Wir mussten entweder hier raus, oder schnell ein sicheres Versteck finden. Da ich keine Ahnung hatte, ob und wo sich die Geheimgänge in diesem Palast befanden, mussten wir es wohl nach draußen schaffen. Oder vorher ein günstiges Versteck erwischen. Das ist der Plan. Renn einfach weiter. Schau nicht zurück. Lass Sofie nicht los. Renn weiter. Schaff es einfach nach draußen. Diese Gedanken kreisten durch mein Bewusstsein und ich hielt sie mit aller Macht dort fest, um die Kraft aufbringen zu können weiterzulaufen. Der Vorfall schien sich herumgesprochen zu haben, vielleicht hatten die Wachen ja auch schon alle im Schloss arlamiert, jedenfalls brach um uns herum ebenfalls Hektik aus und immer mehr Menschen um uns herum begannen, wild durcheinander zu rennen und panisch nach Angehörigen und Freunden zu rufen. Mein Herz verkrampfte sich, doch irgendwie brachte ich die Kraft auf, weiterzurennen. Als wir in die Eingangshalle rannten, stoppte ich abrupt. Sofie rannte in mich hinein, doch das nahm ich nicht wahr.
Die Eingangstore waren aufgebrochen worden, und unzählige Männer mit Schlangentatoo am Hals kamen durch diese hereingerannt. Zwei Diener standen unglücklicherweise direkt neben dem Eingang. Vermutlich hatten sie so nach draußen gelangen wollen. Nun aber waren sie von Rebellen umgeben, die in den Palast stürmten. Einer hielt an und rammte einem der Diener ein Messer in den Bauch, dem anderen schnitt er die Kehle durch. Die beiden leblosen Körper sackten zusammen. Blut ergoss sich innerhalb von Sekunden über den Boden. Ich hätte mich erbrochen, wenn mein Körper nicht so sehr mit Adrenalin vollgepumpt wäre. Gleich würde man uns entdecken. Man würde uns töten. Alles wäre vorbei. Wir würden genauso enden. Mein Gehirn konnte keinen anderen Gedanken fassen, ich steckte in einer Blockade. Zum Glück war Sofie da. Sie zog mich blitzschnell zurück in den Gang und schubste mich durch die nächstbeste Tür. Dann fing mein Gehirn zumindest teilweise wieder an zu arbeiten. Gemeinsam mit ihr presste ich mein volles Gewicht gegen die Tür, um sie zu versperren. Schritte hallten an unsere Ohren, zogen jedoch an uns vorbei und unternahmen keinen Versuch, die Tür zu öffnen. Noch nicht. Als im Flur keine Schritte mehr zu hören waren, wagte ich es, mir einen Überblick über das Zimmer zu verschaffen. Es war ein kleines Empfangszimmer. Ein paar Stühle, eine Kommode, ein Tisch, ein Schrank, in der Ecke eine Pflanze und ein vergleichsweise kleines, aber nicht zu öffnendes Fenster. Aufgewühlt atmete ich tief durch und schloss die Augen, um mir schnellstmöglich einen Plan zu überlegen. Als ich halbwegs klar denken konnte, fasste ich einen Entschluss.
Mit ernster Miene drehte ich mich zu Sofie um und nahm ihre Hand. „Hör zu..." Meine Stimme leise, aber eindringlich. Das Zittern konnte ich gut unterdrücken. „Diese Menschen haben es auf die Königsfamilie abgesehen. Sie werden jeden, der ihnen im Weg steht, vernichten. Darum werden wir jetzt folgendes tun: Ich verlasse den Raum und sobald ich weg bin, schließt du die Tür und sperrst alle schweren Möbel davor, die du finden kannst. Das Fenster versperrst du mit dem Schrank." Sofie, die bis jetzt nichts gesagt hatte, riss die Augen angsterfüllt auf. „Was?! Was hast du vor?!" Ihre Stimme war kaum mehr als ein Hauchen. Bevor ich antwortete, musste ich erneut tief durchatmen. „Ich muss sichergehen, dass Kilian und Elias in Sicherheit sind. Ich muss sie warnen!" „Ich komme mit! Auf keinen Fall lasse ich dich alleine gehen!" In diesem Moment konnte ich die Angst, aber auch die Entschlossenheit in ihren Augen sehen. „Nein! Ich muss wissen, dass du in Sicherheit bist! Sonst schaffe ich das nicht..." Meine Stimme brach ab. Das musste meine beste Freundin wohl bewegt haben, denn auf ihrem Gesicht spiegelte sich nun Verständnis und Resignation. Bevor sie sich anders entscheiden konnte, sprach ich hastig weiter. „Du verlässt unter keinen Umständen den Raum, okay? Unter keinen Umständen! Auch nicht, wennn du glaubst, das alles vorüber ist! Ich komme dich dann holen." Unsicher sah sie mich an. „Und...wenn du nicht wiederkommst?" Einen Moment herrschte Stille. Dann lächelte ich sie schwach an. „Darüber solltest du im Moment nicht nachdenken." Ehe ich den Satz zuende gesprochen hatte, hatte sie mich bereits in die Arme geschlossen und drückte mich fest an sich. „Pass auf dich auf..." Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, als ich sie fester umschloss.
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Sound of Silence
FantasyDie siebzehnjährige Tia reist aus ihrer Heimat in ein fremdes Land, um dort eine Arbeit am Königshof zu finden. Das neue Leben ist fremd und völlig ungewohnt. Sie kann sich zunächst nur schwer einleben, vor allem durch ihr besonderes Handicap. Zusät...