Kapitel 45: Kopfschmerzen

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Ich wurde geschüttelt. Heftig geschüttelt. Schmerzerfüllt stöhnte ich auf. Mein Kopf dröhnte. Es fühlte sich an, als würde ein Zwerg mit einem Hammer gegen meinen Schädel schlagen. Und zwar kein Gartenzwerg, sondern einer von diesen kräftigen Zwergen, wie sie in Mittelerde, Tolkiens Fantasiewelt, haufenweise herumliefen.

"Lass das", wollte ich den anfauchen, der die Unverschämtheit besaß, mich die ganze Zeit hin und her zu schütteln, sodass mir ganz schlecht wurde, doch meine Zunge war wie Sandpapier in meinem Mund und ich bekam keinen Ton heraus.

Mühsam öffnete ich die Augen. Alles verschwommen.

Ich fühlte mich scheiße.

Dann erkannte ich endlich, wer dieser Idiot gewesen war, der mich geschüttelt hatte. Luke. Wer hätte es auch sonst sein sollen?

Er kniete über mir, die Hände auf meine Schultern gelegt, und rutschte nun erleichtert von mir herunter.

Wut stieg in mir auf.

Mit aller Kraft, die ich aufbringen konnte, gab ich ihm eine Ohrfeige. Meine Hand brannte von dem heftigen Schlag.

Luke wehrte sich nicht. Auch als ich ihn nochmal schlug, verteidigte er sich nicht. Mit gesenktem Kopf nahm er alles hin, bis ich keine Energie mehr hatte und kraftlos in den Sand zurück sank, was leider nicht allzu lange brauchte. Ich musste dringend trainieren, wenn ich noch öfters Typen schlagen musste.

Als Luke sicher war, dass ich fertig war, beugte er sich über mich.

Ich versuchte, ihn weg zu schubsen, aber er war viel zu stark für mich. Trotzdem wich er zurück, gewährte mir meinen Freiraum.

"Es tut mir leid", murmelte er.

Ich krächzte: "Du hast mich benutzt." Ich wartete darauf, dass es abstreiten würde, dass er Ausreden suchen würde.

Doch das tat er nicht. Er sah zur Seite und sagte nochmal: "Es tut mir leid."

Mein Herz sank noch etwas tiefer, als es schon gewesen war. Irgend ein Teil von mir hatte gehofft, dass er sich doch etwas aus mir machte, dass er um mich kämpfen würde. Wenigstens war er ehrlich.

"Hau ab", flüsterte ich, "verschwinde!"

Luke sah mich verzweifelt an. "Ich will dich nicht verlieren!", rief er.

"Dann nimm dir so viel Geld, wie du brauchst", diesmal bekam ich das Fauchen hin, "aber ich will nicht länger deine Fahrkarte sein. Ich habe es satt, nur als Mittel zum Zweck zu nutzen!"

Sein durchdringenden Blick heftete sich auf mich und ich konnte nicht wegsehen. "Du bist schon lange kein Mittel zum Zweck mehr!"

Ein spöttisches Lachen blubberte aus meinem Mund. "Ich habe den Brief gelesen, Luke, und er war mehr als eindeutig."

"Wenn du nur ein Mittel zum Zweck gewesen wärst, wäre ich dich spätestens als du fast tot warst,  abgehauen. Aber ich bin dageblieben! Verstehst du nicht? Du bist mir schon lange viel wichtiger!"

Mit versteinerter Miene schloss ich die Augen. Vielleicht verschwand er einfach, wenn ich ihn nicht mehr beachtete. Doch den Gefallen tat er mir nicht.

"Verdammt, Clare", schrie er, was bei meinem Kopfweh nicht gerade hilfreich war. "Hör mir doch wenigstens zu! Ich habe diesen Brief schon vor Ewigkeiten geschrieben. Jo hatte immer mehr Erfolg als ich. Während ich meine Strafe abarbeitete, reiste er um die halbe Welt und ließ es sich gut gehen. Ich wollte ihm wenigstens ein mal überlegen sein, zeigen, dass auch ich einen guten Weg gefunden habe. Aber dann warst du so nett und die Zeit mit dir war so schön, dass ich es nicht mehr über mich gebracht habe, dich als billige Möglichkeit darzustellen, weil das bist du nicht und das wirst du auch nie sein. Wenn du mich jetzt wegschickst, werde ich dir nicht widersprechen, aber du solltest wenigstens wissen, dass ich dich liebe. Und zwar schon seit ich das erste Mal bei dir war und du Angst vor dieser kleinen Spinne hattest."

Bedrückt öffnete ich die Augen und sah ihn an. "Wie soll ich dir je glauben? Woher weiß ich, dass du nicht schon wieder lügst?"

Luke seufzte leise. "Ich weiß es nicht. Und beweisen kann ich es dir nicht."

Vielleicht doch, dachte ich. Entschlossen legte ich die Arme um seinen Nacken und zog ihn zu mir herunter und als unsere Lippen aufeinander trafen und in einem wunderbaren, ersten Kuss verschmolzen, war ich mir sicher, dass er nicht gelogen hatte.

"AUFSTEHEN!", brüllte jemand hinter uns. Im nächsten Moment bekam ich einen heftigen Stoß und mal wieder wurde alles schwarz.

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