich stürzte zum Türgriff und riss daran und brauchte dadurch noch länger als sonst, um die Tür zu öffnen. Dann stand ich aber doch strahlend vor Jess, die ihrerseits einen riesigen Koffer dabei hatte.

"Komm rein," rief ich,"Luke kommt warscheinlich erst in zehn Minuten."

Sie lächelte zerknirscht. " Ich weiß, ich bin zu früh da, aber ich hab es einfach nicht mehr ausgehalten."

"Aaach, das macht doch nichts", sagte ich und verschwieg, dass es mir genauso gegangen war.

Ich trug ihr den Koffer in den Flur. Das war völlig unnötig, wie sich gleich herausstellte, denn ich war noch damit beschäftigt, mir die schmerzenden Handflächen zu reiben -verdammt, war der Koffer schwer- da klingelte es schon wieder an der Tür.

Jess war schneller als ich und öffnete die Tür schon, als ich noch gar nicht registriert hatte, dass es gebimmelt hatte.

" Wow", entfuhr es Jess. Sie blieb wie angewurzelt stehen und versperrte dabei den Weg ins Haus.

" Hi, du musst Jess sein, richtig?"

Da Jess sich immernoch nicht rührte und auch nicht so aussah, als hätte sie das in nächster Zeit vor, rief ich: "Komm rein Luke, wir sind fast fertig. Von mir aus können wir gleich los."

Ich sah nur Lukes Hände, die sich um Jess Schultern schlossen und sie sanft zur Seite schob. Im nächsten Moment tauchte auch der Rest von ihm auf und er kam auf mich zu.

Ohne zu fragen griff er nach Jess' Koffer und trug ihn mit einer Leichtigkeit nach draußen, dass ich ganz neidisch wurde. Und außerdem auch noch ganz schwach, weil ich seine langen starken Muskeln sah.

Schnell schnappte ich mir meine Tasche und wuchtete sie den Flur entlang.

Kaum war Luke aus der Tür, erwachte auch Jess wieder zum Leben. Mit großen Augen stürzte sie auf mich zu. "Warum hast du mir nie gesagt, dass er so cool ist?"

"Vielleicht, weil du es dir sowieso nicht hättest vorstellen können?" Irgendwie gefiel es mir nicht, dass sie ihn so anhimmelte.

"Man, ich bin ja so neidisch auf dich", sagte Jess wie aufs Stichwort, wärend sie mir beim tragen half.

Zum Glück kamen wir nach draußen, bevor ich mir Gedanken darüber machen konnte, warum ich plötzlich sauer auf meine beste Freundin war. Stattdessen betrachtete ich Lukes Motorrad. Wie wir besprochen hatten, nahm er erst Jess mit zum Bahnhof, wärend ich hier mit dem Gepäck wartete. Dann kam Luke zurück und fuhr die Taschen zum Bahnhof, wo Jess auf sie aufpasste. Er musste drei mal fahren, um das ganze Zeug weg zu schaffen. Währenddessen verabschiedete ich mich von Loren. Es war das erste Mal, dass ich länger als eine Woche Klassenfahrt wegfuhr. Loren nahm mich fest in den Arm. " Pass gut auf dich auf Kleines, ja? Ich weiß nicht, was ich ohne dich machen würde."

Das kam mir etwas albern vor, immerhin dachte sie, dass ich einfach nur drei Wochen in ein Hotel fuhr. Aber Loren spürte meistens, wenn etwas am laufen war. Sicher vermutete sie auch dieses Mal, dass noch etwas anderes dazu geführt hatte, dass ich abreiste, als nur Ferienlaune. Und sie machte sich immer so furchtbare Sorgen um mich. Wie würde es ihr erst ergehen, wenn sie merkte, dass ich mein Handy vergessen hatte?

Einem plötzlichen Impuls folgend drückte ich sie noch fester an mich und flüsterte "alles wird gut" in ihr Ohr.  Dann ließ ich sie los uns stieg zu Luke aufs Motorrad. Er winkte Loren noch freundlich zu, dann fuhr er los. Loren sah uns noch nach bis wir um eine Straßenecke bogen. Ich hatte das Gefühl, dass ich Loren längere Zeit nicht wiedersehen würde.

TraummörderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt