Kapitel 4

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Die frühen Sonnenstrahlen erhellten das dunkle Holz im Flur. Sicher bewegte sich meine Mitbewohnerin durch die Gänge. Ich folgte ihr. „Ich zeige dir jetzt, wo wir arbeiten. Es gibt für uns jeden Tag einen anderen Arbeitsbereich, beziehungsweise: Entweder wir arbeiten an einem Tag in der Küche oder als Putzkraft. Ich persönlich bevorzuge letzteres, weil man dann nicht tausend verschiedene Gerüche in der Nase hat. Die Menschen, die in den Kammern zusammen wohnen, sind quasi kleine Teams und bekommen immer zusammen einen Aufgabenbereich. So kann man sich besser zurechtfinden, wenn ständig ein Vertrauter dabei ist. Heute ist jedenfalls Kochen dran. Also zumindest in der Küche aushelfen. Wenn ich selbst kochen würde, würde die Küche wohl dabei explodieren!" Um nicht zu kichern bei der Vorstellung, hielt ich mir die Hand vor den Mund.

„Tadaaa, wir sind da! Willkommen in der Hauptküche!" Etwas überrumpelt sah ich mich um, als wir durch eine Holztür gingen. Viel Dampf, viele Gerüche, etwas stickig, viele umherwuselnde Menschen, die sich verschiedene Anweisungen zuriefen und dabei ihrer Tätigkeit nachgingen. Als ein Küchenjunge uns bemerkte, lief er auf uns zu. Er konnte nicht älter als zwölf sein. „Sofie! Der Plan wurde geändert! Ihr seit heute in der Waschküche!" Während er das sagte, hing sein Blick auf mir. Er musterte mich, aber nicht so freundlich wie Sofie. Auch die anderen in der Küche warfen uns immer wieder verstohlene Blicke zu, wie ich nun bemerkte. Oder besser: mir.

Das Mädchen neben mir schien erleichtert. Sie war wohl wirklich nicht gerne in der Küche, und langsam konnte ich verstehen warum. Die Aufregung, die vielen Menschen...das war nicht meins. „Gut, dann gehen wir eben dort hin. Bis später, Tim!" Der Junge nickte ihr nochmal zu, dann ging er wieder seiner Arbeit nach. als wir die Küche verließen sah ich abwartend zu Sofie. „Da lang." Mit der Hand deutete sie in eine Richtung. Also liefen wir los. Eine Frage lag mir auf der Zunge, doch ich schämte mich auch ein wenig sie auszusprechen. Doch Sofie hatte sich schon die ganze Zeit sehr nett verhalten, also hoffte ich einfach sie würde mich nicht auslachen und schrieb auf meinen Block:
Was macht man in einer Waschküche? Sie sah mich verwundert an. „Das weißt du nicht?" Entschuldigend sah ich sie an.

Das ist meine erste Arbeit.

Nun lächelte sie wieder, fast ein wenig neidisch. „Dann müssen deine Eltern wohl gut verdienen, wenn du bis jetzt nicht arbeiten musstest." Ausweichend sah ich auf die Seite. Bei der Erwähnung meiner Eltern spürte ich sofort einen Anflug von Traurigkeit. Die Rothaarige schien zu merken, dass etwas nicht in Ordnung war, darum sagte sie schnell: „Entschuldige, ich wollte dich nicht bedrängen. In einer Waschküche wird jede Wäsche gewaschen, aufgehängt, getrocknet und gebügelt. Diese Arbeit übernehmen meistens wir Frauen, da die Männer hier kein Feingefühl dafür besitzen. Und Wäsche herumtragen ist besser als Kartoffeln schälen!" Ich war froh über den Themenwechsel und hörte ihr gespannt zu.

„Und hier sind wir auch schon!" Wir traten durch zwei hohe Holztüren in einen riesigen Raum. Ein Schwall heißer Dampf stieg mir als Begrüßung entgegen. Staunend sah ich mich um. Ich hatte noch nie so viel Wäsche auf einmal gesehen! Über uns hingen haufenweise Wäscheleinen mit Kleidung daran, alle paar Meter war ein Kleiderhaufen zu sehen. Viele Frauen standen an großen, dampfenden Wasserbecken und tunkten Stoff in das Wasser. Eine ältere Frau bemerkte uns, unterbrach ihre Arbeit und winkte meine Mitbewohnerin zu sich. Als diese bei ihr ankam, sah ich wie sie sich unterhielten. Zwischendurch warf die Frau immer wieder einen Blick auf mich, den gleichen, den ich auch schon in der Küche erhalten hatte: Eine Mischung aus Abneigung, Misstrauen und Mitleid.

