Kapitel 46: Lee Ann

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Um mich war ein penetrantes Flüstern. Mussten sie sich so laut unterhalten? Ich wollte schlafen!

Ich grummelte und drehte der Geräuschquelle den Rücken zu. Mein Wecker hatte nicht geklingelt, also konnte ich noch weiter schlafen.

Plötzlich stieß mein Arm gegen Holz. Da war ein Holzrahmen an meinem Bett. Ich konnte mich gar nicht erinnern, das an meinem Bett irgendwo Holz war. Automatisch stellte mein Gehirn die logische Verknüpfung her: ich war nicht in meinem Bett!

Sofort war ich hellwach. Alles, was passiert war, fiel mir wieder ein. Der Alkohol, der Strand, der Kuss und der Schlag.

Hinter mir war das Flüstern verstummt. Sie wussten, dass ich wach war. Ein letztes Mal schloss ich die Augen und wappnete mich dem, was auch immer jetzt kommen würde. Dann setzte ich mich auf und drehte mich um.

Vor mir standen zwei Männer. Sie waren die klassischen Schlägertypen: Haufenweise Muskeln, ein Gesicht, als hätte schon öfters jemand ihnen kräftig auf die Nase gehauen, und eine Statur, die mehr an einen Schrank als an einen Menschen erinnerte.

"Bist du jetzt wach? Hast du gut geschlafen?", fragte der eine, der links von dem anderen stand. Er sah so aus, als versuchte er freundlich zu sein, aber es war eindeutig, dass ihm das nicht entsprach. Er starrte grimmig auf mich herab.

Ich sparte mir eine Antwort. Er machte sowieso nicht den Eindruck, als ob es ihn interessierte, wie ich geschlafen hatte.

Der andere Typ machte eine ungeduldige Bewegung. "Wenn du bitte so freundlich wärst, uns zu folgen."

Aha, jetzt ging es also zur Sache. Langsam stand ich auf, darauf bedacht, keine plötzlichen Bewegungen zu machen. Wer wusste schon, wie schnell diese Typen losschlugen? Trotzdem ließ sich ein Bedürfniss nicht unterdrücken.

"Könntet ihr mir bitte sagen, wo die Toiletten sind?"

Die Muskelpackete schienen keine Lust zu haben, mit mir zu reden. Einer der beiden lief vor mir, der andere reihte sich hinter mir ein, mir blieb nichts anderes übrig als mitzugehen.

"Aber beeil dich", knurrte der, der vor mir gelaufen war, und öffnete mir eine Tür.

"Bitte", fügte der hinter mir hastig hinzu.

Schnell schlüpfte ich durch die Tür und war heilfroh, als sie endlich geschlossen war und mich damit von diesen Typen trennte.

Anscheinend versuchten diese Schlägerschränke auf Teufel komm raus freundlich zu mir zu sein, obwohl sie das überhaupt nicht konnten. Es war eindeutig, dass sie das nicht von sich aus taten. Es musste also jemanden geben, der ihnen das befahl. Nur wer? Eins war sicher, diese Person musste extrem überzeugend oder einflussreich sein, dass diese beiden sich etwas von ihm sagen ließen. Sofort sah ich vor meinem inneren Auge einen großen Mann, mittleres Alter, stinkreich, voller Piercings und Tattoos und sehr stark. Na das konnte ja super werden.

Als ich das Klo wieder verließ, nahmen mich die Muskelpackete sofort wieder in ihre Mitte und eskortierten mich die Gänge entlang.

Unauffällig versuchte ich, mir alles anzusehen.

Entgegen meiner Vorstellung von einem Gefängnis oder so, war hier alles lichtdurchflutet, die Wände in hellen Farben bemalt. Es wirkte durch und durch freundlich.

Meine Eskorte öffnete eine Tür und plötzlich landete ich in einer Art Wohnzimmer. Auf der einen Seite war ein großes Fenster mit Blick auf das Meer, ansonsten gestalteten ein hübscher Tisch aus hellem Holz, ein blaues Sofa, ein paar Regale voller Bücher und ein Fernseher den Raum.

"Warte hier", befahl einer meiner Begleiter mir. Dann verließen sie beide das Zimmer.

Da ich mir ziemlich sicher war, dass sie die Tür bewachten, versuchte ich gleich gar nicht, abzuhauen. Um mich abzulenken sah ich mir die Bücher in den Regalen an. Überwiegend Fantasybücher standen da, aber auch ein paar Liebesromane.

Hinter mir schwang die Tür auf. Erschrocken fuhr ich herum.

"Na, gefallen dir meine Bücher?", fragte die Person, die den Raum betrat.

Mir fielen beinahe die Augen aus dem Kopf. So hatte ich mir meinem Entführer ganz sicher nicht vorgestellt.

Eine jumge Frau, fast noch ein Mädchen,  streckte mir ihre Hand zum Gruß entgegen. Blonde Haare umrahmten in sanften Locken ihr Gesicht, der Blick aus ihren blauen Augen war alles andere als böse. Die Hand, die ich ergriff war zart und dünn. Insgesamt war sie sehr dünn und auch kaum größer als ich, und das sollte etwas heißen, denn ich hatte nur gerade so die 1 Meter 65 erreicht.

"Ich bin Lee Ann", stellte sie sich mir mit einer melodischen Stimme vor. "Entschuldige die Unannehmlichkeiten, die deine Entführung verursacht hat. Ich hoffe, sie waren jetzt wenigstens freundlich zu dir?"

Na, überrascht? Oder war alles schon vorhersehbar?  Schreibt mir doch bitte ein paar Kommentare, ob ihr das Kapitel gut findet, ob ihr das erwartet habt, was ihr erwartet hättet, was ihr euch wünscht umd so weiter. Ihr wisst ja, was ich meine ;-)

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