Nach ein paar Momenten beendeten die beiden ihr Gespräch, die Frau ging wieder an ihre Arbeit und Sofie lief zu einer Wäscheleine um die daran befestigte Wäsche abzuhängen. Ich ging zu ihr und sah sie fragend an.

Kann ich dir helfen?

Sie lächelte. „Ja. Könntest du den Korb hier schon in die zweite Etage in den Westflügel stellen? Du musst ihn einfach im Gang abstellen, die Menschen suchen sich ihre Wäsche dann selbst raus." Dabei deutete sie auf einen bereits gefüllten Korb neben ihr. Ich nickte, auch, wenn ich mir nicht sicher war ob ich überhaupt den Weg finden würde, doch ich wollte mich nützlich machen. Also beugte ich mich ein Stück vor, hob den Korb hoch und trug ihn vor der Brust aus dem Raum hinaus. Ein wenig unsicher sah ich mich um. Sollte ich nun nach links oder rechts gehen? Dann erinnerte ich mich, dass wir zuvor von rechts kamen. Wenn ich also wieder den Weg zurück ging, kam ich bestimmt zu einer Treppe und damit auf den richtigen Weg. Also ging ich in diese Richtung.

Der Flur war lang und leer. Seine Ausstattung wirkte dadurch noch fremder und einschüchternder, doch ich versuchte mich auf etwas anderes zu konzentrieren. Nämlich darauf, nicht vom Weg abzukommen. Glücklicherweise wurden die Flure irgendwann heller und wirkten dadurch etwas freundlicher. Allmählich fand ich auch einige Wachen auf den Fluren postiert. Um nicht noch weiter herum zu irren, stoppte ich bei einem der Wachen, stellte den Korb ab und schrieb etwas auf das Notizheft, um es anschließend mit einem entschuldigenden Lächeln der Wache zu zeigen.

Können Sie mir sagen, wie ich zur zweiten Etage im Westflügel komme?

Der Mann sah mich seltsam an, dann deutete er den Flur runter. „Dort hinten die zweite Treppe hinunter, über den Hof in die Tür gegenüber und zwei Treppen hinauf." Als Dank nickte ich kurz, dann nahm ich wieder den Wäschekorb und machte mich auf den Weg, diesmal mit sichereren Schritten. Der Ausgang zum Hof war schnell gefunden. Auch die Tür, in die ich hineingehen sollte, war deutlich zu erkennen. Erleichtert lief ich darauf zu, als plötzlich unerwarteter Lärm zu hören war. Es waren Schreie, besser: Rufe. Sie erklangen von den Mauern des Palastes. Augenblicklich blieb ich stehen und sah mich hastig um. Angst kroch mir in die Glieder. Was war los? Wurden wir angegriffen? Erst nach einigen Augenblicken konnte ich einige Worte verstehen. „Hier lang!" „Er ist dort hinten hingelaufen!" „Haltet ihn auf!"

Kaum hatte ich ein paar Sätze verstanden, sah ich eine Gestalt auf der Mauer entlang rennen. Es war die Mauer direkt vor mir. Die Gestalt war ein junger Mann, vermutlich in meinem Alter. Mit Sicherheit konnte ich es jedoch nicht sagen, dafür war er zu weit entfernt. Er hatte dunkle Haare, die das Gesicht halb verdeckten. Der Mann rannte zu einer Ecke des Palastes auf einen Wachturm zu. Als er dort ankam, kamen plötzlich Palastwachen aus dem Turm gestürmt und versuchten, ihn zu ergreifen. Der Junge rannte zurück, doch dort kamen ihm ebenfalls Wachen entgegen, weshalb er stehen blieb. Statt sich zu ergeben sprang der Junge jedoch auf das Geländer der Mauer, winkte den Wachen zu und ließ sich nach hinten fallen. Ich war mir ziemlich sicher, dass er dabei gegrinst hatte.

Entsetzt starrten alle über den Mauerrand. „Dort, er lebt!" rief einer der Männer. „Er rennt davon. Wir müssen ihn einholen!" Kaum gesprochen rannten schon wieder alle davon und versuchten dem Befehl Folge zu leisten. Irritiert von diesem Spektakel setzte ich meinen Weg fort. Ein paar Fragen beschäftigten mich dabei, wie zum Beispiel: Was sollte ich von dieser Situation nun halten? Wer war der junge Mann? Was hatte er getan, dass ihn so viele Wachen verfolgten? War er ein Dieb? War er gefährlich? Mir lief ein Schauer über den Rücken. Hoffentlich würden die Wachen sich um ihn kümmern. Weitere Zeit, um sich damit zu beschäftigen, blieb mir nicht, denn, ohne es zu merken, hatte ich mich wieder in Gang gesetzt und mein Ziel erreicht.

Sound of SilenceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt